12. Oktober 2010

Marginalie: "Blut für Öl" - Sie erinnern sich? Und wie sieht es heute mit dem Öl des Irak aus?

Im Januar 2003 hatte der "Spiegel" eine Titelgeschichte "Blut für Öl - Worum es im Irak wirklich geht". Das Titelbild zeigte eine verfremdete US-Flagge; jedem Stern darauf waren, sich kreuzend, ein Gewehr und eine Zapfpistole hinzugefügt.

In dem Artikel ("Spiegel" 3/2003 vom 13. 1. 2003; S. 94 - 109; Verfasser: Carolin Emcke, Erich Follath und Bernhard Zand) hieß es:
Als der Präsident nach seiner umstrittenen Wahl im Januar 2000 seine Regierungsmannschaft vorstellt, wird sofort eines klar: Dieser Crew muss niemand etwas über die Bedeutung des schwarzen Goldes erzählen. George W. selbst hatte es nach Jahren selbst verschuldeter wirtschaftlicher Pleiten durch die Protektion seines in Ölgeschäften besonders versierten Vaters in die Führungsriege der Explorationsfirma Harken geschafft. Vizepräsident Richard Cheney leitete von 1995 bis 2000 den texanischen Ölzulieferer Halliburton - der verkaufte in dieser Zeit für Millionen-Honorare Ölausrüstungen in den Irak. Und am Kabinettstisch haben noch mehr Big Shots enge Verbindungen mit Big Oil.
Und der Artikel schloß mit dieser Passage:
Der Countdown läuft, ohne dass man es im Zentrum der Begierde, den Erdölfeldern des Irak, bemerken könnte. Auf den US-Flugzeugträgern im Golf perfektionieren die Piloten ihre Angriffstaktik. Im neuen amerikanischen Hauptquartier in Katar haben die Schlachtenlenker bereits hinter ihren Computerterminals Platz genommen.

Der ehemalige amerikanische Außenminister Henry Kissinger hat einmal gesagt: "Erdöl ist zu wichtig, als dass man es den Arabern überlassen könnte."

So denkt wohl auch George W. Bush.
Daß George W. Bush den Irakkrieg führte, um zum Nutzen amerikanischer Konzerne (denen er selbst und sein Vize Cheney nahe stünden) Kontrolle über das irakische Öl zu bekommen, das war damals, im Vorfeld des Irakkriegs und während dieses Kriegs, eine weitverbreitete Auffassung; unter Linken und "Linksliberalen" nachgerade ein Gemeinplatz.

Und wie sieht es heute aus mit dem irakischen Öl? Die USA haben in der Zeit der Besatzung keinerlei Anstrengung gemacht, die irakische Ölförderung unter ihre Kontrolle zu bringen. Sie wird vielmehr vollständig von den Irakern kontrolliert (über die Aufteilung dieser Kontrolle insbesondere zwischen Kurden und Schiiten wird immer noch gestritten); und die Iraker denken nicht daran, bei der Vergabe von Aufträgen US-Ölkonzerne zu bevorzugen.

Über die aktuelle Situation berichtete gestern Aymenn Jawad Al-Tamimi im Middle East Forum. Er zeichnet das folgende Bild:
  • Die Ölproduktion des Irak geht gegenwärtig zurück. In August dieses Jahres lag sie bei 55,4 Millionen Barrel. Im vergangenen Dezember waren es noch 61,3 Millionen Barrel gewesen. Entsprechend gingen die Einnahmen der Regierung aus dem Ölgeschäft im selben Zeitraum von 4,4 Milliarden Dollar auf 3,9 Milliarden Dollar zurück.

  • Der Irak wird nach Einschätzung des Autors seine ehrgeizigen Ziele - eine Verfünffachung der Förderungsmenge innerhalb der nächsten sechs Jahre - nicht erreichen können. Der wesentliche Grund ist die marode Ausrüstung und Infrastruktur der Erdölindustrie, deren Modernisierung hohe Investitionen verlangen würde. Ein zweiter Grund ist die von Saddam Hussein übernommene zentralistische Steuerung der Wirtschaft, die noch immer wenig Spielraum für Privatinitiative läßt. Drittens schreckt die anhaltende Instabilität und Unsicherheit im Irak ausländische Investoren ab.

  • Die irakische Regierung hat Aufträge an ausländische Ölkonzerne in zwei Versteigerungen vergeben. In der ersten im Juni 2009 traten 22 ausländische Firmen an, aber nur eine - ein Konsortium aus der chinesischen CNPC und der britischen BP - erhielt einen Zuschlag. Inzwischen fand eine zweite Versteigerung statt, aus der zehn Kontrakte hervorgingen. Der Autor erwähnt die russische Lukoil und die holländische Shell.
  • Die Kontrolle über das irakische Öl fest in der Hand des irakischen Staats; Verträge mit einer chinesischen, einer russischen, einer britischen und einer holländischen Firma - das ist die Lage mehr als sieben Jahre nach dem Irakkrieg. Daß die USA ihren noch immer großen Einfluß im Irak genutzt hätten, um die Berücksichtigung von US-Konzernen zu erreichen, ist nicht bekannt.

    Haben die Amerikaner am Ende doch gar nicht Krieg geführt, damit die amerikanischen Konzerne, mit denen George W. Bush und Dick Cheney verbandelt sind, ihre Profite steigern?



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