2. August 2012

Zitat des Tages: "Hier waltet ein Unsegen". Peter Gauweiler erklärt seine Euroskepsis

Ist die Formation der Europäischen Union heute ein rechtes oder linkes Projekt?

Möglicherweise bündelt sie die historisch belegbaren Nachteile beider Richtungen: Ortlosigkeit und Unbezogenheit von links, von rechts Kontinentalismus, Überbietung und Anpassungsdruck. Und einen auf Enteignung zielenden Kollektivismus, der - seit Goldman Sachs neben Marx und Lenin getreten sind - aus zwei Richtungen die europäische Menschheit bedroht. Hier waltet ein Unsegen.
Peter Gauweiler in einem Essay in der heutigen FAZ unter der Überschrift "Peter Gauweiler zur Zukunft Europas - Alles so großtuerisch, so herzlos und leer!"

Kommentar: Peter Gauweiler ist Bayer. Bayer vor allem - dann kommt alles Andere: Sein konservativer Liberalismus oder liberaler Konservativismus, seine Unerschrockenheit, wenn es gilt, gegen den Strom zu schwimmen.

Also handelt sein Artikel über Europa zuvorderst von Bayern. Er hat sich in die Geschichte des Beitritts Bayerns zum Deutschen Reich im Januar 1871 vertieft und sieht manche Parallelen zur heutigen Situation.

Eindrucksvoll und wehmütig schildert Gauweiler, wie damals die Bayern Abschied von ihrer Eigenstaatlichkeit nahmen, und er zitiert den hellsichtigen Abgeordneten der zweiten Kammer des Bayerischen Landtags Krätzer, der in der Debatte über den Beitritt sagte:
Wohin führt die Gründung eines solchen Staates? Die Sucht, die Herrschaft über Europa zu bekommen, liegt zugrunde, und diese Anspannung aller Kräfte wird auch in nächster Zeit zum Kriege führen.
An das "Hier waltet ein Unsegen" im Eingangszitat schließt Gauweiler die Frage an "Was also tun?" Eine Antwort bleibt er allerdings schuldig; jedenfalls eine konkrete.

Jedenfalls plädiert Gauweiler für mehr Subsidiarität, für mehr Volksnähe und weniger Macht der Brüsseler Zentrale. Er sieht die Gefahr, daß
... supranationale Organisationen verstärkt den erreichten Zusammenhang von Menschenrechten und Demokratie zerstören können. Und dass durch eine weltweit verselbständigte Exekutivgewalt der demokratische Souverän von seinen Rechten enteignet wird. (...)

Diese Enteignung des demokratischen Souveräns wird und muss in der europäischen Öffentlichkeit das zentrale Thema der bevorstehenden Debatte um die Zukunft der Brüsseler Institution sein.
Wohin diese Debatte nach Ansicht Gauweilers führen sollte, bleibt jedoch unbestimmt.

Einerseits nämlich scheint ihm de Gaulles Konzept eines Europas der Vaterländer vorzuschweben. Er zitiert zustimmend de Gaulles Äußerung:
Welche Kurzsichtigkeit verrät der oft von naiven Gemütern vorgebrachte Vergleich dessen, was Europa tun sollte, mit dem, was die Vereinigten Staaten getan haben, die doch von Wellen um Wellen entwurzelter Siedler, ausgehend vom Nichts, auf jungfräulichem Boden geschaffen wurden?
Andererseits empfiehlt Gauweiler die Schweiz als Vorbild für Europa:
Europa - die Schweiz der Welt? Das Megalopolisch-Unsympathische der Europäischen Union löste ein solcher Vorschlag jedenfalls sofort auf. Ebenso die Vorstellung von Europa als Eidgenossenschaft. Auch die Pflege von Vielsprachigkeit könnte Brüssel von Bern gut lernen. Ebenfalls die Achtung vor kantonaler Selbstbestimmung und staatsbürgerlicher Funktion.
Die Kantone der Schweiz sind nun allerdings keine Vaterländer. Das Vaterland des patriotischen Schweizers ist nicht Aargau, Uri oder Glarus, sondern die Schweizerische Eidgnossenschaft. Will Gauweiler also doch ein Vaterland Europa?­
Zettel



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