7. August 2012

Blum 2.0

In den 70er Jahren galt Bölls "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" als exemplarische Anprangerung eines Hetz-Journalismus, der seinerzeit vor allem bei der BILD üblich war.

Inzwischen muß man wüste Entgleisungen dieser Art fast als normalen journalistischen Standard bezeichnen. Jedenfalls bei "Leitmedien" à la Spiegel, taz, SZ oder den staatlichen Sendern. Die Lokalzeitungen sind meistens noch zurückhaltender, halten manchmal sogar dagegen.

Da gab es vor einiger Zeit eine große Spiegel-Titelgeschichte gegen ALDI. Ein völlig substanzloses Pamphlet, wie ein Blogger damals ausführlich und mit Fortsetzung darstellte.

Opfer solcher Berichterstattung war aber nicht nur der eher anonyme Großkonzern ALDI. Da gibt es auch konkrete Opfer der dort verbreiteten Lügen. Ein Unrechtsbewußtsein findet sich bei der Spiegel-Redaktion nicht. Auf Nachfrage der Kollegen vom Lokalblatt wird kaltschnäuzig geantwortet, es wäre eben "persönliches Pech" des Betroffenen, wenn in der Öffentlichkeit ein falscher Eindruck entstanden wäre.

Bölls Roman endet damit, daß das Opfer den Lügenjournalist erschießt. Das kann man als Rechtfertigung von Selbstjustiz sehen, und dafür ist Böll damals heftig kritisiert worden.
Im realen Leben hat es das m. W. noch nie gegeben, daß ein deutscher Journalist für das von ihm angerichtete Unheil irgendwie büßen mußte. Maximal bekommt seine Zeitung eine Unterlassungsverfügung oder eine Geldstrafe.
R.A.



© R.A.. Für Kommentare bitte hier klicken.