Newt Gingrich hat in der täglichen Umfrage von Gallup bei den Wählern der Republikaner den bisher führenden Mitt Romney jetzt mit 31 zu 28 Prozent überholt. In Deutschland liegt die FDP nach den Umfragen der großen Institute bei 3 bis 4 Prozent; käme also bei diesem Stand nicht wieder in den Bundestag.
Auf den ersten Blick scheinen diese beiden demoskopischen Befunde wenig miteinander zu tun zu haben. Es gibt aber einen Zusammenhang; eine Parallele, die für die FDP interessant ist und die ihr Grund zur Hoffnung gibt. Und es gibt - was zunächst noch weniger offenkundig erscheinen mag - Aspekte, die beides mit der Affäre Wulff verbinden.
Noch am 14. Januar lag Newt Gingrich in der Gallup-Umfrage (daily tracking; dabei wird täglich eine Umfrage durchgeführt und aus den Ergebnissen von je drei aufeinanderfolgenden Tagen ein gleitender Mittelwert gebildet) bei 14 Prozent; am selben Tag erreichte Mitt Romney exzellente 37 Prozent. Bis zum 22. Januar, also innerhalb von nur einer Woche, war aus diesem massiven Vorsprung ein Gleichstand geworden; und jetzt also liegt Gingrich bereits in Führung.
Ähnlich war es bei den Vorwahlen in South Carolina gewesen. Innerhalb weniger Tage verwandelte sich dort ein zweistelliger Vorsprung Romneys in einen eindrucksvollen Wahlsieg für Gingrich (Das Rennen bei der GOP scheint gelaufen; ZR vom 16. 1. 2012, sowie Gingrichs Triumph; ZR vom 23. 1. 2012).
Das Verhalten der Wähler bei den Vorwahlen der GOP ist in diesem Jahr damit so volatile, so sprunghaft und unberechenbar, wie es die Demoskopen noch nie gesehen haben. Nate Silver hat das, gründlich wie immer, im einzelnen nachgewiesen.
Die Ursachen für dieses ungewöhnliche Verhaltensmuster habe ich in dem Artikel "Gingrichs Triumph" analysiert:
Die Wähler der Republikaner sind von keinem der Kandidaten begeistert; sie sind somit offen dafür, unter Umständen diesen oder auch jenen zu wählen. Sie wollen andererseits unbedingt Obama loswerden. Also entscheiden sie sich für denjenigen Kandidaten, der gegen Obama die besten Aussichten hat.
Wer dafür in Frage kommt, sehen sie an den Umfragwerten; und damit gibt es eine positive Rückkopplung: Je höher ein Kandidat in den Umfragen steigt, umso besser sind seine Aussichten gegen Obama (ist seine electability). Umso mehr Wähler wechseln also zu ihm, und folglich steigen wiederum seine Umfragewerte.
Wenn sich ein Prozeß - in welcher Art von System auch immer; ob Organismus, technische Anlage oder soziales System - in dieser Weise plötzlich sehr schnell in eine bestimmte Richtung entwickelt, dann stecken sehr oft solche positiven Rückkopplungen dahinter. Der Prozeß "schaukelt sich auf", er "wird überschießend", "it gains momentum", er "eskaliert". Durch negative Rückkopplung andererseits werden Prozesse gedämpft, wird das System stabil gehalten.
Im politischen Bereich gibt es viele Arten von positiver Rückkopplung; nicht nur die jetzt geschilderte zwischen Umfragewerten und Wählergunst. Die Affäre Wulff illustriert das. Wir haben es hier mit dem nachgerade klassischen Fall eines politischen Vorgangs zu tun, der unbedeutend beginnt und sich durch Rückkopplung zur Affäre hochschaukelt.
Am Anfang stand lediglich der Vorwurf, Wulff hätte als Ministerpräsident vor dem Niedersächsischen Landtag eine unvollständige Auskunft gegeben. Daraus wurde eine Kredit- und Hauskauf-Affäre. Inzwischen gibt es ein ganzes Geflecht von mehr oder weniger triftigen oder belanglosen Vorhaltungen, die nicht nur Wulff selbst, sondern auch Menschen aus seinem Umfeld, wie Olaf Glaeseker, betreffen (siehe Haussuchung bei Glaeseker; ZR vom 19. 1. 2012).
Bei dieser Ausweitung waren und sind verschiedene rückgekoppelte Prozesse am Werk:
Im zweiten Teil befasse ich mich vor diesem Hintergrund mit dem Niedergang der FDP in der Wählergunst und mit ihren Aussichten, das Umfragetief wieder zu verlassen.
