Die drei Wissenschaftler [Jürgen Habermas, Julian Nida-Rümelin und Peter Bofinger; Zettel] fordern im Kern eine Souveränitätsübertragung auf Europäische Institutionen, um Fiskaldisziplin wirksam durchzusetzen und zudem ein stabiles Finanzsystem zu garantieren. Zuvor schlagen Sie die Einberufung eines Verfassungskonvents in Deutschland vor und plädieren für Referenden in den europäischen Staaten der Eurozone.
Kommentar: Der Text steht gegenwärtig im Internet noch nicht zur Verfügung. Aber bereits diese Ankündigung läßt ahnen, daß die drei Autoren die Quadratur des Kreises verlangen:
Sie wollen, daß die nationalen Parlamente ihr wichtigstes Recht - das Budgetrecht - weitgehend an Brüssel abgeben und damit die Staaten Europas - jedenfalls der Eurozone - ihre Souveränität in einem zentralen Punkt verlieren. Und sie wollen zugleich, daß dies in Referenden beschlossen werden wird.
Woher nehmen die drei Autoren den nachgerade waghalsigen Optimismus, daß die Völker Europas einer so weitgehenden Aufgabe ihrer nationalen Souveränität zustimmen werden? Daß die Deutschen sich damit einverstanden erklären werden, daß über die Erhebung und Verwendung ihrer Steuern nicht der Bundestag, sondern Institutionen in Brüssel entscheiden? Daß die Franzosen, denen ihre nationale Souveränität heilig ist, diese in einem Referendum weitgehend abgeben würden?
Ebenfalls in der FAZ haben vor zweieinhalb Jahren ebenfalls drei Autoren einen bemerkenswerten Text zu Europa verfaßt: Roman Herzog, Altbundespräsident und Verfassungsjurist; Frits Bolkestein, ehemaliger EU-Kommissar und früherer Präsident der Liberalen Internationale; und Lüder Gerken, Ökonom und Direktor des Centrums für Europäische Politik. Unter dem Titel "Die EU schadet der Europa-Idee" schrieben die drei Autoren:
Ich habe mich mit dem Thema des (eigentlich in den Verträgen von Maastricht und Lissabon festgelegten, aber systematisch ausgehöhlten) Prinzips der Subsidiarität immer wieder befaßt; beispielsweise in diesen Artikeln:
Falls Sie ihn lesen sollten, dann werden Sie sehen, daß ich - trotz des negativen Tenors der meisten Artikel in dieser Liste - ein Proeuropäer war und bin. Nur war ich früher einmal ein optimistischer und bin ich heute ein pessimistischer Proeuropäer.
Sie werden, wenn Sie diesen Artikel vom Januar 2007 lesen, auch feststellen, daß schon damals kluge Autoren (hier Roman Herzog und Lüder Gerken) den Kern des Problems erkannt und herausgearbeitet haben: Die Europäer müssen sich entscheiden, was sie eigentlich wollen.
Wenn sie, wie die Intergouvernementalisten, das Subsidiaritätsprinzip ernst nehmen, dann können sie nicht für eine Verlagerung von immer mehr Kompetenzen nach Brüssel sein. Wenn sie, wie die Föderalisten, Vereinigte Staaten von Europa wollen, dann müssen sie für ein System der Machtkontrolle, der checks and balances, in Brüssel eintreten; mit vor allem einer Begrenzung der Macht der Exekutive durch zwei Kammern, nach amerikanischem Vorbild.
Die Gefahr ist, daß die Staaten der EU schleichend an staatlicher Souveränität einbüßen, ohne daß die Macht, die damit nach Brüssel wandert, so kontrolliert und so gezügelt wird, wie das für demokratische Verhältnisse unabdingbar ist.
Das entgeht den Bürgern Europas nicht; und deshalb ist die Idee von Habermas und seinen Mitautoren, mit Zustimmung dieser Bürger zu einer weiteren Machtverlagerung nach Brüssel zu gelangen, realitätsfern. Ein Château en Espagne, wie man im Französischen sagt, ein Schloß in Spanien; nicht unpassend zur Immobilienkrise in diesem Land.
Aus der Ankündigung eines gemeinsamen Texts der drei Autoren, der als "programmatische Aufforderung an die deutschen Sozialdemokratie" konzipiert ist.
Kommentar: Der Text steht gegenwärtig im Internet noch nicht zur Verfügung. Aber bereits diese Ankündigung läßt ahnen, daß die drei Autoren die Quadratur des Kreises verlangen:
Sie wollen, daß die nationalen Parlamente ihr wichtigstes Recht - das Budgetrecht - weitgehend an Brüssel abgeben und damit die Staaten Europas - jedenfalls der Eurozone - ihre Souveränität in einem zentralen Punkt verlieren. Und sie wollen zugleich, daß dies in Referenden beschlossen werden wird.
Woher nehmen die drei Autoren den nachgerade waghalsigen Optimismus, daß die Völker Europas einer so weitgehenden Aufgabe ihrer nationalen Souveränität zustimmen werden? Daß die Deutschen sich damit einverstanden erklären werden, daß über die Erhebung und Verwendung ihrer Steuern nicht der Bundestag, sondern Institutionen in Brüssel entscheiden? Daß die Franzosen, denen ihre nationale Souveränität heilig ist, diese in einem Referendum weitgehend abgeben würden?
