27. August 2008

Der 44. Präsident der USA (12): Hillary Clintons vergiftete Gabe an Barack Obama. Ein Glanzstück politischer Rhetorik

"I am honored to be here tonight. A proud mother. A proud Democrat. A proud American. And a proud supporter of Barack Obama."

So begann Hillary Clinton ihre Rede gestern auf dem Parteitag der Demokratischen Partei, der Democratic National Convention.

Kommentar: Der geniale Anfang einer glänzenden Rede.

Mutter - Demokratin - Amerikanerin. Ach ja, und dann noch Unterstützerin von Obama.

Eine "stolze" Unterstützerin freilich. Was wunderbar doppeldeutig ist: Sie ist stolz darauf, diesen Obama unterstützen zu dürfen, so kann man es verstehen. Oder aber auch: Sie unterstützt ihn, nun gut. Aber ihren Stolz läßt sie sich nicht nehmen.

Es hätte ihr Parteitag werden sollen, der stolzeste Augenblick ihres Lebens, ihre Nominierung zur Kandidatin für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika.

Wären die Vorwahlen nach dem Modus abgehalten worden, der McCain zum Sieger bei den Republikanern machte, dann wäre sie jetzt die Kandidatin. Aber unter den komplizierten, auf Ausgleich und Gerechtigkeit setzenden Regeln ihrer Partei wurde sie nun nur zweite Siegerin.

Ihre Rede mußte eine Gratwanderung sein.

Obama nicht zu unterstützen - das wäre unsolidarisch gewesen, das Ende ihrer Karriere in dieser Partei. Also mußte sie enthusiastisch zu seiner Wahl aufrufen, ihre Hilfe dazu versprechen.

Aber sich ihm zu beugen, sozusagen zu ihm überzulaufen - das hätte ihre Anhänger enttäuscht, das hätte ihren Stolz gekränkt. Den Stolz, den sie an den Beginn der Rede gestellt hatte.



Warum unterstützt sie also Obama? Darum:
I haven’t spent the past 35 years in the trenches (...) to see another Republican in the White House squander the promise of our country and the hopes of our people. And you haven’t worked so hard over the last 18 months, or endured the last eight years, to suffer through more failed leadership.

Ich habe nicht 35 Jahre geackert (...), um jetzt zuzusehen, wie wieder ein Republikaner im Weißen Haus das Versprechen unseres Landes un die Hoffnungen unseres Volks vergeudet. Und ihr habt weder über die vergangenen 18 Monate so hart gearbeitet, noch die vergangenen acht Jahre ertragen, um jetzt durch weitere verfehlte Führung zu leiden.
Wir brauchen den Wechsel im Weißen Haus, soll das heißen, und da denn nun Obama unser Kandidat sein wird, müssen wir ihn auch unterstützen.

Von ausgesuchter Doppeldeutigkeit auch diese Sätze: "Barack Obama is my candidate. And he must be our president". Obama sei ihr Kandidat - ungefähr so, wie die Queen ihren Prime Minister hat, so kann man das verstehen. Und er "muß" unser Präsident sein: Es muß halt sein, weil nicht sie selbst, die es viel besser könnte, nominiert werden wird.

Natürlich muß sie ihn anpreisen, den Kandidaten, der es nun mal sein wird. Aber sie verkneift sich jedes persönliche Lob. Das, was üblicherweise in einer solchen Rede gesagt werden würde - welch ein brillanter Führer der Kandidat sei, welch ein untadeliger Patriot, welch ein großer Amerikaner usw. - fehlt in dieser Rede, es ist "conspicuously absent", wie man im Englischen sagt - es fällt auf, weil es abwesend ist.

Ihr Lob gilt nicht dem Mann, sondern dem Programm, das er als Präsident realisieren wird - jedenfalls, sofern es mit ihrem eigenen identisch ist. Und auch da bringt sie noch eine subtile Spitze gegen Obama unter:
Barack Obama will make sure that middle- class families get the tax relief they deserve. And I cannot wait to watch Barack Obama sign into law a health care plan into law that covers every single American.

Barack Obama wird dafür sorgen, daß Familien aus der Mittelklasse die Steuererleichterungen bekommen, die sie verdienen. Und ich kann es kaum erwarten, mitzuerleben, wie Barack Obama einen Plan zur Krankenversicherung unterschreibt und damit zum Gesetz macht, der jeden einzelnen Amerikaner einschließt.
Als sie das sagte, ging ein triumphierendes, leicht maliziöses Lächeln über ihr Gesicht; und ein Teil des Publikums applaudierte. Man hörte Lacher.

Denn just um diese Frage hatte es im Vorwahlkampf einen heftigen Streit gegeben. Clinton will das, was sie jetzt sagte - eine Versicherung, der jeder beitreten muß, der bisher nicht versichert ist. Obama hingegen möchte zwar auch eine Volksversicherung, aber niemanden zum Beitritt zwingen.

Clinton sagte also in dieser Passage: Sie freue sich darauf, daß Obama das als Präsident unterschreiben werden müssen (nämlich weil vom Kongreß so beschlossen), was sie im Vorwahlkampf wollte. Und er nicht.

Nicht wahr, so preist man einen Kandidaten!

Die ganze Rede ist eine brillante Übung in Doppeldeutigkeit. Eine Rede, die an der Oberfläche die bedingungslose Unterstützung Obamas deklariert, und deren Subtext sagt: Es muß halt sein, aber die richtige Kandidatin wäre ich selbst gewesen.



Obama wußte schon, warum er es offenbar nicht einmal erwog, Hillary Clinton zur Kandidatin für die Vizepräsidentschaft zu machen. Da hätte er eine Natter an seinem Busen genährt.

Ich könnte mir denken, daß diese Rede einmal in die Politische Wissenschaft eingehen wird. In den Lehrbüchern direkt unter der Rede des Marc Anton behandelt; "... doch Brutus ist ein ehrenwerter Mann".



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