Aussichten, die gar nicht so schlecht sind. Denn der Aufstieg des schon als abgestiegen geltenden Newt Gingrich zeigt, wie schnell sich das Verhalten eines rückgekoppelten Systems ändern kann. Und die Affäre Wulff ist lehrreich, wenn man verstehen will, wie es zu einem politischen Niedergang kommen kann; ob einer Person, ob einer ganzen Partei. Lehren, welche die FDP ziehen sollte und die sie auch ziehen könnte.
Auf den ersten Blick scheinen diese beiden demoskopischen Befunde wenig miteinander zu tun zu haben. Es gibt aber einen Zusammenhang; eine Parallele, die für die FDP interessant ist und die ihr Grund zur Hoffnung gibt. Und es gibt - was zunächst noch weniger offenkundig erscheinen mag - Aspekte, die beides mit der Affäre Wulff verbinden.
Noch am 14. Januar lag Newt Gingrich in der Gallup-Umfrage (daily tracking; dabei wird täglich eine Umfrage durchgeführt und aus den Ergebnissen von je drei aufeinanderfolgenden Tagen ein gleitender Mittelwert gebildet) bei 14 Prozent; am selben Tag erreichte Mitt Romney exzellente 37 Prozent. Bis zum 22. Januar, also innerhalb von nur einer Woche, war aus diesem massiven Vorsprung ein Gleichstand geworden; und jetzt also liegt Gingrich bereits in Führung.
Ähnlich war es bei den Vorwahlen in South Carolina gewesen. Innerhalb weniger Tage verwandelte sich dort ein zweistelliger Vorsprung Romneys in einen eindrucksvollen Wahlsieg für Gingrich (Das Rennen bei der GOP scheint gelaufen; ZR vom 16. 1. 2012, sowie Gingrichs Triumph; ZR vom 23. 1. 2012).
Das Verhalten der Wähler bei den Vorwahlen der GOP ist in diesem Jahr damit so volatile, so sprunghaft und unberechenbar, wie es die Demoskopen noch nie gesehen haben. Nate Silver hat das, gründlich wie immer, im einzelnen nachgewiesen.
Die Ursachen für dieses ungewöhnliche Verhaltensmuster habe ich in dem Artikel "Gingrichs Triumph" analysiert:
Die Wähler der Republikaner sind von keinem der Kandidaten begeistert; sie sind somit offen dafür, unter Umständen diesen oder auch jenen zu wählen. Sie wollen andererseits unbedingt Obama loswerden. Also entscheiden sie sich für denjenigen Kandidaten, der gegen Obama die besten Aussichten hat.
Wer dafür in Frage kommt, sehen sie an den Umfragwerten; und damit gibt es eine positive Rückkopplung: Je höher ein Kandidat in den Umfragen steigt, umso besser sind seine Aussichten gegen Obama (ist seine electability). Umso mehr Wähler wechseln also zu ihm, und folglich steigen wiederum seine Umfragewerte.
Wenn sich ein Prozeß - in welcher Art von System auch immer; ob Organismus, technische Anlage oder soziales System - in dieser Weise plötzlich sehr schnell in eine bestimmte Richtung entwickelt, dann stecken sehr oft solche positiven Rückkopplungen dahinter. Der Prozeß "schaukelt sich auf", er "wird überschießend", "it gains momentum", er "eskaliert". Durch negative Rückkopplung andererseits werden Prozesse gedämpft, wird das System stabil gehalten.
Im politischen Bereich gibt es viele Arten von positiver Rückkopplung; nicht nur die jetzt geschilderte zwischen Umfragewerten und Wählergunst. Die Affäre Wulff illustriert das. Wir haben es hier mit dem nachgerade klassischen Fall eines politischen Vorgangs zu tun, der unbedeutend beginnt und sich durch Rückkopplung zur Affäre hochschaukelt.
Am Anfang stand lediglich der Vorwurf, Wulff hätte als Ministerpräsident vor dem Niedersächsischen Landtag eine unvollständige Auskunft gegeben. Daraus wurde eine Kredit- und Hauskauf-Affäre. Inzwischen gibt es ein ganzes Geflecht von mehr oder weniger triftigen oder belanglosen Vorhaltungen, die nicht nur Wulff selbst, sondern auch Menschen aus seinem Umfeld, wie Olaf Glaeseker, betreffen (siehe Haussuchung bei Glaeseker; ZR vom 19. 1. 2012).
