Dass ich nicht singe, liegt ja auch daran, dass ich Respekt vor meinem zweiten Heimatland habe und vor dem Teil meiner Familie, der dort noch lebt.
Kommentar: Das Singen oder Nichtsingen der Nationalhymne hat Ende Juni die Nation beschäftigt, nachdem bei der Fußball-Europameisterschaft eine arg verhalten agierende deutsche Mannschaft im Halbfinale am 28. Juni gegen furios aufspielende Italiener verloren hatte; diese hatten zuvor aus voller Kehle ihr Fratelli d'Italia geschmettert.
Ob nun das eine mit dem anderen zusammenhing, wird man nicht entscheiden können. Von der Hand zu weisen ist ein solcher Zusammenhang nicht; schließlich ist das inbrünstige Singen einer Truppe ein uraltes Mittel, sich für eine gemeinsam zu schlagende Schlacht zu motivieren. Man ist dadurch in dem Augenblick, in dem es ernst wird, schon in einem Zustand vermehrten Adrenalins im Blut; auch stärkt das gemeinsame Singen den Mannschaftsgeist.
Mich hat damals aber nicht dieser psychologisch-physiologische Aspekt interessiert, sondern die Frage, warum eigentlich einige Spieler die Nationalhymne nicht mitsingen.
Die das nicht tun, sind mit einer Ausnahme (Lukas Podolski) keine Einwanderer, sondern in Deutschland geborene Deutsche. Bei Mesut Özil beispielsweise war bereits der Vater Deutscher. Jérôme Boateng, Mario Gómez und Sami Khedira sind Deutsche und wuchsen bei ihren deutschen Müttern auf; in Berlin, in Riedlingen und in der Nähe von Stuttgart.
Diese jungen Männer sind so sehr Deutsche, wie Barack Obama Amerikaner ist, Sohn eines Kenyaners, in Hawaii geboren, aufgewachsen bei seinen amerikanischen Großeltern und seiner amerikanischen Mutter; allerdings zum Teil in Indonesien. Warum fällt es ihnen, ganz anders als Barack Obama, so schwer, sich mit ihrem Heimatland zu identifizieren?
Ich habe mich damals, Anfang Juli, auf einer allgemeinen Ebene mit dieser Frage befaßt und eine Verbindung zu dem hergestellt, was ich die deutsche Traditionsvergessenheit nannte (Das Singen der Nationalhymne, die Piratenpartei und Barack Obama. Eine These; ZR vom 2.7. 2012). In der Diskussion zu diesem Artikel in Zettels kleinem Zimmer wurde auf die Bemerkung Sami Khediras aufmerksam gemacht, die ich oben zitiere.
Jetzt ist dieses Thema wieder aktuell geworden, weil sich Bundestrainer Löw am Montag dazu geäußert hat; man kann das beispielsweise in "Süddeutsche.de" nachlesen.
Der Vorspann zu diesem Artikel beginnt mit dem Satz: "Der deutsch-tunesische Nationalspieler Sami Khedira empfindet die Kritik an den nicht singenden Profis als 'teilweise beleidigend'". Der "deutsch-tunesische"? Dann wäre Barack Obama ein US-Kenyaner?
Die Begrifflichkeit ist entlarvend; und sie wird ja nicht nur in diesem Fall benutzt. Deutsche türkischer Herkunft werden bei uns meist als "Deutschtürken" bezeichnet. Würde man es in den USA analog handhaben, dann wäre Henry Kissinger ein "US-Deutscher".
Sami Khedira also wird als "Deutsch-Tunesier" etikettiert. Wenn jemand so bezeichnet wird; wenn ihn die deutsche Öffentlichkeit als einen Tunesier mit dem Vorsatz "Deutsch-" sieht, nur weil sein Vater aus diesem Land stammt - braucht man sich dann über den zitierten Satz wundern?
Wie sollte Sami Khedira Respekt vor einem Land haben, das sich selbst so weit verleugnet, daß es nicht einmal seine eigenen Staatsbürger Deutsche nennt? Warum sollte er sich mit diesem Land so weit identifizieren, daß er dessen Hymne mitsingt? Respekt hat Sami Khedira für Tunesien, für sein "zweites Heimatland". So hat er es gesagt.
Als ich den Satz damals das erste Mal las, habe ich ihn nicht verstanden. Was hat, so habe ich mich gefragt, Respekt vor Verwandten, was hat Respekt vor dem und für das Land Tunesien damit zu tun, ob Khedira sich mit Deutschland identifiziert? Respektieren kann man ja auch Fremde.
Inzwischen verstehe ich, glaube ich, was er sagen wollte: Anders als vor Tunesien kann er vor diesem Land Deutschland, das sich selbst derart verleugnet, keinen Respekt empfinden. Also mag er sich auch nicht mit der deutschen Nation, mit ihrer Tradition identifizieren, die durch die Nationalhymne symbolisiert wird.
Mir erscheint das nachvollziehbar.
