Für Deutschland ist die Antwort auf die Frage nach der besseren Presse einfach:
Über Barack Obama wird in den deutschen Medien häufiger, ausführlicher und freundlicher berichtet als über John McCain. Das sagt uns die Erfahrung als Nutzer der deutschen Medien. Und irgendwo muß es ja auch herkommen, daß mehr als siebzig Prozent der Deutschen Obama wählen würden.
Aber wie sieht das eigentlich in den USA selbst aus?
Die führende Tageszeitung der USA, die New York Times, nimmt unverhohlen Partei für Barack Obama. Sie ging dabei kürzlich so weit, eine Entgegnung McCains auf einen Gastkommentar von Obama abzulehnen.
Aber die NYT ist nicht die amerikanische Presse; und die Tageszeitungen sind nicht die einflußreichsten Medien.
Schaut man sich die Berichterstattung der TV-Sender an, dann ergibt sich, wie gestern Katharine Q. Seelye in der New York Herald Tribune berichtete, ein interessantes und differenziertes Bild.
Der Tyndall Report, der seit 1987 die Berichterstattung der abendlichen Nachrichtensendungen analysiert, ermittelte bei den drei großen Senderketten ABC, CBS und NBC vom 3. Juni bis zum 23. Juni insgesamt 166 Sendeminuten für Obama, aber nur 67 Sendeminuten für McCain.
Das zeigt eine eindeutige Bevorzugung Obamas, wie sie eine entsprechende Analyse der deutschen TV-Nachrichten mit großer Wahrscheinlichkeit ebenso zutage fördern würde.
Ergänzt wird dieses Bild durch eine Erhebung des Media Research Center zu den Auslandsreisen der beiden Kandidaten. Über die kürzliche Reise Obamas wurde danach insgesamt 92 Minuten berichtet. Als im März McCain eine Reise mit weitgehend denselben Zielen unternahm, umfaßte die Summe der Berichte nur achteinhalb Minuten. Die Dauer der beiden Reisen war fast dieselbe (McCain sieben, Obama acht Tage).
Die meisten dieser Berichte waren, da in den USA weit strenger als in Deutschland auf die Trennung von Nachricht und Meinung geachtet wird, in der Tendenz neutral. Der Vorteil für Obama lag in mehr exposure, mehr Präsenz also auf den Bildschirmen. Anders als in Deutschland wurde er nicht als der sympathischere Kandidat mit den besseren politischen Zielen dargestellt.
Es scheint sogar so zu sein, daß bei Meinungsäußerungen aus den Redaktionen McCain besser wegkommt als Obama. Das ist natürlich nicht so objektiv zu messen wie die Sendezeit in Minuten; aber es gibt inhaltsanalytische Verfahren (die Einstufung - Rating - durch geschulte Beurteiler), die, wenn sie kompetent angewandt werden, brauchbare Resultate liefern.
Katharine Q. Seelye zitiert eine solche Untersuchung aus der George Mason University. Danach äußerten sich von den Kommentatoren, die zu Obama eine explizite Meinung kundtaten, 72 Prozent negativ und nur 28 Prozent positiv. Von den Meinungen zu McCain waren 43 Prozent positiv und 57 Prozent negativ.
Wie auch immer man dieses Bild bewertet - klar scheint zu sein, daß im Augenblick eine heftige Schlacht zwischen Obama und McCain um ihre Präsenz und Darstellung in den Medien tobt.
Warum gerade jetzt? Katharine Q. Seelye zitiert dazu Martin Kaplan, den Direktor des Norman Lear Center der Annenberg School for Communication an der University of Southern California. Kaplan meint, in der jetzigen Phase des Wahlkampfs seien beide Seiten "engaged in one of its most important missions: establishing a negative narrative about the opponent". Jede Seite sei mit einer ihrer wichtigsten Aufgaben befaßt: Vom Gegner ein negatives Klischee zu entwerfen.
("Narrative" heißt wörtlich "Erzählung", hat aber in den Sozialwissenschaften oft die Bedeutung eines Schemas, einer Standarddarstellung, eines Klischees. Das im folgenden Text erwähnte Master Narrative ist also so etwas wie ein Rahmenschema, ein Interpretationsrahmen, ein allgemeines Bild):
Ich fand den Artikel lesenswert. Hinzufügen könnte man, daß solche Versuche, vom eigenen Kandidaten ein positives und vom gegnerischen ein negatives Bild zu entwerfen, schon oft wahlentscheidend gewesen sind. Daß Bush vor vier Jahren Kerry besiegt hat, lag zum Beispiel wesentlich daran, daß Kerry erfolgreich mit dem Etikett "flip-flop" versehen werden konnte, weil er zu zentralen Fragen seine Meinung geändert hatte.
