Am Dienstag wird in den USA gewählt (midterm elections, also Wahlen zur Hälfte der Amtszeit des Präsidenten).
Die wichtigsten Wahlen sind diejenigen zum Senat und zum Repräsentantenhaus sowie die Wahl von zahlreichen Gouverneuren. Aber es wird auch auf anderen Ebenen gewählt, von den Parlamenten der Bundesstaaten bis hinunter zum örtlichen Sheriff. Des weiteren gibt es zahlreiche örtliche Abstimmungen über Gesetzesvorlagen, sogenannte Propositions (siehe Wird Marijuana die Wähler motivieren, 2012 für Obama zu stimmen?; ZR vom 8. 10. 2010).
Weniger als eine Woche vor dem Wahltag zeichnet sich ab, wie die Wahlen zu den beiden Häusern des Kongresses ausgehen werden:
Woher kommen solche Zahlen? Ich entnehme sie dem Blog von Nat Silver "FiveThirtyEight", der inzwischen seinen Platz bei der New York Times gefunden hat. Verdientermaßen, denn er ist - aus meiner Sicht - das Beste, was es in den USA zur Analyse von Umfrageergebnissen gibt.
Nat Silver verfolgt alle Umfragen und arbeitet ihre Ergebnisse in mathematische Modelle ein. Ich habe bei den Wahlen vor zwei Jahren auf seine Analysen vertraut und sie immer wieder bestätigt gefunden (siehe die Serie Der 44. Präsident der USA und dort besonders die Folgen 15, 18, 19, 20, 15 und 26; sowie Warum hat Barack Obama gewonnen?; ZR vom 6. 11. 2008).
Wie kommt es, daß die Republikaner beim Repräsentantenhaus einen Erdrutsch-Sieg erwarten können, aber die Demokraten den Senat wahrscheinlich knapp behaupten werden (Silver sagt ein Verhältnis von 52 : 48 Sitzen vorher)?
Die Erklärung ist simpel, meint Silver in seiner Analyse vom Dienstag: Das Repräsentantenhaus wird komplett neu gewählt. Im Senat werden aber nur 37 der 100 Sitze bei den jetzigen midterm elections vergeben.
Von diesen 37 Mandaten gehen nach Nat Silvers Prognose wahrscheinlich 25 an die Republikaner und nur 11 an die Demokraten; einer (Colorado) ist noch nicht zuzuordnen (too close to call). Aber zu einer Mehrheit reicht das für die G.O.P. trotzdem nicht, weil bei den jetzt nicht zur Wahl stehenden Sitzen die Demokraten eine deutliche Mehrheit haben.
Würde der gesamte Senat gewählt, dann ginge auch er mit großer Mehrheit an die Republikaner. Nat Silver:
"Filibustersicher" ist eine Mehrheit von 60 der 100 Sitze; diese wird benötigt, um "Ende der Debatte" zu beschließen und so filibustering, also das beliebige Hinauszögern einer Abstimmung durch endloses Reden zu verhindern. Damit kann ein Gesetz faktisch gekippt werden.
"Vetosicher" ist eine Mehrheit von 67 Sitzen, weil mit dieser ein Veto des Präsidenten gegen ein vom Senat beschlossenes Gesetz von diesem zurückgewiesen werden kann.
Bei midterm elections schneidet traditionell die Partei des Präsidenten nicht allzu gut ab. Eine so vernichtende Niederlage, wie sie jetzt der Partei Präsident Obamas droht, ist aber ungewöhnlich. Was sind die Ursachen?
Generell ist eine Ernüchterung der Wähler festzustellen. Man kann das im Wortsinn verstehen: Die Begeisterung für den Erlöser Obama hatte vor zwei Jahren mitunter etwas Rauschhaftes gehabt. Man glaubte ihm sein "Yes we can". Man nahm ihm ab, daß er Amerika voranbringen und zu neuer Größe führen werde. Dafür hat man ihn gewählt.
Man hat aber, wie sich in diesen zwei Jahren gezeigt hat, eine Mogelpackung gekauft (siehe "Der amerikanische Geist wird gebrochen". Wie Barack Obama zum "Mr. Unpopulär" wurde; ZR vom 4. 9. 2010). Das "Yes we can" war vom Wähler als das Versprechen verstanden worden, den Pioniergeist und die Innovationsfähigkeit Amerikas neu zu beleben. Obama aber bezog es auf seinen Plan, die amerikanische Gesellschaft auf einen sozialdemokratischen und linksgrünen Weg zu bringen.
Die Folge ist, daß das zerbrach, was in der New York Times von heute Jim Rutenberg und Megan Thee-Brenan die "Obama-Koalition" nennen - die Koalition aus Gruppen, die 2008 wegen Obama die Demokraten gewählt hatten: Frauen, Katholiken, die unteren Einkommensgruppen und Unabhängige (also Wähler, die sich keiner der beiden großen Parteien zuordnen).
