9. August 2012

Marginalie: Jetzt hat auch Amerika seinen Fall Nadja Drygalla. Aber wie anders ist die Reaktion!

Als ich in der Washington Post den Hinweis auf einen Artikel las, dessen Überschrift mit "Modern-day McCarthyism ..." begann, moderner McCarthyismus, dachte ich einen Augenblick, daß der "Fall" Nadja Drygalla nun auch in den USA Aufsehen erregt hätte. Die Parallele zu McCarthys Hexenjagd liegt ja auf der Hand; ich habe darauf hingewiesen (Hexenjagd. Noch einmal der "Fall" Nadja Drygalla. Wo bleibt die liberale Öffentlichkeit?; ZR vom 4. 8. 2012).

Als ich das schrieb, hatte sich weder in der Politik noch in der Publizistik (sieht man von Blogs ab) irgendwer gerührt und diese Treibjagd gegen eine Sportlerin angeprangert, der man die politische Gesinnung ihres Freundes vorwarf.

Inzwischen gibt es einige Wenige, die den Mut dazu hatten; in der Politik vor allem Thomas de Maizière und in der Publizistik einer der wenigen verbliebenen Liberalen in den großen Medien, Harald Martenstein. Gestern endlich gab es auch aus der FDP eine Reaktion; allerdings nicht von der Justizministerin oder einem anderen Prominenten, sondern vom Obmann der FDP im Sportausschuß des Bundestags, Lutz Knopek.



Der Artikel in der Washington Post trägt das Datum des heutigen Donnerstag und heißt vollständig "Modern-day McCarthyism regarding Hillary Clinton aide Huma Abedin" - Moderner McCartyismus, betreffend die Clinton-Mitarbeiterin Huma Abedin. Der Autor Dana Milbank gehört zu den ständigen Kolumnisten der Washington Post und wird dort unter left-leaning rubriziert, nach links tendierend.

Wer ist Huma Abedin? Hier sehen Sie sie; die junge Dame hinter Hillary Clinton:


Das Foto entstand vor vier Jahren, am 8. August 2008, als Clinton noch gegen Obama um die demokratische Nominierung kämpfte. Frau Abedin wurde dadurch bekannt, daß sie Clinton auf ihren Wahlkampfreisen begleitete und ständig um sie war. Die Times of India nannte sie "Clintons mystery aide", Clintons geheimnisvolle Mitarbeiterin, und recherchierte das, was dann allgemein übernommen wurde, beispielsweise auch von der Wikipedia:

Huma Abedin, eine praktizierende Moslemin, wurde 1976 in den USA geboren, als Kind eines Inders und einer Pakistani, die beide nach ihrem Studienabschluß an ihren heimischen Universitäten für ein Aufbaustudium in die USA gegangen waren. Als Huma zwei Jahre war, zog die Familie nach Saudi-Arabien, wo sie aufwuchs. Sie hat heute sowohl die amerikanische als auch die saudi-arabische Staats­bürger­schaft.

In Saudi-Arabien gründete ihr inzwischen verstorbener Vater ein religiöses Institut; ihre Mutter ist an einer saudi-arabischen Universität ausschließlich für Frauen tätig, dem Dar Al-Hekma College. Huma Abedin sagt, sie sei in einer "sehr traditionellen" Familie aufgewachsen.

Zum Studium kehrte Abedin in die USA zurück. 1996 absolvierte sie ein Praktikum im Weißen Haus, und zwar im Mitarbeiterstab der damaligen First Lady Hillary Clinton. Dort machte sie Karriere und wurde bald fest angestellt - erst als Mitarbeiterin von Clintons Stabschefin Maggie Williams, dann als Stellvertreterin der Persönlichen Referentin Clintons, Allison Stein. Seit dem Senatswahlkampf 2000 ist sie eine der engsten Mitarbeiterinnen Clintons und ging mit ihr ins Außenministerium, wo sie jetzt stellvertretende Stabschefin ist.

Wie eng das Verhältnis zwischen Clinton und Abedin ist, geht aus einer Bemerkung Clintons hervor, welche die Washington Post zitierte: Sie habe nur eine Tochter. Aber wenn sie eine zweite hätte, dann wäre es Huma.

Nach dem Urteil der Washington Post gehört Abedin zu den Beratern zum Nahen Osten, denen Clinton am meisten vertraut. Bei Treffen, in denen es um diese Region gehe, suche Clinton stets den Rat von Huma Abedin.



Was hat das mit dem "Fall" Nadja Drygalla zu tun? Auch Huma Abedin wird die politische Haltung von Menschen vorgeworfen, die ihr nahestehen. Insbesondere ihr Bruder und ihre Mutter hätte Verbindungen zu islamistischen Kreisen; ebenso hätte ihr verstorbener Vater diese gehabt.

In der Tat ist Huma Abedins Mutter, die Professorin Dr. Saleha Mahmood Abedin, offenbar Mitbegründerin der Moslem-Schwesterschaft. Sie war langjährige Präsidentin des International Islamic Committee for Woman and the Child, das unter anderem fordert, daß die Frau a devoted, pious wife sein solle, eine hingebungsvolle, fromme Ehefrau. Als Richtschnur wird das Islamic Law, also die Scharia angegeben. Auch Frauen aus anderen Gemeinschaften sollten die Rolle der Frau im Islam "studieren und zum Vorbild nehmen".

Wegen dieser Verwandtschaft sind verschiedene rechte Politiker in den USA tätig geworden; unter anderem die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Michele Bachmann.

Der Anlaß für Milbanks Kommentar ist ein Vortrag, den ein Namensvetter Joe McCarthys, der frühere Staatsanwalt und Juraprofessor Andrew McCarthy, gestern in Washington vor dem Nationalen Presseclub gehalten hat. Darin unterstützte er Bachmann und wies auf die politisch-religiöse Haltung der Professorin Abedin hin. Zugleich beklagte er eine "Harmonisierung" der amerikanischen Außenpolitik mit den Zielen der Moslem-Bruderschaft.

Diese mag es in der Tat geben. Die amerikanische Unterstützung für den Moslembruder Mursi in Ägypten ist schon etwas eigenartig; auch in Syrien sollen die USA die Moslembrüder unterstützen. Aber was hat das damit zu tun, daß die Außenministerin eine Mitarbeiterin hat, die eine Mutter hat, die Islamistin ist?

Dana Milbank wendet sich entschieden gegen diese Art von Sippenhaft:
The core of McCarthy’s charge is guilt by association: Abedin's mother, brother and late father, all academics, were active in the Institute of Muslim Minority Affairs, which McCarthy alleges was created by Abdullah Omar Naseef, "a major Muslim Brotherhood figure involved in the financing of al-Qaeda."

Der Kern von McCarthys Anschuldigungen ist Schuld durch Assoziation: Abedins Mutter, ihr Bruder und ihr verstorbener Vater, alle an Universitäten beschäftigt, waren im Muslim Minority Affairs tätig, das nach McCarthys Behauptung von Abdullah Omar Naseef gegründet wurde, "einer zentralen Figur der Moslem-Bruderschaft, beteiligt an der Finanzierung der Kaida".
So ist das in den USA. Wenn jemand Opfer einer Hexenjagd wird, dann meldet sich die liberale Öffentlichkeit zu dessen Verteidigung zu Wort.

Amerika, du hast es besser.­
Zettel



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Abbildung von der Autorin Julie Vazquez unter Creative Commons Attribution 2.0 Generic-Lizenz freigegeben. Mit Dank an C.