6. August 2008

Zitat des Tages: Auf dem Weg zu einer neuen Sozialistischen Einheitspartei? Die beiden Ruinen der SPD

Zu besichtigen sind reaktionäre, illiberale Feinde der offenen Gesellschaft bei ihrem verbiesterten Kampf gegen Pluralität und für die ideologische Reinheit des Parteikörpers. Diese Art der Verfolgung von Abweichlertum ist historisch unter dem Begriff der "Säuberung" bekannt. Insofern handelt es sich hier für die deutsche Sozialdemokratie tatsächlich um ein Fanal. (...)

Sollten sich die Vertreter dieses Kurses in der SPD tatsächlich durchsetzen, stünde als nächster Schritt – sozusagen geschichtsnotwendig – die Wiedervereinigung der deutschen Arbeiterklasse zu den Bedingungen Oskar Lafontaines auf der Tagesordnung. Das wäre dann die endgültige Selbstaufgabe der deutschen Sozialdemokratie. (...)

Eines ist sicher: Anhänger der Werte und Ideen einer freiheitlichen und fortschrittlichen sozialen Demokratie könnten solch einer Partei nicht angehören.


Tobias Dürr in einem Gastkommentar der "Welt" über den Hintergrund des beabsichtigten Ausschlusses von Wolfgang Clement aus der SPD. Eine - aus meiner Sicht wenig überzeugende - Antwort von Frank Lübberding kann man hier lesen.

Kommentar: Die "Wiedervereinigung der Arbeiterbewegung" ist seit deren Spaltung nach dem Ersten Weltkrieg und der Oktoberrevolution ein Lieblingsthema der Linken.

Viele sind der Meinung, daß Hitler nur dank der "Spaltung der Arbeiterklasse" an die Macht kommen konnte. Daß es nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Wiedervereinigung zu einer Sozialistischen Einheitspartei nur unter den etwas unschönen Bedingungen der Ostzone etwas wurde, wird auf den "Kalten Krieg" und auf "rechte Sozialdemokraten" wie Kurt Schumacher zurückgeführt.

Die DDR ist Geschichte. Der Kalte Krieg ist Geschichte. Was liegt näher, als daß für die Linke jetzt wieder die "Vereinigung der Arbeiterbewegung" zu einer neuen Sozialistischen Einheitspartei auf der Tagesordnung steht?



Wer die SPD ein wenig von innen kennt, der weiß, daß sie im Grunde immer aus zwei Parteien bestand: Einer (früher einmal überwältigend großen) Mehrheit, die unsere Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung bejaht und innerhalb von ihr für soziale Verbesserungen eintritt; und einer Minderheit, die wie die Kommunisten den Sozialismus will, mit mehr oder weniger "freiheitlichen" oder "demokratischen" Akzenten in Absetzung von den Kommunisten.

Diese Minderheit war in den siebziger Jahren sehr rege und arbeitete schon damals als "Stamokap"- Fraktion der Jusos eng mit den Kommunisten zusammen. Viele der damaligen Volksfront- Anhänger (einer der bekanntesten war der spätere Generalsekretär der SPD Klaus- Uwe Benneter) wurden dafür aus der Partei ausgeschlossen. Denn diese war eben in ihrer großen Mehrheit freiheitlich und demokratisch gesonnen. Die Linken machten zwar viel Tamtam; aber in den höheren Gremien der Partei spielten sie kaum eine Rolle.

Das hat sich langsam, aber stetig geändert. Die Linke hat den langen Marsch durch die SPD erfolgreich absolviert und stellt heute mit Andrea Nahles die heimliche Vorsitzende.

Oft bleiben solche Prozesse unbemerkt, bis ein scheinbar nebensächliches Ereignis zum Kristallisationspunkt wird, an den sich das anlagert, was sich angesammelt hat. Dieses Ereignis ist der Versuch, Wolfgang Clement aus der SPD zu entfernen.

Vermutlich war das so nicht gewollt; aber jetzt hat die Affäre ihre Eigendynamik gewonnen. Die latenten Spannungen zwischen den beiden Parteien innerhalb der SPD führen jetzt zur Eruption, so wie sich allmählich Spannungen zwischen tektonischen Platten aufbauen, bis sie sich in einem Erdbeben entladen.

Die Heftigkeit, ja Giftigkeit, mit der die einen Genossen diesen Rausschmiß verteidigen und die anderen ihn kritisieren, macht wie kein Ereignis der vergangenen Jahrzehnte deutlich, wie weit sich diese beiden Parteien in der SPD schon voneinander entfernt haben.

Sieben Jahre lang hatte das gemeinsame Interesse am Machterhalt diesen Riß überdeckt; dann dauerte es noch etwas, bis sich sozusagen der Rauch des Zusammenstürzens dieser Regierung verzogen hatte.

Jetzt sieht man die Trümmer der SPD. Nicht ein Gebäude liegt da in Ruinen, sondern zwei.



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