Bei dieser Ausweitung waren und sind verschiedene rückgekoppelte Prozesse am Werk:
Öffentliches Interesse und Behandlung des Themas in den Medien. Beschäftigt ein Thema die Leute, dann wird es in den Medien breit behandelt. Dies wiederum führt dazu, daß es die Leute noch mehr beschäftigt - was seinerseits die Berichterstattung weiter anheizt; denn ein Thema, das die Leute interessiert, verspricht Umsatz.
In der Regel handelt es sich also nicht einfach nur um eine einseitige "Manipulation durch die Medien". Das Interesse ist zunächst einmal echt. Bundespräsident Wulff hatte vor der Affäre das Image eines tadellosen Charakters; also stießen Vorwürfe, die daran kratzten, auf Interesse. Durch Rückkopplung wurde das allerdings ins Übertriebene gesteigert. Am Ende war schon die Einladung durch einen Marmeladenfabrikanten ein Stück Skandal geworden.Image eines Politikers und Fakten zu ihm. Das Bild, das man von einem Menschen hat, wird durch das bestimmt, was man über ihn erfahren hat. Aber umgekehrt bestimmt dieses Bild auch seinerseits, was man an Informationen über ihn sucht und wie man es bewertet. Nachdem einmal in der Öffentlichkeit das Bild entstanden war, daß Wulff Regeln des seiner Position angemessenen Verhaltens nicht eingehalten hatte, wurde jede in diese Richtung gehende Information bereitwillig akzeptiert und verstärkte wiederum dieses neue Image, das an die Stelle des Bildes vom tadellosen Charakter getreten war.
Das Schema, das man von jemandem hat, wirkt wie ein Filter für Informationen über ihn; aber es ist ein dynamischer Filter, der seinerseits durch aufgenommene Informationen verändert wird. Der Kognitionspsychologe Ulric Neisser hat das vor einigen Jahrzehnten in seinem Buch Cognition and reality theoretisch überzeugend entwickelt.Vorwürfe und die Reaktion des Betroffenen. Hier handelt es sich um Rückkopplungen, die sowohl positiv als auch negativ sein können. Durch eine geschickte Reaktion kann ein Politiker Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen und einen eskalierenden Prozeß verhindern; diesen sozusagen im Keim ersticken. Das ist Newt Gingrich am Montag vorletzter Woche glänzend gelungen, als er Kritik in Bezug auf seine zweite Ehe in eine triumphierende Medienschelte ummünzte.
Bundespräsident Wulff hingegen hat mit seinen unbeholfenen, wenig geschickten Reaktionen die "Affäre" überhaupt erst richtig ins Rollen gebracht und dann zu ihrer Eskalation beigetragen (siehe Der Ungeschickte. Ist Wulff ein zweiter Lübke? Schlimmer; ZR vom 5. 1. 2012).Schwäche und Aggression. Dabei spielte bei Wulff noch eine weitere, speziellere Art der Rückkopplung eine Rolle: Wer auf Angriffe mit Zeichen der Schwäche reagiert, der provoziert weitere Angriffe. Politiker, die sofort aggressiv zurückschlagen, wenn sie attackiert werden - Gregor Gysi ist ein Musterfall; Herbert Wehner war in dieser Disziplin der unerreichte Meister - , können eine Eskalation sehr oft unterdrücken. Wer sich aber nachgiebig zeigt, der wird geduckt.
Auch Journalisten auf der Jagd suchen sich halt, wie jedes Raubtier, die Schwachen als ihre Opfer aus. Nichts ist erfolgreichehr als der Erfolg; aber nichts lädt auch so sehr zu Aggressionen ein wie einmal gezeigte Schwäche. Der nachgerade um Verständnis bettelnde Präsident Wulff hat mit seiner Demutshaltung die Affäre erst richtig angeheizt, die er doch durch dieses Interview in ARD und ZDF hatte beenden wollen (siehe Wulffs Interview. Welch ein Jammerschauspiel; ZR vom 4. 1. 2012).
Im zweiten Teil befasse ich mich vor diesem Hintergrund mit dem Niedergang der FDP in der Wählergunst und mit ihren Aussichten, das Umfragetief wieder zu verlassen.
Aussichten, die gar nicht so schlecht sind. Denn der Aufstieg des schon als abgestiegen geltenden Newt Gingrich zeigt, wie schnell sich das Verhalten eines rückgekoppelten Systems ändern kann. Und die Affäre Wulff ist lehrreich, wenn man verstehen will, wie es zu einem politischen Niedergang kommen kann; ob einer Person, ob einer ganzen Partei. Lehren, welche die FDP ziehen sollte und die sie auch ziehen könnte.
Zettel
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Bundespräsident Theodor Heuss (FDP) am 17. September 1953; Bundesarchiv, Bild 146-1983-098-20 (Ausschnitt).