5. Oktober 2010

Zitat des Tages: Wem nützen Terrorwarnungen?

In truth, the only people who can profit from such a warning are the officials who issue it. If something does happen, they are covered: They warned us, they told us in advance, they won't be criticized or forced to resign. And if nothing happens, then we'll all forget about it anyway.

(In Wahrheit sind die einzigen, die von einer solchen Warnung profitieren, die Verantwortlichen, die sie herausgeben. Wenn wirklich etwas passiert, dann sind sie abgesichert: Sie haben uns gewarnt, sie haben es uns zuvor gesagt, sie werden nicht kritisiert oder zum Rücktritt gezwungen werden. Und wenn nichts passiert, dann werden wir es ohnehin alles vergessen).

Anne Applebaum in ihrer Kolumne in der heutigen Washington Post über die Terrorwarnung, die vom US-Außenministerium am Sonntag für Europa herausgegeben wurde.


Kommentar: In dieser Warnung, die sich an US-Bürger in Europa richtet, heißt es:
The State Department alerts U.S. citizens to the potential for terrorist attacks in Europe (...) U.S. citizens are reminded of the potential for terrorists to attack public transportation systems and other tourist infrastructure. (...) U.S. citizens should take every precaution to be aware of their surroundings and to adopt appropriate safety measures to protect themselves when traveling.

Das Außenministerium warnt Bürger der USA vor möglichen Angriffen durch Terroristen in Europa. (...) Es macht die US-Bürger auf die Gefahr aufmerksam, daß Terroristen öffentliche Verkehrssysteme und sonstige touristische Infrastruktur angreifen. (...) Die Bürger der USA sollten alle Vorsicht walten lassen, ihre Umgebung zu beobachten und die für ihren Schutz während der Reise erforderlichen Maßnahmen für ihre Sicherheit zu ergreifen.
Gut gesagt, kann man da nur anmerken. Denn was folgt aus einer solchen "Warnung"? Nichts, schreibt Anne Applebaum.

Denn erstens kann man ja gar nichts tun. Solange die Gefahr nicht konkretisiert wird (etwa: "Vermeiden Sie einen Besuch des Eiffelturms"), ist die Warnung nutzlos. Reisende reisen nun einmal; Touristen sehen sich Sehenswürdigkeiten an; Geschäftsleute müssen ihren Geschäften nachgehen.

Mich erinnert eine solche nutzlose Warnung ein wenig an das inzwischen abgeschaffte Verkehrsschild "Vorsicht Flugbetrieb", das den Autofahrer vor herumfliegenden Flugzeugen warnte. Und was sollte er tun? Den Kopf einziehen? Sich auf einen Absturz auf die Autobahn vor ihm einstellen? (Siehe Das Zitat des Tages ist heute ein Bildzitat; ZR vom 19. 7. 2008).

Zweitens zeigt die vage Sprache dieser Warnung, daß die Behörden nichts Konkretes wissen, schreibt Applebaum. Hätten sie konkrete Informationen, dann würden sie konkrete Gegenmaßnahmen ergreifen, statt diffus zu warnen.

Was soll das Ganze also? fragt Anne Applebaum. Einmal, wie zitiert, die Verantwortlichen präventiv von ihrer Verantwortung entlasten.

Aber es kursieren laut Applebaum auch Gerüchte, daß diplomatische Taktik dahinter stecken könnte. Zwischen der EU und den USA stehen Verhandlungen über den Austausch der Daten von Flugpassagieren an. Da kann ein wenig Terrorangst nicht schaden.

Für den einzelnen US-Bürger, dem jetzt diese Warnung übermittelt wurde, ist das freilich ohne Belang. Er wird sie zur Kenntnis nehmen und wieder vergessen. So, wie er die vielen vorausgehenden Warnungen vergessen hat.

Bis es dann vielleicht wirklich einmal ernst wird und eine Warnung ergeht, die beachtetet werden sollte. Aber wer wird sie noch ernst nehmen, abgehärtet wie man ist, durch die vielen unnötigen vorausgehenden Warnungen?



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