29. August 2012

Der Josephsweg

. Spiegel online textet:
Der wachsenden europakritischen Stimmung im Volk will ein Bündnis von zehn großen deutschen Stiftungen (siehe Kasten links) nun mit einer breit angelegten Kampagne entgegentreten, wie sie das Land noch nicht gesehen hat.
Auch wenn ich geneigt bin, bei SpOn nicht alles für bare Münze nehmen, diesmal hat Christoph Sydow ins Schwarze getroffen oder besser noch ins Braune. Deutschland hat glücklicherweise bisher noch nicht gesehen, dass zehn große deutsche Stiftungen für ihre Kampagneseite Joseph Goebbels gewonnen haben, der das deutsche Volk auf das letzte Gefecht für Europa einstimmt.
Heute kämpfen wir in Deutschland für den Euro und für ein vereinigtes Europa. Wer diesen Kampf im übrigen Europa heute noch nicht versteht, wird uns morgen auf den Knien danken, daß wir ihn mutig und unbeirrt auf uns genommen haben.
Der zweite Satz dieser bemerkenswerten Selbstauskunft ist ein nicht gekennzeichnetes Zitat von Joseph Goebbels aus der Sportpalastrede inklusive des ß.

(Die Freunde der offenen Gesellschaft, auf deren Hinweis ich mich hier beziehe, haben noch weitere markige Zitate dieser Kampagne gesammelt, die selbst Kampagnenignoranten wie mich erblassen lassen.)

Es handelt sich bei "Ich will Europa" nicht um eine randständigen Blog, zu dem jeder, der gerade launig ist, einen Kommentar schmieren kann, sondern um einen von einer renommierten Agentur gestalteten Internetauftritt der führenden deutschen Stiftungen. Es kann sich also nicht um ein Versehen handeln, sondern dieser Kommentar wurde bewusst ausgewählt und mit einem Bild versehen, um die Authentizität zu erhöhen.

Aus den Teilnahmebedingungen:
Verantwortliche für den Bilder-und Statement-Upload im Rahmen der Website "Ich will Europa" sind die Stiftung Mercator GmbH und die Robert Bosch Stiftung GmbH (nachfolgend "Veranstalter" genannt.

1. Bei den Bildern handelt es sich um Portrait-Bilder. Jedes Bild mit Statement wird einer redaktionellen Prüfung unterzogen bevor es veröffentlicht wird. Der Teilnehmer wird per E-Mail über die Veröffentlichung seines Bildes mit Statement informiert.

2. Jedes hochgeladene Bild mit dazugehörigem Statement zu Europa steht ab dem Zeitpunkt des Hochladens durch den User im Rahmen der Website Ich-will-Europa.de sowie – falls dem zugestimmt wird – den relevanten Social Media-Kanälen der Kampagne unter Nennung des Namens des Teilnehmers zur Verfügung. Der Teilnehmer kann dabei frei entscheiden, ob er Vor- und Nachnamen, Vornamen und den ersten Buchstaben des Nachnamens oder lediglich den Vornamen angibt. Der Veranstalter behalten sich eine Auswahl unter den hochgeladenen Bildern und Texten vor.
Selbst wenn die direkte Veröffentlichung möglich sein sollte, hätten die Verantwortlichen binnen eines Tages bemerken müssen, dass es sich hier um eine, vorsichtig formuliert, ungewöhnliche Wortmeldung handelt, auch wenn sie es nicht direkt Goebbels zuschreiben konnten. Auch unabhängig davon, dass darüber bereits erste Diskussionen im Internet geführt werden.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die (meisten) anderen mehr oder minder gutmeinenden Kampagneaktivisten dabei wohlfühlen, in Gesellschaft der Sportpalastrede zu stehen.

Zu der Kampagne selbst haben RA und stefanolix bereits ihr Befremden geäußert.

Ich bin bisher mir noch nicht schlüssig, was sie bezwecken soll, vermute aber, wenn auch nicht ausdrücklich erwähnt, dass es sich dabei um Stimmungsmache und Mobilisierung für den Verfassungskonvent und die anstehenden Europawahlen handelt.

Dann ist zu dem gelungenen Fehlstart nur zu gratulieren.
Lyllith



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