Ebenfalls in der FAZ haben vor zweieinhalb Jahren ebenfalls drei Autoren einen bemerkenswerten Text zu Europa verfaßt: Roman Herzog, Altbundespräsident und Verfassungsjurist; Frits Bolkestein, ehemaliger EU-Kommissar und früherer Präsident der Liberalen Internationale; und Lüder Gerken, Ökonom und Direktor des Centrums für Europäische Politik. Unter dem Titel "Die EU schadet der Europa-Idee" schrieben die drei Autoren:
Die größte Herausforderung für die EU (...) ist existentiell: Die EU muss die Akzeptanz, die sie bei vielen Bürgern, aber auch in großen Teilen der Wirtschaft verloren hat, wiedergewinnen. Ohne diese Akzeptanz droht die Zustimmung der Menschen auch zu dem grundsätzlichen Ideal der europäischen Integration bleibenden Schaden zu nehmen - mit unabsehbaren Konsequenzen für die EU, einschließlich der Möglichkeit ihres Scheiterns insgesamt.Wenn denn europaweite Referenden mit dem Ziel, Europa eine neue Form zu geben, erfolgreich sein sollen, dann muß es um eine Wiederherstellung des Prinzips der Subsidiarität gehen; des Prinzips, daß ausschließlich Dasjenige in Brüssel entschieden werden darf, was die Staaten nicht auch in eigener nationaler Verantwortung regeln können.
Der Akzeptanzverlust rührt vor allem von einem fast schon allgegenwärtigen Eindruck: Brüssel erlässt über die Köpfe der Menschen, über gewachsene Traditionen und Kulturen hinweg unentwegt Vorschriften und reguliert Dinge, die - wenn überhaupt - mindestens ebenso gut lokal oder regional geregelt werden können.
Ich habe mich mit dem Thema des (eigentlich in den Verträgen von Maastricht und Lissabon festgelegten, aber systematisch ausgehöhlten) Prinzips der Subsidiarität immer wieder befaßt; beispielsweise in diesen Artikeln:
Das im Irrgarten der Einigung herumtaumelnde Europa; ZR vom 15. 1. 2007Der erste dieser Artikel liegt fünfeinhalb Jahre zurück; geschrieben also vor der Weltfinanzkrise und lange vor der Eurokrise.
Anti-Subsidiarität: Eine Bedrohung unserer Freiheit; ZR vom 23. 3. 2007
Marginalie: Kompetenz-Kompetenz. Was an Gefahren im Vertrag von Lissabon lauert; ZR vom 2. 7. 2008
Der Europäische Gerichtshof hat "Grundsätze der abendländischen richterlichen Rechtsauslegung bewußt und systematisch ignoriert"; ZR vom 9. 9. 2008
Über Seilbahnen in Europa, die Bürokraten in Brüssel und das Wesen der Juristerei; ZR vom 13. 9. 2008
Zitat des Tages: "Eine Vereinheitlichung ist deshalb erforderlich, weil es Unterschiede gibt". Ein Einblick in das Denken der EU-Bürokraten; ZR vom 8. 3. 2010
Zitat des Tages: Parlamentarische Demokratie? - Folklore aus vergangenen Zeiten. Die FAZ über die Krise der EU und die "Dikatur des Kommissariats"; ZR vom 27. 9. 2010
Zettels Meckerecke: E10, der Öko-Wahn und die sich steigernden Angriffe auf unsere Freiheit. Schritte in den EU-Sozialismus; ZR vom 4. 3. 2011
Zettels Meckerecke: Was geht es die EU an, wer in Estland oder Sizilien zum Sehtest muß? Alptraum Europa; ZR vom 28. 9. 2011
Europas Krise (1): Zerfällt Europa?; ZR vom 3. 11. 2011
Europas Krise (8): "Es gibt keine Europäer" (Gareth Harding in "Foreign Affairs"). Warum die Vereinigten Staaten von Europa nicht gelingen können; ZR vom 7. 1. 2012
Marginalie: Warum wird die EU beim Bürger immer unbeliebter? Ein aktuelles Beispiel; ZR vom 13. 7. 2012
Zitat des Tages: "Hier waltet ein Unsegen". Peter Gauweiler erklärt seine Euroskepsis; ZR vom 2. 8. 2012
Falls Sie ihn lesen sollten, dann werden Sie sehen, daß ich - trotz des negativen Tenors der meisten Artikel in dieser Liste - ein Proeuropäer war und bin. Nur war ich früher einmal ein optimistischer und bin ich heute ein pessimistischer Proeuropäer.
Sie werden, wenn Sie diesen Artikel vom Januar 2007 lesen, auch feststellen, daß schon damals kluge Autoren (hier Roman Herzog und Lüder Gerken) den Kern des Problems erkannt und herausgearbeitet haben: Die Europäer müssen sich entscheiden, was sie eigentlich wollen.
Wenn sie, wie die Intergouvernementalisten, das Subsidiaritätsprinzip ernst nehmen, dann können sie nicht für eine Verlagerung von immer mehr Kompetenzen nach Brüssel sein. Wenn sie, wie die Föderalisten, Vereinigte Staaten von Europa wollen, dann müssen sie für ein System der Machtkontrolle, der checks and balances, in Brüssel eintreten; mit vor allem einer Begrenzung der Macht der Exekutive durch zwei Kammern, nach amerikanischem Vorbild.
Die Gefahr ist, daß die Staaten der EU schleichend an staatlicher Souveränität einbüßen, ohne daß die Macht, die damit nach Brüssel wandert, so kontrolliert und so gezügelt wird, wie das für demokratische Verhältnisse unabdingbar ist.
Das entgeht den Bürgern Europas nicht; und deshalb ist die Idee von Habermas und seinen Mitautoren, mit Zustimmung dieser Bürger zu einer weiteren Machtverlagerung nach Brüssel zu gelangen, realitätsfern. Ein Château en Espagne, wie man im Französischen sagt, ein Schloß in Spanien; nicht unpassend zur Immobilienkrise in diesem Land.
Zettel
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Mit Dank an Noricus.