Bei diesen Gruppen zeigt sich besonders deutlich eine Abkehr von den Demokraten und eine Hinwendung nicht nur zur G.O.P. ab, sondern teilweise auch zur Bürgerbewegung Tea Party Movement.
Die beiden Autoren stützen sich auf eine aktuelle Umfrage, aus der zum Beispiel hervorgeht, daß erstmals seit 1982 die Frauen mehrheitlich die Republikaner wählen wollen. Ein Viertel der Befragten erklärte sich bereit, einen Kandidaten zu unterstützen, "dessen Ansichten extrem erscheinen". Die allgemeine Stimmung drückt sich auch darin aus, daß 6 von 10 Wählern der Republikaner angeben, daß ihnen diese Wahl ungewöhnlich wichtig sei, aber nur 4 von 10 Wählern der Demokraten.
Wie manchmal bei solchen Umfragen wurde ein Teil der Befragten zusätzlich zu einem unstrukturierten Interview gebeten, in dem sie ihre Meinungen darlegen konnten. Die Autoren der NYT zitieren eine Krankenschwester, deren Aussage sie offenbar für repräsentativ halten:
Die wichtigsten Wahlen sind diejenigen zum Senat und zum Repräsentantenhaus sowie die Wahl von zahlreichen Gouverneuren. Aber es wird auch auf anderen Ebenen gewählt, von den Parlamenten der Bundesstaaten bis hinunter zum örtlichen Sheriff. Des weiteren gibt es zahlreiche örtliche Abstimmungen über Gesetzesvorlagen, sogenannte Propositions (siehe Wird Marijuana die Wähler motivieren, 2012 für Obama zu stimmen?; ZR vom 8. 10. 2010).
Weniger als eine Woche vor dem Wahltag zeichnet sich ab, wie die Wahlen zu den beiden Häusern des Kongresses ausgehen werden:
Das "knapp" läßt sich quantifizieren: Die Wahrscheinlichkeit, daß die Republikaner auch im Senat eine Mehrheit gewinnen, liegt derzeit bei nur ungefähr 15 Prozent.Bei den Wahlen zum Repräsentatenhaus, das sie gegenwärtig mit großer Mehrheit kontrollieren, werden Obamas Demokraten eine kräftige Niederlage erleiden. Von den dortigen 435 Sitzen dürfte die Republikanische Partei (G.O.P.) ungefähr 232 erobern und damit den Demokraten 53 Sitze abnehmen. Den Senat werden die Demokraten hingegen wahrscheinlich knapp behaupten.
Woher kommen solche Zahlen? Ich entnehme sie dem Blog von Nat Silver "FiveThirtyEight", der inzwischen seinen Platz bei der New York Times gefunden hat. Verdientermaßen, denn er ist - aus meiner Sicht - das Beste, was es in den USA zur Analyse von Umfrageergebnissen gibt.
Nat Silver verfolgt alle Umfragen und arbeitet ihre Ergebnisse in mathematische Modelle ein. Ich habe bei den Wahlen vor zwei Jahren auf seine Analysen vertraut und sie immer wieder bestätigt gefunden (siehe die Serie Der 44. Präsident der USA und dort besonders die Folgen 15, 18, 19, 20, 15 und 26; sowie Warum hat Barack Obama gewonnen?; ZR vom 6. 11. 2008).
Wie kommt es, daß die Republikaner beim Repräsentantenhaus einen Erdrutsch-Sieg erwarten können, aber die Demokraten den Senat wahrscheinlich knapp behaupten werden (Silver sagt ein Verhältnis von 52 : 48 Sitzen vorher)?
Die Erklärung ist simpel, meint Silver in seiner Analyse vom Dienstag: Das Repräsentantenhaus wird komplett neu gewählt. Im Senat werden aber nur 37 der 100 Sitze bei den jetzigen midterm elections vergeben.
Von diesen 37 Mandaten gehen nach Nat Silvers Prognose wahrscheinlich 25 an die Republikaner und nur 11 an die Demokraten; einer (Colorado) ist noch nicht zuzuordnen (too close to call). Aber zu einer Mehrheit reicht das für die G.O.P. trotzdem nicht, weil bei den jetzt nicht zur Wahl stehenden Sitzen die Demokraten eine deutliche Mehrheit haben.
Würde der gesamte Senat gewählt, dann ginge auch er mit großer Mehrheit an die Republikaner. Nat Silver:
If the entire Senate were up for re-election in this political climate, the Republicans would be favored to earn a filibuster-proof majority, and might even earn a veto-proof majority! Fortunately for Democrats, that’s not how the system works.Nämlich nicht so, daß alle Senatoren sich jetzt zur Wahl stellen müssen.
