31. August 2008

Marginalie: Bruch der Großen Koalition in Berlin - und was dann?

Was hier Ende 2007 zu lesen war, könnte jetzt Wirklichkeit werden: Ein konstruktives Mißtrauensvotum mit dem Ziel, im Bund die Vereinigte Linke aus SPD, Grünen und Kommunisten, also eine Regierung der Volksfront, an die Macht zu bringen.

Was heute "Spiegel- Online" meldet, gibt Anlaß zu dieser Vermutung:
Die Große Koalition in Berlin steht nach den Worten der Ministerpräsidenten Christian Wulff und Peter Müller auf der Kippe. Lasse sich Andrea Ypsilanti in Hessen mit Links- Stimmen wählen, werde die Union die Zusammenarbeit aufkündigen ... (...). Auch der saarländische Ministerpräsident Peter Müller spricht sich für den Fall einer Zusammenarbeit der SPD mit der Linkspartei in Hessen für eine schnelle Beendigung der großen Koalition aus.
Diese Äußerungen sind deshalb interessant, weil der Zug in Hessen nach menschlichem Ermessen abgefahren ist. Die Kommunisten haben die Volksfront in der Tolerierungs- Variante abgesegnet. Die Grünen werden zustimmen. Daß es in der hessischen SPD in letzter Minute zu einer Palastrevolte gegen Ypsilanti kommt, ist denkbar, aber unwahrscheinlich. Dazu sind die Dinge zu weit gediehen.

Also kann diese Warnung der beiden Ministerpräsidenten kaum darauf zielen, die Volksfront in Hessen noch zu verhindern. Sie wird kommen; jedenfalls als Versuch. Dieser mag scheitern, aber das würde wenig ändern. Ein Seitensprung ist ein Seitensprung, auch wenn es mit dem Vollzug nicht ganz klappt.



Wenn Wulff und Müller sich derart massiv äußern, dann dürften sie folglich davon ausgehen, daß der Fall, vor dem sie warnen, eintreten wird. Also dann auch die Konsequenz, die sie fordern - das Ende der Großen Koalition?

Die Union könnte angesichts guter Umfrageergebnisse, angesichts des desolaten Zustands der SPD und angesichts einer weiteren Belastung der SPD durch eine Volksfront in Hessen (ob nun nur versucht oder auch erreicht) versucht sein, die Koalition zu verlassen mit dem Ziel, daß es zu Neuwahlen kommt.

Aber wird es das? Wahrscheinlicher ist es wohl, daß die Union mit einem solchen Schritt eine (vielleicht beabsichtigte) Steilvorlage für ein konstruktives Mißtrauensvotum liefern würde.

Das hätte für die Parteien der Volksfront die Vorteile, die in dem seinerzeitigen Artikel von Ende 2007 nachzulesen sind: Sie könnte aus der Regierung heraus in den Wahlkampf 2009 ziehen - mit dem Amtsbonus einer Regierung, mit deren Ressourcen. Und sie könnte damit rechnen, daß Wähler sich sagen: Jetzt sind die Linksparteien nun einmal dran; geben wir ihnen also ihre Chance. Nicht schon wieder ein Wechsel.

Jedenfalls könnten die Strategen der Linken auf eine solche Reaktion spekulieren. Möglich ist freilich auch, daß eine solche Entwicklung vielen Wählern der SPD die Augen dafür öffnet, was aus ihrer Partei geworden ist. Dann könnte die Volksfront eine einjährige Episode bleiben.



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