In den letzten Tagen hat das Team McCains einen Spot geschaltet, der in den USA großes Aufsehen erregte; CNN kommentierte ihn ausführlich. Es wurde versucht, den Erfolg von Obamas Auslandsreise ins Gegenteil umzukehren, indem dieser als ein Showstar wie Britney Spears dargestellt wurde: "He's the biggest celebrity in the world. But is he ready to lead?" (Er ist der größte Promi der Welt. Aber eignet er sich zur Führung?).
Und der neueste Spot bezieht sich auf das, was ich in der Serie über Obamas Weg in die Lächerlichkeit beschrieben habe: Obamas Selbstdarstellung mit Bezügen zur Bibel. In dem Spot sieht man Charlton Heston als Moses, unterlegt mit Zitaten von Obama wie dem über seine de- facto- Nominierung: "This was the moment when the rise of the oceans began to slow and our planet began to heal" (Dies war der Moment, an dem sich der Anstieg der Ozeane zu verlangsamen und in dem unser Planet zu gesunden begann).
Unter Wahlforschern ist der Nutzen solcher Herabsetzungen des Gegners, des "negative campaigning", umstritten.
Ein allgemeines Rezept, ob es nutzt oder schadet, gibt es wohl nicht. Es kommt auf die Situation an. Das Konzept des Master Narrative hilft das verstehen: Ist es einmal etabliert, dann kann ein negativer Wahlkampf leicht schaden, wenn er diesem etablierten Bild widerspricht. Solange das Bild eines Kandidaten aber noch unbestimmt ist, können solche negativen Spots es mit prägen.
Darauf hofft jedenfalls das Team von John McCain. Und es könnte richtig liegen. Nach dem aktuellen Gallup Poll daily tracking vom 31. Juli, das gleitende Mittelwerte aus täglichen Erhebungen bringt, liegen McCain und Obama mit je 44 Prozent jetzt gleichauf. In den vergangenen Wochen hatte Obama durchweg einen mal kleineren, mal größeren Vorsprung gehabt.
Über Barack Obama wird in den deutschen Medien häufiger, ausführlicher und freundlicher berichtet als über John McCain. Das sagt uns die Erfahrung als Nutzer der deutschen Medien. Und irgendwo muß es ja auch herkommen, daß mehr als siebzig Prozent der Deutschen Obama wählen würden.
Aber wie sieht das eigentlich in den USA selbst aus?
Die führende Tageszeitung der USA, die New York Times, nimmt unverhohlen Partei für Barack Obama. Sie ging dabei kürzlich so weit, eine Entgegnung McCains auf einen Gastkommentar von Obama abzulehnen.
Aber die NYT ist nicht die amerikanische Presse; und die Tageszeitungen sind nicht die einflußreichsten Medien.
Schaut man sich die Berichterstattung der TV-Sender an, dann ergibt sich, wie gestern Katharine Q. Seelye in der New York Herald Tribune berichtete, ein interessantes und differenziertes Bild.
Der Tyndall Report, der seit 1987 die Berichterstattung der abendlichen Nachrichtensendungen analysiert, ermittelte bei den drei großen Senderketten ABC, CBS und NBC vom 3. Juni bis zum 23. Juni insgesamt 166 Sendeminuten für Obama, aber nur 67 Sendeminuten für McCain.
Das zeigt eine eindeutige Bevorzugung Obamas, wie sie eine entsprechende Analyse der deutschen TV-Nachrichten mit großer Wahrscheinlichkeit ebenso zutage fördern würde.
Ergänzt wird dieses Bild durch eine Erhebung des Media Research Center zu den Auslandsreisen der beiden Kandidaten. Über die kürzliche Reise Obamas wurde danach insgesamt 92 Minuten berichtet. Als im März McCain eine Reise mit weitgehend denselben Zielen unternahm, umfaßte die Summe der Berichte nur achteinhalb Minuten. Die Dauer der beiden Reisen war fast dieselbe (McCain sieben, Obama acht Tage).
Die meisten dieser Berichte waren, da in den USA weit strenger als in Deutschland auf die Trennung von Nachricht und Meinung geachtet wird, in der Tendenz neutral. Der Vorteil für Obama lag in mehr exposure, mehr Präsenz also auf den Bildschirmen. Anders als in Deutschland wurde er nicht als der sympathischere Kandidat mit den besseren politischen Zielen dargestellt.
Es scheint sogar so zu sein, daß bei Meinungsäußerungen aus den Redaktionen McCain besser wegkommt als Obama. Das ist natürlich nicht so objektiv zu messen wie die Sendezeit in Minuten; aber es gibt inhaltsanalytische Verfahren (die Einstufung - Rating - durch geschulte Beurteiler), die, wenn sie kompetent angewandt werden, brauchbare Resultate liefern.
