11. August 2012

Zettels Meckerecke: Eingeschweißt

Früher einmal gehörte es zu den Standardthemen auf den lustigen Seiten der Zeitungen, daß ein Autor sein Leid mit dem Öffnen von Dosen klagte.

An die meisten mußte man mit dem Dosenöffner ran; und das war ein kleines Teil mit einem winzigen spitzen Messer, das man in die Dose stoßen und dann mit Auf- und Abbewegungen, es zugleich nach vorn drückend, am Deckelrand entlangführen mußte. Erst später gab es Öffner mit einer großen Flügelschraube, die diese Trennarbeit etwas leichter machten.

Das war harte Arbeit und ging oft schief. In den einschlägigen Glossen erfuhr man, wie dem Autor der Tomatensaft der Fischkonserve entgegenspritzte, wie er sich am Deckel ein Stück Hand aufschlitzte und dergleichen.

Ein anderes Prinzip war der sogenannte "Schlüssel", der in eine Lasche an der Dose eingesetzt werden mußte. Durch Drehen schälte man einen Streifen von der Dose ab, bis man den oberen Teil vom unteren abheben konnte.

Wir hatten lange Zeit noch einen solchen Schlüssel in der Küche. Bei manchen Dosen, etwa Dänischem Frühstücks­fleisch, war er allerdings freundlicherweise schon beigepackt. Das ersparte es, nach getaner Dosenöffnung den Metallstreifen wieder mühsam vom Schlüssel zu trennen, indem man ihn abwickelte und aus dem Schlitz herauszog.



Das ist heute alles Vergangenheit. Dosen, auch sonstige Verpackungen, sind ungleich kundenfreundlicher geworden. Man faßt eine Lasche an, zieht hoch, und offen ist die Dose.

Die Dose. Aber was auf diesem Gebiet gewonnen wurde, wird durch das kompensiert, was auf einem anderen Gebiet immer schlimmer wird: Der Kleinelektronik und ähnlichen Artikeln.

Heute kam bei mir von Amazon ein Teil an, das ich für den Datentransfer von einem Rechner zum anderen bestellt hatte; ein Spezial-USB-Kabel samt Software. Eingeschweißt in ziemlich hartes Plastik.

Anders als beim Schinken oder Käse in ihren Plastik­verpackungen steht da nirgends "Hier öffnen". Denn es gibt kein "Hier öffnen". Man muß eine robuste Schere nehmen und beherzt zu schneiden anfangen. Irgendwann hat man - wenn man Glück hat, ohne größere Verletzungen - einen Weg geschnitten, der ausreicht, um das eine oder andere hochzubiegen, herauszuziehen, aus dem dicken Plastik herauszulösen.

Schließlich hat man das begehrte Gut irgendwie herausgeholt; mit der Mühe ungefähr eines Affen, der so lange an der Kokosnuss herumhämmert, bis er an die Milch kann.

Was soll das? Es soll natürlich einen Diebstahl verhindern. Denn diese Verpackungen haben in der Regel oben eine Öse, die deutlich macht, wofür sie gedacht sind: Um im Fachgeschäft, im Kaufhaus, im Supermarkt an einen dieser Bügel gehängt zu werden, von denen sie sich der Käufer herunternimmt. Und der soll nichts herausnehmen können. Also muß die Einschweißung robust sein.

Mir kommt das unverschämt vor. Ich, der gesetzestreue Konsument, soll dafür bestraft werden, daß es Ganoven gibt. Soll man doch sehen, wie man seine Waren gegen Diebstahl und Beschädigung schützt. Aber bitte nicht dadurch, daß man ihre Verpackung zu einer Festung macht, die zu knacken selbst Hägar dem Schrecklichen Mühe gemacht hätte.­
Zettel



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