18. August 2012

Zettels Meckerecke: Raus aus dem Kapitalismus! Die Aussteigernation zeigt ihr Gesicht. Ist Deutschland schon reif für den Sozialismus?

Bei der Bertelsmann-Stifung, die sie in Auftrag gegeben hat, konnte ich die Untersuchung nicht finden; auch nicht bei TNS Emnid, das sie ausgeführt hat. Also kommentiere ich aufgrund der kargen Informationen bei "Zeit-Online", dem die Untersuchung "exklusiv vorliegt". Darin heißt es:
Acht von zehn Bundesbürgern wünschen sich angesichts der europaweiten Krise eine neue Wirtschaftsordnung. (...) Zwei von drei Befragten misstrauen ... bei der Lösung der Probleme den Selbstheilungskräften der Märkte. Der Kapitalismus sorge weder für einen "sozialen Ausgleich in der Gesellschaft" noch für den "Schutz der Umwelt" oder einen "sorgfältigen Umgang mit den Ressourcen".
Was will sie also, diese Mehrheit der Deutschen? Den Sozialismus wie gehabt, eine Wiedererrichtung der DDR? Oder doch lieber eine DDR 2.0 ohne MfS?

Vielleicht. Vermutlich aber wissen diejenigen, die derartigen Aussagen zustimmen, nicht so ganz genau, was sie wollen. Irgendeinen Sozialismus offenbar; vielleicht wie in Venezuela oder in Cuba oder in Nordkorea. Vielleicht einen islamischen Sozialismus wie im Iran.

Offenkundig hat man sie nicht genauer befragt, diese 80 Prozent der Deutschen, die den Kapitalismus abschaffen wollen. Sie lehnen den Kapitalismus ab, also wollen sie den Sozialismus; denn er ist ja die einzige Alternative zum Kapitalismus. Es wäre schön gewesen, zu erfahren, nach welchem Modell sie ihn sich denn vorstellen, diesen Nicht-Kapitalismus. Man hat das aber, soweit zu ersehen, nicht gefragt.

Die Aussteigernation zeigt in dieser Umfrage ihr Gesicht. Es ist das verklärte Gesicht von Gläubigen, die sich von der realen Welt verabschiedet haben und die vom "Ganz Anderen" träumen. Irgendwie sozial, irgendwie umweltfreundlich, irgendwie gerecht. Jedenfalls sozialistisch.

Ja, und wie denn? "Was weiß ich", hätten sie vermutlich gesagt, wenn man sie genauer befragt hätte, diese Deutschen. Irgendwie Sozialismus halt. Irgendwie kein Kapitalismus mehr, ey?.



Wie konnte sich diese Stimmung, dieses "Bauchgefühl" in einem Land ausbreiten, dem es dank des Kapitalismus glänzend geht? In dem es mehr Freiheit, mehr Gerechtigkeit und mehr Wohlstand gibt als irgendwann in seiner Geschichte; das weltweit bewundert und beneidet wird?

Es ist schon bemerkenswert. Nicht das Sein bestimmt offenbar das Bewußtsein, sondern die Bewußtseinsindustrie. Die Propaganda, der die Deutschen seit Jahrzehnten ausgesetzt sind.

Unsere Medien reden uns ein, daß Kapitalismus schlecht ist, daß Liberalismus ganz schlecht ist und daß Neoliberalismus so schlecht ist, daß man nur noch pfui sagen kann.

Man sagt den Deutschen - und viele glauben es -, daß der Kapitalismus nicht "für den sorgfältigen Umgang mit Ressourcen" sorge. Wie sorgfältig der Sozialismus mit Ressourcen umgeht, konnte man in Bitterfeld 1990 besichtigen. Jeder DDR-Bürger kann es bezeugen, der sich gegen die von der Fernheizung gelieferte Hitze nur dadurch wehren konnte, daß er auch im Winter die Fenster aufmachte.

Keine Gesellschaftsordnung in der Geschichte hat soviel "sozialen Ausgleich" geschaffen wie der moderne Kapitalismus. Einem Hartz-IV-Empfänger geht es heute in der Bundesrepublik besser als einem Hochschullehrer in der DDR. Er kann sich Dinge leisten, von denen dieser nur träumen konnte.

Nie war die Umwelt besser geschützt als im modernen deutschen Kapitalismus. Nie ging es auch denen ohne Spitzenverdienst so gut. Wir leben in einem Land, in dem ein durchschnittlich verdienender Arbeiter es sich leisten kann, seinen Urlaub in der Karibik zu verbringen. Vor einem halben Jahrhundert fuhren die Wohlhabenden in den Schwarzwald oder an die Nordsee; für die meisten Menschen bestand Urlaub im Besuchen von Verwandten.

Aber viele Deutsche - offenbar eine deutliche Mehrheit - trauen nicht dem, was sie täglich erleben. Ihr politisches Urteil speist sich nicht aus ihrer eigenen Erfahrung, sondern aus dem, was die Medien ihnen vermitteln.

Vermittelt wird ihnen das Bild eines Kapitalismus, den man besser heute als morgen abschaffen sollte. Zwei Drittel, vielleicht vier Fünftel der Deutschen glauben das.

Noch wählen sie mehrheitlich nicht die Kommunisten, wie sie das konsequenterweise tun müßten. Das mag daran liegen, daß deren Partei bisher kein sehr attraktives Bild bietet. Eine kommunistische Partei mit einem charismatischen Führer wäre, nimmt man die Bertelsmann-Umfrage ernst, in Deutschland gut für eine absolute Mehrheit.
Zettel



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