15. Oktober 2010

Deutschland im Öko-Würgegriff (23): Subventionen im Inland, Verlagerung von Emissionen ins Ausland. Der Wahnwitz der Öko-Transfers

Mit dem Begriff "Transferleistungen" verbinden wir meist das, was der arbeitende Teil der Bevölkerung von seinem Einkommen an andere zahlen muß - an Rentner beispielsweise, an die Empfänger von Sozialhilfe.

Das ist aber nur ein Teil dessen, was der Staat an Geld den einen nimmt, um es anderen zufließen zu lassen. Zunehmend findet Transfer nicht mehr unter dem Etikett der sozialen Gerechtigkeit statt, sondern als Teil der Klimapolitik.

Gigantische Transfersummen wandern von den Bürgern - und zwar hier nicht nur von denen mit selbst erwirtschaftetem Einkommen, sondern von allen - in die Taschen des ökologisch-industriellen Komplexes.

Solarenergie ist mit rund 50 Cent pro kWh ungefähr zehnmal so teuer wie beispielsweise der Strom aus neuen, noch nicht abgeschriebenen Gaskraftanlagen; von bestehenden, schon abgeschriebenen KKWs ganz zu schweigen.

Solarstrom wird auch in Zukunft nur einen verschwindend kleinen Teil des Verbrauchs decken (Größenordnung 1,5 Prozent), aber von uns Verbrauchern bis 2020 - so eine Schätzung von 2006 - mit 28 Milliarden Euro subventioniert werden. Aktuell werden die Kosten für die Solarenergie und den Ausbau der Windkraft bis zum Jahr 2020 bereits auf 100 Milliarden Euro geschätzt.

Wenn Sie mehr Horror-Zahlen lesen wollen (zum Beispiel darüber, wie viele Euro schon jetzt jeder deutsche Haushalt für den Klimawahn berappt), dann möchte ich Sie auf einen Artikel vom Ende letzten Jahres aufmerksam machen: Über ökologische Romantik und die wahren Kosten des "Klimaschutzes"; ZR vom 10. 12. 2009.

Auch die Titelgeschichte des "Spiegel" vom 20. 9. 2010 ist zu empfehlen, falls Sie richtig große Zahlen mögen.

Sie können dort beispielsweise lesen, daß Bundesbauminister Ramsauer allein die Baukosten für die "Energiewende" (also die Investitionen z.B. in die Wärmedämmung von Häusern) auf 75 Milliarden Euro schätzt - nicht etwa bis 2020, sondern pro Jahr!

Sollte das Ziel einer kompletten Umstellung auf "erneuerbare Energien" erreicht werden, dann würde nach einer Untersuchung der RWE der Strompreis in den kommenden 25 Jahren auf 23,5 Cent pro Kilowattstunde steigen (derzeit 6,5 Cent). Die Kosten für eine "alternative" Stromerzeugung werden für diesen Fall 3000 Milliarden (!) Euro betragen; die nötigen Ausgaben für Netze und Speicher noch nicht eingerechnet.

So weit sind wir noch nicht; auch basieren diese Berechnung auf der Voraussetzung, daß es beim "Ausstieg aus der Atomenergie" bleibt. Aber wir beginnen jetzt zu spüren, was auf uns zukommen wird.

Wir müssen die bereits jetzt immensen Subventionen für den Solarstrom aufbringen, ob wir wollen oder nicht; das Erneuerbare-Energie-Gesetz aus dem Jahr 2008 befiehlt es so. Auch andere "erneuerbare" Energien wie Windenergie und Energie aus Biomasse müssen wir subventionieren. Also steigen die Strompreise. Heute meldet das ZDF:
Solarboom lässt Strompreise 2011 deutlich steigen - Ökostrom-Umlage: Kunden droht heftige Preiserhöhung

Verbraucher müssen sich auf erheblich höhere Strompreise einstellen. Nach ZDF-Informationen wird die Umlage für erneuerbare Energien 2011 auf rund 3,5 Cent pro Kilowatt-Stunde steigen - das sind jährlich 60 Euro mehr für einen Dreipersonen-Haushalt.

