26. Oktober 2010

Zitat des Tages: Jörg Lau über den Irak. Nebst Hinweis auf eine vermutlich spannende Veranstaltung morgen in Berlin

Nach sieben Monaten sieht es so aus, als werde Maliki wieder die Regierung anführen. Er hat zwar keine Mehrheit, aber der Iran hat sich, um den frommen Schiiten wieder ran zu bringen, seinen Schützling Muktada al Sadr vorgenommen und ihm beigebogen, was man in Bagdad für eine Regierung sehen will – und vor allem, welche nicht: die des säkularen Alawi. Teheran hat nun also auch bei der Regierungsbildung beim Erzfeind Irak mitzureden!

Jörg Lau gestern Abend um 21.32 Uhr in seinem Blog bei "Zeit-Online" über die Lage im Irak.


Kommentar: Lau nennt dies "eine von zwei Nachrichten heute". Würde er - was ich ihm ganz selbstlos wünschte - ZR lesen, dann wäre das für ihn keine Nachricht von heute bzw. gestern, sondern er hätte es schon vor genau einer Woche gewußt ("Wir geraten unter iranische Besatzung". Präsident Obama erhält die Quittung für seine Irakpolitik; ZR vom 19. 10. 2010).

Dort hätte er auch lesen können, wie der jetzt wachsende Einfluß des Iran im Irak die unmittelbare Folge der Politik von Präsident Obama ist, ohne Rücksicht auf die aktuelle Lage an einem starren Plan zum Abzug der US-Truppen festzuhalten.

Er signalisiert damit, daß die USA kein Machtfaktor mehr im Irak zu sein wünschen und treibt Maliki in die Arme der Iraner. In dem Artikel zitiere ich einen führenden irakischen Politiker, den stellvertretenden Vorsitzenden der seit den letzten Wahlen größten Partei "Irakische Liste", Osama al-Najaifi. Er sagt zur Politik der USA:
Sie ziehen sich jetzt aus dem Irak zurück, und es sieht danach aus, daß ihr Verhalten in diesem Frühsommer nachgerade darauf angelegt war, den Iran zu beschwichtigen. Das wird eine Katastrophe in der Region mit sich bringen, nicht nur für den Irak, sondern auch für ihre Interessen.
Ein Rückzug nach einem starren Zeitplan war etwas, das Präsident Bush immer abgelehnt hat. Wenn Jörg Lau dennoch Bush und nicht Obama für die aktuelle Entwicklung verantwortlich macht (Überschrift des Artikels: "George W. Bush, Khameneis Helfershelfer"), dann ist das schon ein wenig, nun ja, seltsam argumentiert.

Seltsam ist übrigens auch Laus Aussage:
... kein amerikanischer Präsident vor ihm hat dem iranischen Regime so sehr in die Hände gearbeitet wie George W. Bush. Er war es, der in beiden Nachbarländern die größten Feinde der Islamischen Republik beseitigte – erst die Taliban, dann den Urgegner Saddam.
Die Taliban als "die größten Feinde der islamischen Republik"?

Daran stimmt nur, daß anfangs das Verhältnis zwischen den sunnitischen Taliban und den in Teheran herrschenden Schiiten unfreundlich gewesen war; man kann das zum Beispiel in der New York Times vom 31. Dezember von 1996 nachlesen.

Das mag ein Grund dafür gewesen sein, daß die USA zunächst die Herrschaft der Taliban nicht ungern sahen. Aber einer der beiden "größten Feinde" der Islamischen Republik waren die Taliban nie; schon gar nicht mehr, als im Oktober 2001 die Operation Enduring Freedom begann.

Inzwischen sind der Iran und die Taliban so enge Freunde, daß der Iran die Taliban mitfinanziert und gar an deren Kämpfer Kopfprämien für getötete Amerikaner zahlt und Taliban-Kämpfer vom iranischen Militär ausgebildet werden.

Auch das hätte Jörg Lau, würde er denn ZR lesen, erfahren können; schon im Frühjahr dieses Jahres ("Wir haben das gemeinsame Ziel, Amerikaner zu töten". Der Iran bildet Taliban-Terroristen aus, berichtet die "Sunday Times"; ZR vom 23. 3. 2010).



Morgen ist der Autor Jörg Lau in Berlin; zu einer Veranstaltung, auf die ich hinweisen möchte, weil sie spannend zu werden verspricht. Er diskutiert dort mit Daniel Pipes vom Middle East Forum über das Thema "Islam, Islamismus und der Westen".

Die Diskussion ist auf zweieinhalb Stunden angesetzt und findet in englischer Sprache statt. Alles Nähere finden Sie in der Ankündigung des Mideast Freedom Forum Berlin, das die Veranstaltung zusammen mit Scholars for Peace in the Middle East organisiert.



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