Wenn der gesamte Senat in dem jetzigen politischen Klima zur Wiederwahl anstünde, dann hätten die Republikaner eine gute Chance, eine filibustersichere Mehrheit zu erlangen, und sie könnten sogar möglicherweise eine vetosichere Mehrheit einfahren! Zum Glück für die Demokraten funktioniert das System nicht so.
"Filibustersicher" ist eine Mehrheit von 60 der 100 Sitze; diese wird benötigt, um "Ende der Debatte" zu beschließen und so filibustering, also das beliebige Hinauszögern einer Abstimmung durch endloses Reden zu verhindern. Damit kann ein Gesetz faktisch gekippt werden.
"Vetosicher" ist eine Mehrheit von 67 Sitzen, weil mit dieser ein Veto des Präsidenten gegen ein vom Senat beschlossenes Gesetz von diesem zurückgewiesen werden kann.
Bei midterm elections schneidet traditionell die Partei des Präsidenten nicht allzu gut ab. Eine so vernichtende Niederlage, wie sie jetzt der Partei Präsident Obamas droht, ist aber ungewöhnlich. Was sind die Ursachen?
Generell ist eine Ernüchterung der Wähler festzustellen. Man kann das im Wortsinn verstehen: Die Begeisterung für den Erlöser Obama hatte vor zwei Jahren mitunter etwas Rauschhaftes gehabt. Man glaubte ihm sein "Yes we can". Man nahm ihm ab, daß er Amerika voranbringen und zu neuer Größe führen werde. Dafür hat man ihn gewählt.
Man hat aber, wie sich in diesen zwei Jahren gezeigt hat, eine Mogelpackung gekauft (siehe "Der amerikanische Geist wird gebrochen". Wie Barack Obama zum "Mr. Unpopulär" wurde; ZR vom 4. 9. 2010). Das "Yes we can" war vom Wähler als das Versprechen verstanden worden, den Pioniergeist und die Innovationsfähigkeit Amerikas neu zu beleben. Obama aber bezog es auf seinen Plan, die amerikanische Gesellschaft auf einen sozialdemokratischen und linksgrünen Weg zu bringen.
Die Folge ist, daß das zerbrach, was in der New York Times von heute Jim Rutenberg und Megan Thee-Brenan die "Obama-Koalition" nennen - die Koalition aus Gruppen, die 2008 wegen Obama die Demokraten gewählt hatten: Frauen, Katholiken, die unteren Einkommensgruppen und Unabhängige (also Wähler, die sich keiner der beiden großen Parteien zuordnen).
Bei diesen Gruppen zeigt sich besonders deutlich eine Abkehr von den Demokraten und eine Hinwendung nicht nur zur G.O.P. ab, sondern teilweise auch zur Bürgerbewegung Tea Party Movement.
Die beiden Autoren stützen sich auf eine aktuelle Umfrage, aus der zum Beispiel hervorgeht, daß erstmals seit 1982 die Frauen mehrheitlich die Republikaner wählen wollen. Ein Viertel der Befragten erklärte sich bereit, einen Kandidaten zu unterstützen, "dessen Ansichten extrem erscheinen". Die allgemeine Stimmung drückt sich auch darin aus, daß 6 von 10 Wählern der Republikaner angeben, daß ihnen diese Wahl ungewöhnlich wichtig sei, aber nur 4 von 10 Wählern der Demokraten.
Wie manchmal bei solchen Umfragen wurde ein Teil der Befragten zusätzlich zu einem unstrukturierten Interview gebeten, in dem sie ihre Meinungen darlegen konnten. Die Autoren der NYT zitieren eine Krankenschwester, deren Aussage sie offenbar für repräsentativ halten:
... Judy Berg, an independent from Morton Grove, Ill., said she voted for Mr. Obama in 2008 because she was "looking for a change," adding, "the change that ensued was not the change I was looking for but something totally out of left field."In den USA kann auf Dauer nur gewinnen, wer für die traditionellen amerikanischen Werte eintritt und nicht das Land umkrempeln will. Von Obama hatte man das eine erwartet und das andere bekommen. Daher jetzt diese tiefe Enttäuschung.
This year, Ms. Berg, a registered nurse, expressed a preference for Republicans because "I’m pro-life and I’m also looking at the immigration issues and the tax issues."
... Judy Berg, eine unabhängige Wählerin aus Morton Grove, Illinois, sagte, daß sie 2008 Obama gewählt habe, weil "sie einen Wechsel erwartete". Sie fügte hinzu, daß "der Wechsel, der dann eintrat, nicht der Wechsel war, den ich erwartet hatte, sondern etwas, das völlig aus heiterem Himmel kam".
Dieses Jahr brachte Frau Ms. Berg, eine Krankenschwester mit staatlicher Anerkennung, ihre Präferenz für die Republikaner zum Ausdruck, weil "ich gegen Abtreibunng bin und mich auch um die Einwanderungsfrage und die Steuerfrage kümmere".
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