19. Januar 2013

Wie denken die Bewohner Malis über die Scharia? Eine Gallup-Umfrage

Auch in Mali führt Gallup regelmäßig Umfragen durch. Gestern hat das Institut Ergebnisse einer Umfrage veröffentlicht, die im Oktober und November 2012 stattfand. Gleichlautende Fragen waren auch 2010 und 2011 gestellt worden.

In diesen beiden vorausgehenden Jahren waren die Malier mit ihrer - demokratisch gewählten - Regierung überwiegend zufrieden gewesen (in beiden Jahren hatten 71 Prozent "Vertrauen in die Regierung"). Nach dem Militärputsch im März 2012 hat sich die Stimmung offenbar gedreht. In der jetzigen Umfrage bekundeten nur noch 49 Prozent Vertrauen in die Regierung. (Diese Umfrage konnte in den drei von den Dschihadisten beherrschten Regionen Nordmalis - Timbuktu, Kidal und Gao - sowie in der Region Mopti wegen der schlechten Sicherheitslage 2012 nicht stattfinden; siehe die Karte in diesem Artikel. In diesen dünn besiedelten Sahara-Regionen leben ungefähr 16 Prozent der Bevölkerung).

Unter dem Putsch litt insbesondere, nicht verwunderlich, das Ansehen des Militärs. Ihm hatten in den beiden vorausgehenden Jahren 89 bzw. 90 Prozent vertraut; 2012 nur noch 65 Prozent. Auch dies ist allerdings noch ein bemerkenswert hohes Ergebnis.

Die in den drei Nordregionen herrschenden Islamisten haben bekanntlich ein strenges Scharia-Regime eingeführt; mit Hinrichtungen, dem Abschlagen von Gliedmaßen, dem Verbot säkularer Veranstaltungen und so fort. Wie sehen die Malier die Rolle der Scharia?

Noch 2010 hatten 29 Prozent der Aussage zugestimmt "Die Scharia soll die einzige Quelle der Gesetzgebung sein". Nachdem man Erfahrungen mit der Realisierung dieser Forderung im Norden gemacht hat, sank dieser Prozentsatz auf 13 Prozent. Auch der Anteil derer, die der Scharia die Rolle einer Quelle der Gesetzgebung unter anderen zubilligen wollen, ist von 56 auf 33 Prozent drastisch zurückgegangen.

2010 waren nur 13 Prozent der Meinung gewesen, die Scharia solle überhaupt keine Quelle der Gesetzgebung sein. Jetzt ist eine knappe Mehrheit von 51 Prozent dieser Meinung.

Parallel dazu ist der Wunsch nach einem säkularen Staat gewachsen.

2010 waren die meisten Befragten der Meinung gewesen, Geistliche sollten entweder beratend (71 Prozent) oder direkt (23 Prozent) eine Rolle in der Politik spielen. Nur 5 Prozent wollten 2010 den Klerus ganz aus der Politik verbannen.

Das wollen jetzt mehr als dreimal so viele Malier (17 Prozent). Von den anderen wollen nur noch 15 Prozent eine direkte Rolle des Klerus und 66 Prozent eine beratende Funktion.



Das multiethnische Mali, über Jahrhunderte eine Handelsnation zwischen dem Maghreb und Westafrika, hat traditionell eine lockere Form des Islam praktiziert; vermischt mit Elementen der alten Stammesreligionen. Eine Zustimmung zu einer strengen Anwendung der Scharia gibt es dort nicht.

Das jetzige Regime in den drei Nordregionen ist nicht malisch, sondern es hat den Charakter einer fremden Besatzung.

Zunächst waren nach Gaddafis Sturz Tuaregs, die in dessen Armee gedient hatten, unter Mitnahme ihrer Waffen nach Nordmali gegangen oder dorthin zurückgekehrt. Sie bildeten eine nationale Befreiungsfront (MNLA) mit dem Ziel, einen Tuareg-Staat Azawad zu errichten. Aber ihnen folgten bald Dschihadisten, die sich aus den Arsenalen Gaddafis mit Waffen eingedeckt hatten; sie verdrängten die MNLA in kurzer Zeit.

Ein Teil von ihnen (vor allem der Ansar Dine) stammt aus Mali; aber überwiegend handelt es sich um internationale Terroristen, die dort operieren, wo sie Freiräume vorfinden - erst in Afghanistan, dann im Irak; jetzt in Syrien, Libyen und eben Mali.

Diese Dschihadisten brachten eine den Maliern fremde Form des Islam mit und setzten sie in ihrem Herrschaftsbereich blutig durch. Offenbar hat das die Haltung der Malier zur Scharia grundlegend geändert; und es erklärt die überwältigende Zustimmung im Land zur Intervention Frankreichs.
Zettel



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