Sami Khedira gegenüber der gedruckten "Süddeutschen Zeitung" vom 15. 6. 2012, zitiert von Eran Yardeni in der "Achse des Guten" vom 1. 7. 2012.
Kommentar: Das Singen oder Nichtsingen der Nationalhymne hat Ende Juni die Nation beschäftigt, nachdem bei der Fußball-Europameisterschaft eine arg verhalten agierende deutsche Mannschaft im Halbfinale am 28. Juni gegen furios aufspielende Italiener verloren hatte; diese hatten zuvor aus voller Kehle ihr Fratelli d'Italia geschmettert.
Ob nun das eine mit dem anderen zusammenhing, wird man nicht entscheiden können. Von der Hand zu weisen ist ein solcher Zusammenhang nicht; schließlich ist das inbrünstige Singen einer Truppe ein uraltes Mittel, sich für eine gemeinsam zu schlagende Schlacht zu motivieren. Man ist dadurch in dem Augenblick, in dem es ernst wird, schon in einem Zustand vermehrten Adrenalins im Blut; auch stärkt das gemeinsame Singen den Mannschaftsgeist.
Mich hat damals aber nicht dieser psychologisch-physiologische Aspekt interessiert, sondern die Frage, warum eigentlich einige Spieler die Nationalhymne nicht mitsingen.
Die das nicht tun, sind mit einer Ausnahme (Lukas Podolski) keine Einwanderer, sondern in Deutschland geborene Deutsche. Bei Mesut Özil beispielsweise war bereits der Vater Deutscher. Jérôme Boateng, Mario Gómez und Sami Khedira sind Deutsche und wuchsen bei ihren deutschen Müttern auf; in Berlin, in Riedlingen und in der Nähe von Stuttgart.
Diese jungen Männer sind so sehr Deutsche, wie Barack Obama Amerikaner ist, Sohn eines Kenyaners, in Hawaii geboren, aufgewachsen bei seinen amerikanischen Großeltern und seiner amerikanischen Mutter; allerdings zum Teil in Indonesien. Warum fällt es ihnen, ganz anders als Barack Obama, so schwer, sich mit ihrem Heimatland zu identifizieren?
Ich habe mich damals, Anfang Juli, auf einer allgemeinen Ebene mit dieser Frage befaßt und eine Verbindung zu dem hergestellt, was ich die deutsche Traditionsvergessenheit nannte (Das Singen der Nationalhymne, die Piratenpartei und Barack Obama. Eine These; ZR vom 2.7. 2012). In der Diskussion zu diesem Artikel in Zettels kleinem Zimmer wurde auf die Bemerkung Sami Khediras aufmerksam gemacht, die ich oben zitiere.
Jetzt ist dieses Thema wieder aktuell geworden, weil sich Bundestrainer Löw am Montag dazu geäußert hat; man kann das beispielsweise in "Süddeutsche.de" nachlesen.
Der Vorspann zu diesem Artikel beginnt mit dem Satz: "Der deutsch-tunesische Nationalspieler Sami Khedira empfindet die Kritik an den nicht singenden Profis als 'teilweise beleidigend'". Der "deutsch-tunesische"? Dann wäre Barack Obama ein US-Kenyaner?
Die Begrifflichkeit ist entlarvend; und sie wird ja nicht nur in diesem Fall benutzt. Deutsche türkischer Herkunft werden bei uns meist als "Deutschtürken" bezeichnet. Würde man es in den USA analog handhaben, dann wäre Henry Kissinger ein "US-Deutscher".
Sami Khedira also wird als "Deutsch-Tunesier" etikettiert. Wenn jemand so bezeichnet wird; wenn ihn die deutsche Öffentlichkeit als einen Tunesier mit dem Vorsatz "Deutsch-" sieht, nur weil sein Vater aus diesem Land stammt - braucht man sich dann über den zitierten Satz wundern?
Wie sollte Sami Khedira Respekt vor einem Land haben, das sich selbst so weit verleugnet, daß es nicht einmal seine eigenen Staatsbürger Deutsche nennt? Warum sollte er sich mit diesem Land so weit identifizieren, daß er dessen Hymne mitsingt? Respekt hat Sami Khedira für Tunesien, für sein "zweites Heimatland". So hat er es gesagt.
Als ich den Satz damals das erste Mal las, habe ich ihn nicht verstanden. Was hat, so habe ich mich gefragt, Respekt vor Verwandten, was hat Respekt vor dem und für das Land Tunesien damit zu tun, ob Khedira sich mit Deutschland identifiziert? Respektieren kann man ja auch Fremde.
Inzwischen verstehe ich, glaube ich, was er sagen wollte: Anders als vor Tunesien kann er vor diesem Land Deutschland, das sich selbst derart verleugnet, keinen Respekt empfinden. Also mag er sich auch nicht mit der deutschen Nation, mit ihrer Tradition identifizieren, die durch die Nationalhymne symbolisiert wird.
Mir erscheint das nachvollziehbar.
Zettel
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Mit Dank an Rayson.