Seit Wochen hat die Energiebranche mit großer Spannung auf die Zahl X gewartet. Und was am Donnerstag durchsickert, ist ein Rekord: Von 2,047 Cent steigt die Ökostrom-Umlage 2011 auf 3,5 Cent. Der Grund: Es gibt immer mehr Strom aus Sonne, Wind und Biomasse.
Wohin fließt das Geld, das wir als Zwangsabgabe zahlen müssen? Natürlich in die Taschen der Hersteller von Solaranlagen; sodann in diejenigen der wohlhabenden Bürger, die solche Anlagen auf den Dächern ihrer Häuser installiert haben; und ebenso auf die Konten der Hersteller und Betreiber von Windkraftanlagen sowie aller, die irgendwie in diese boomende Öko-Branche investiert haben.

Es ist eine massive Umverteilung von unten nach oben. Der ZDF-Bericht (der ansonsten, wie anders, das Loblied des Solarstroms singt) vermerkt, daß damit
... der betuchte Anwalt in Stuttgart mit einer Solaranlage auf dem Dach von üppigen Renditen profitiert, die der einkommensschwache Mieter in Berlin-Marzahn über seinen Strompreis mitbezahlt.
Eigentlich müßte das die Empörtheit der Linksparteien, der Gewerkschaften, der Verbraucherschützer auslösen, die sonst reflexhaft auftritt, wenn "die Reichen" und "die Konzerne" von etwas profitieren. (Daß zu dieser Reaktion selten ein vernünftiger Anlaß besteht, ist eine andere Frage).

Aber bei Öko ist alles anders. Es ist doch für die gute Sache, für "Klimaschutz", für "die Zukunft unserer Kinder".



Aber dient dieses Umverteilungsprogramm wirklich "der Zukunft unsere Kinder"? Hilft es in der Tat dem "Klimaschutz"?

Ich klammere jetzt einmal aus, ob das Klima überhaupt eines "Schutzes" bedarf (siehe dazu Fünf Gründe für die Klima-Hysterie, Teil 1; ZR vom 6. 4. 2010 sowie Teil 2; ZR vom 10. 4. 2010). Nehmen wir einmal an, es sei von höchster Wichtigkeit, den Ausstoß von CO2 in die Atmosphäre zu begrenzen - wird das wirklich dadurch erreicht, daß in Deutschland mehr Solarstrom und Windenergie produziert wird?

Das ist keineswegs sicher, und zwar aus zwei Gründen.

Zum einen gibt es den Emissionshandel: Sinkt in Deutschland der Ausstoß von CO2, dann werden die entsprechenden Emissionsrechte verkauft; sagen wir nach Polen. Der Gesamtausstoß von CO2 innerhalb der EU bleibt exakt konstant. Allenfalls langfristig könnte sich ein Effekt ergeben, wenn das nächste Mal über die Zertifikate verhandelt wird (siehe "Spiegel-Online" deckt einen Umweltskandal auf. Und den dazugehörigen Meta- Skandal; ZR vom 10. 2. 2009).

Zum zweiten ist Europa ja nicht allein auf der Welt. Was das für die CO2-Bilanz bedeutet, hat vorgestern Juliette Jowit in der Online-Ausgabe des britischen Guardian erläutert:

Sieht man sich allein die Emissionen an, die in Europa selbst entstehen, dann gibt es in der Tat einen Rückgang. Die CO2-Emissionen aller gegenwärtig 27 Mitglieder der EU sind seit 1990 um mehr als 17 Prozent verringert worden. Das Versprechen, bis 2020 einen Rückgang um 20 Prozent gegenüber 1990 zu erreichen, dürfte eingehalten werden.

Aber: Es handelt sich um das Versprechen einer Verringerung der Emissionen, die hier in Europa entstehen. Diese sind aber nicht identisch mit den Emissionen, die durch unseren Konsum, durch unsere Inanspruchnahme von Dienstleistungen in Europa verursacht werden.

Also sollte - argumentiert die Guardian-Autorin Juliette Jowit - eine andere Rechnung aufgemacht werden; und sie verweist dazu auf eine wissenschaftliche Untersuchung aus den USA:
However a report due to be published soon by the Policy Exchange thinktank has measured the emissions generated by goods and services consumed by those countries and found that it has increased by more than 40%. As a result, "demonstrating success in reducing carbon levels is questionable," said Simon Less, the thinktank's head of environment and energy.

