5. August 2008

Zitat des Tages: Aus der Regierung in die Lobby. Nebst einer Bemerkung über das Kabinett Ypsilanti

[Es] seien "ehemalige Regierungsmitglieder und Führungspersonen der Ministerialbürokratie in großem Umfang direkt nach Beendigung der politischen Tätigkeit in Lobbytätigkeiten im engeren und weiteren Sinn" gewechselt. In den meisten Fällen seien die Lobbytätigkeiten "eng mit den vorherigen politischen Aufgabenfeldern verbunden". Es liege der Verdacht nahe, "dass bei politischen Entscheidungen der Seitenblick auf die späteren Jobchancen zu einem bedeutenden Faktor wird".

Von welchem Land, von welcher Regierung ist hier die Rede? Von einer Bananerepublik? Oder von den USA, wo - das wissen wir ja alle, nicht wahr - die "Waffenlobby", die "Erdöllobby" usw. ihr Wesen treiben?

Die Rede ist - das Zitat stammt aus einem Artikel von Varinia Bernau in der heutigen "Süddeutschen Zeitung" - vom zweiten Kabinett des Kanzlers Gerhard Schröder. Zitiert wird eine Untersuchung der Organisation "Lobby Control", die ermittelt hat, was denn aus den Mitgliedern dieser Regierung und ihren leitenden Mitarbeitern geworden ist. Im November 2007 hat sie das Ergebnis publiziert.

Kommentar: Wie der Herr, so's Gescherr. Ich wundere mich immer noch darüber, daß das Verhalten Gerhard Schröders unmittelbar nach Ende seiner Kanzlerschaft in der Öffentlichkeit und besonders in der SPD keinen Sturm der Entrüstung ausgelöst hat.

Bei Schröder war die Verquickung zwischen Entscheidungen, die er als Kanzler getroffen hatte, und seiner neuen Sinekure eklatant: Er hatte gegen heftigen Widerstand vor allem aus Polen den Bau einer Erdgasleitung durch die Ostsee durchgeboxt und wurde nun Vorsitzender des Aufsichsrats just jenes Konsortiums NEGP- Company, einer Tochter des russischen Staatskonzerns Gazprom, das diese Leitung bauen wird.

Das war dreist. Es war entwürdigend. Es war stillos. Daß ein Kanzler derart sein Amt mit seinen privaten finanziellen Interessen verknüpft, hat es in der deutschen Geschichte noch nie gegeben. Ebensowenig, daß er unmittelbar nach Ende seiner Amtszeit in den Dienst des Staatskonzerns einer ausländischen Macht tritt.



Ach so, der Artikel von Varinia Bernau handelt gar nicht von Gerhard Schröder, jedenfalls nicht hauptsächlich. Er befaßt sich mit den Hintergründen des beabsichtigten Ausschlusses von Wolfgang Clement, der "auch eine Abrechnung der Partei mit einstigen Regierungsgrößen" sei, "die jetzt in der Wirtschaft absahnen".

Gerhard Schröder trat sein Amt bei der Gazprom im Mai 2006 an, also vor zweieinviertel Jahren. Damals blieb die "Abrechnung" aus.

Warum jetzt? Nicht, weil damals die Mitglieder an der Basis nicht auch über den Gerhard gemurrt hätten, der jetzt ans große Geld will. Sondern weil sich in der Führung der Partei damals niemand für sie interessierte.

Damals hatte die SPD-Linke noch nicht die Mehrheit im Parteivorstand und Parteirat, die Wolfgang Clement dort inzwischen vermutet. Damals standen noch nicht Koalitionen mit den Kommunisten in westlichen Bundesländern zur Debatte.

Nun also wird es Wolfgang Clement angekreidet, daß er im Aufsichtsrat einer Tochter der RWE ist. Während sich offenbar niemand darüber aufregt, daß der (anders als Clement noch ausgesprochen politisch aktive) linke SPD- Politiker Hermann Scheer in Personalunion Präsident von "Eurosolar" ist, der "Europäischen Vereinigung für Erneuerbare Energien". Scheer ist bekanntlich einer der Architekten der beabsichtigen rotgrünen, von den Kommunisten gestützten Regierung in Hessen und soll, so hat es Frau Ypsilanti angekündigt, deren Wirtschafts- und zugleich Umweltminister werden.

Da hätte man dann den Lobbyismus nicht unmittelbar nach, sondern gleich mitten in der Regierungstätigkeit.



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