6. August 2012

Zitate des Tages: Rufmord

Raus mit der Sprache! Geht es um Nazis? Warum hat sich die Ruderin Nadja Drygalla aus dem Staub gemacht, nachdem der Deutsche Olympische Sportbund und der Ruderverband sie ins Gebet genommen haben? Was wissen die deutschen Verbände über die Beziehung einer ihre Sportlerinnen zum militanten Neonazi Michael Fischer? (...) Eine unangenehme Frage steht im Raum: Wieviel Nazi darf eigentlich sein im deutschen Sport?
Andreas Rüttenauer in der "tageszeitung".

Dass Nadja Drygalla für Deutschland bei den Olympischen Spielen gerudert hat, ist ... ein öffentlicher Vorgang, in dem es um mehr geht als um die Person. Die Bundesrepublik kann erwarten, würdig vertreten zu werden. (...)

Drygalla hat freiwillig an ein Milieu angedockt, das Deutschlands dunkelste Jahre als seine hellsten glorifiziert. Die Ruderin ist entweder unglaublich naiv oder dumm oder selbst vom braunen Ungeist infiziert. Keine Variante lässt es geboten erscheinen, Drygalla als Vorzeigesportlerin der Bundesrepublik auftreten zu lassen.
Frank Jansen im "Tagesspiegel".

Nach anfänglichem Leugnen gibt das Innenministerium zu, seit Frühjahr 2011 gewusst zu haben, wie nahe Drygalla der rechten Szene ist. Vielleicht hat der Verfassungsschutz ja auch die Fotos, auf denen die Freundin des Nazis in Szenekreisen zu sehen sein soll. Und falls nicht, so wird man sich im Ministerium gewiss gefragt haben, ob Nadja und Michael immer nur alleine Geburtstag gefeiert haben.
Das "Neue Deutschland"; Artikel nicht namentlich gezeichnet.

Doch ist es unwahrscheinlich, dass Drygalla mit einem führenden Kader der norddeutschen Neonazis zusammen ist und dessen Ansichten über Rasse, Juden und generell die Ungleichwertigkeit von Menschen nicht zumindest toleriert? Neonazisein ist kein Beruf, den man nach Feierabend hinter sich lässt, sondern eine Lebenseinstellung, die gerade den Alltag prägt. (...)

... entweder sie ist politisch bei ihrem Freund – dann sollte sich die so verhasste Bundesrepublik Deutschland nicht von ihr vertreten lassen. Sie würde alles ad absurdum führen, wofür dieser Staat steht. Oder sie hält die Aktivitäten ihres Freundes für etwas Unerhebliches. Dann hätte ihr öffentlich gewordener Abgang schlagend belegt, was sich seit der Aufdeckung der NSU ständig düsterer andeutet: Der Übergang von der guten Mitte zu den bösen Nazis ist nicht nur fließend. Er ist manchmal kaum zu erkennen.
Christian Bangel in "Zeit-Online".

Faschismus ist hierzulande Privatsache, besser nicht drüber reden. Und wenn doch, dann steht bestimmt auch irgendwer auf dem Boden des Grundgesetzes – das zumindest hat Vesper über Drygalla herausgefunden. Am Donnerstag, vorher wußte er von nichts.
Christof Meueler (cm) in der "Jungen Welt"



Kommentar: Gestern hat Nadja Drygalla dpa ein Interview gegeben, in dem sie sagte:
In welchem Maße das alles kam, hatte ich nicht erwartet, weil mein Freund seit Mai kein Mitglied in der NPD mehr ist und persönlich mit dieser ganzen Sache gebrochen und sich verabschiedet hat. (...)

Als wir damals vor viereinhalb, fünf Jahren zusammen­kamen, war das noch kein Thema. Es fand seinen Höhepunkt, als er in die Partei eingetreten ist und für die NPD kandidiert hat. Ich muss ganz klar sagen, dass unsere Beziehung davon sehr stark belastet wurde und ich in vielen Diskussionen klar gesagt habe, dass ich diese Meinung nicht teile und da nicht hinter stehe. (...)

Es gab auch den Gedanken an Trennung. Ich bin froh, dass ich vor den Olympischen Spielen noch einmal klar gesagt habe, dass es so nicht weiter laufen kann. (...)

Ich habe keine Verbindung in seinen Freundeskreis und diese Szene gehabt und lehne das absolut ab. (...)

Da können Sie fragen, wen sie möchten: Ich habe keinen Kontakt gehabt, noch bin ich jemals auf Demonstrationen gewesen. (...)

Ich habe viele Bilder gesehen, unter denen mein Name stand und vermeintliche Fakten gelesen, die einfach falsch sind. (...)

Wenn einfach nur die falschen Dinge richtig gestellt würden, wäre ich schon zufrieden.
Ein bescheidener Wunsch angesichts des an Nadja Drygalla verübten Rufmords.

Siehe auch:
Zettels Meckerecke: DDR, schon nicht mehr light. Der "Fall" Nadja Drygalla und die Ex-FDJ-Funktionärin Petra Pau; ZR vom 3. 8. 2012

Hexenjagd. Noch einmal der "Fall" Nadja Drygalla. Wo bleibt die liberale Öffentlichkeit?; ZR vom 4. 8. 2012
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Zettel



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