Ein demnächst erscheinender Bericht des Forschungsinstituts Policy Exchange mißt jedoch die Emissionen, die durch diejenigen Güter und Dienstleistungen erzeugt werden, die in diesen Ländern [der EU; Zettel] konsumiert werden. Der Befund: Diese stiegen um mehr als 40%. Also "ist es ein zweifelhafter Erfolg, wenn Verringerungen des CO2-Ausstoßes nachgewiesen werden", erläuterte Simon Lees, der Leiter der Abteilung für Umwelt und Energie an dem Forschungsinstitut.
Wie kann es sein, daß wir unsere Emissionen senken und dennoch das, was wir verbrauchen und in Anspruch nehmen, für mehr Emissionen verantwortlich ist?

Die Antwort liegt auf der Hand: Wir exportieren unsere Emissionen, und zwar, wie Jowit schreibt, "to a huge extent", in riesigem Umfang; vor allem nach China. Nach einer Untersuchung, die 2009 in der Fachzeitschrift Geophysical Research Letters erschien, resultiert rund ein Drittel der CO2-Emissionen Chinas aus der Produktion von Exportgütern.

Bezieht man diese Emissionen - die ja genauso durch uns, die Käufer dieser Güter, verursacht werden wie bei hier produzierten Waren - in die Rechnung mit ein, erstellt man also einen sogenannten "Fußabdruck", dann ergibt sich beispielsweise für Großbritannien keine Verringerung, sondern ein Anstieg der CO2-Emissionen. So besagen es offizielle Angaben des britischen Ministeriums für Energie und Klimawandel gegenüber dem "Guardian" im Jahr 2009.



China weigert sich bekanntlich - man ist ja "Entwicklungsland" -, sich denselben Klimazielen zu unterwerfen wie die Industriestaaten des Westens. Nach der Untersuchung einer Forschungsgruppe an der University of California wird China im Zeitraum zwischen 2000 und 2010 seinen CO2-Ausstoß um mindestens 600 Millionen Tonnen gesteigert haben. Das ist ein Minimalwert; der wahrscheinlichste Wert, der berechnet wurde, liegt doppelt so hoch.

Im gleichen Zeitraum werden alle Unterzeichnerstaaten des Protokolls von Kyoto zusammen nach einer Schätzung der US Energy Information Agency ihren Ausstoß um 115,90 Millionen Tonnen verringert haben.

Da haben wir den ganzen Wahnwitz: Wir verteuern die Energie in Europa und damit die Produktionskosten für unsere Waren. Entsprechend weniger europäische und entsprechend mehr chinesische Waren kaufen wir. Bei deren Produktion wird zwar auch kräftig emittiert; aber in unsere heimische CO2-Bilanz geht das nicht ein.

Es ist ein wenig so, als würde jemand aus Gründen seiner Gesundheit bei sich zu Hause die Fritteuse abschaffen und sich stattdessen die Pommes am Imbiß um die Ecke holen.



Viele Deutsche dürften die bevorstehende Verteuerung des Strompreises ohne Protest, wenn auch grummelnd akzeptieren; dient sie doch der großen und guten Sache der Rettung unseres Klimas.

Ob diese Konsumenten es auch dann noch so demütig hinnehmen würden, wie der ökologisch-industrielle Komplex sie mit kräftiger Schützenhilfe des Staats abzockt, wenn ihnen die tatsächlichen Zahlen und Sachverhalte bekannt wären?



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Links zu allen bisherigen Folgen dieser Serie findet man hier. Titelvignette: Schiffe sinken im Sturm. Gemälde von Ludolf Backhuysen (ca 1630). In der Public Domain, da das Copyright erloschen ist (Ausschnitt). Mit Dank an Thomas Pauli für den Hinweis auf den Artikel im Guardian und an Reiner aus dem Saarland sowie Dirk für den Hinweis auf die aktuellen Schätzungen zu den Kosten der Solarenergie. Ich habe den Artikel am 16. 10. um 12.40 Uhr um diese Daten ergänzt und dabei auch die zugehörigen Zahlen aus dem "Spiegel" nachgetragen.