Katharine Q. Seelye zitiert eine solche Untersuchung aus der George Mason University. Danach äußerten sich von den Kommentatoren, die zu Obama eine explizite Meinung kundtaten, 72 Prozent negativ und nur 28 Prozent positiv. Von den Meinungen zu McCain waren 43 Prozent positiv und 57 Prozent negativ.
Wie auch immer man dieses Bild bewertet - klar scheint zu sein, daß im Augenblick eine heftige Schlacht zwischen Obama und McCain um ihre Präsenz und Darstellung in den Medien tobt.
Warum gerade jetzt? Katharine Q. Seelye zitiert dazu Martin Kaplan, den Direktor des Norman Lear Center der Annenberg School for Communication an der University of Southern California. Kaplan meint, in der jetzigen Phase des Wahlkampfs seien beide Seiten "engaged in one of its most important missions: establishing a negative narrative about the opponent". Jede Seite sei mit einer ihrer wichtigsten Aufgaben befaßt: Vom Gegner ein negatives Klischee zu entwerfen.
("Narrative" heißt wörtlich "Erzählung", hat aber in den Sozialwissenschaften oft die Bedeutung eines Schemas, einer Standarddarstellung, eines Klischees. Das im folgenden Text erwähnte Master Narrative ist also so etwas wie ein Rahmenschema, ein Interpretationsrahmen, ein allgemeines Bild):
"Both sides believe there is something called the master narrative," Kaplan said. "Yes, there is an abundance of voices and sources trying to influence that master narrative. But it does finally get set, and once it's set, it's virtually impossible to change. So everyone is doing their best to stop the master narrative from setting in a way that disadvantages their side."
The story lines at this relatively early stage are still shifting. The positive story line for McCain, and one backed up by the polls, is that he is a plausible commander in chief; for Obama, it is that he represents change. On the negative side, McCain is perceived as an angry old man, and Obama as a greenhorn who is dangerously full of himself.
"Beide Seiten sind der Auffassung", sagte Kaplan, "daß es etwas gibt, das sie das Master Narrative nennen. Gewiß gibt es eine Flut von Stimmen und Quellen, die dieses Master Narrative zu beeinflussen suchen. Aber irgendwann ist es etabliert, und wenn es erst einmal etabliert ist, dann ist es so gut wie unmöglich, es wieder zu ändern. Folglich tut jeder, was er kann, um zu verhindern, daß das Master Narrative sich zum Nachteil der eigenen Seite etabliert".
Die Inhalte wechseln in dieser relativ frühen Phase noch. Der positive Inhalt für McCain, der auch durch die Umfragen gestützt wird, ist, daß er ein geeigneter Oberbefehlshaber ist; für Obama, daß er den Wandel repräsentiert. Auf der negativen Seite wird McCain als ein zorniger alter Mann wahrgenommen, Obama als Greenhorn und als gefährlich selbstbezogen.
Ich fand den Artikel lesenswert. Hinzufügen könnte man, daß solche Versuche, vom eigenen Kandidaten ein positives und vom gegnerischen ein negatives Bild zu entwerfen, schon oft wahlentscheidend gewesen sind. Daß Bush vor vier Jahren Kerry besiegt hat, lag zum Beispiel wesentlich daran, daß Kerry erfolgreich mit dem Etikett "flip-flop" versehen werden konnte, weil er zu zentralen Fragen seine Meinung geändert hatte.
In den letzten Tagen hat das Team McCains einen Spot geschaltet, der in den USA großes Aufsehen erregte; CNN kommentierte ihn ausführlich. Es wurde versucht, den Erfolg von Obamas Auslandsreise ins Gegenteil umzukehren, indem dieser als ein Showstar wie Britney Spears dargestellt wurde: "He's the biggest celebrity in the world. But is he ready to lead?" (Er ist der größte Promi der Welt. Aber eignet er sich zur Führung?).
Und der neueste Spot bezieht sich auf das, was ich in der Serie über Obamas Weg in die Lächerlichkeit beschrieben habe: Obamas Selbstdarstellung mit Bezügen zur Bibel. In dem Spot sieht man Charlton Heston als Moses, unterlegt mit Zitaten von Obama wie dem über seine de- facto- Nominierung: "This was the moment when the rise of the oceans began to slow and our planet began to heal" (Dies war der Moment, an dem sich der Anstieg der Ozeane zu verlangsamen und in dem unser Planet zu gesunden begann).
Unter Wahlforschern ist der Nutzen solcher Herabsetzungen des Gegners, des "negative campaigning", umstritten.
Ein allgemeines Rezept, ob es nutzt oder schadet, gibt es wohl nicht. Es kommt auf die Situation an. Das Konzept des Master Narrative hilft das verstehen: Ist es einmal etabliert, dann kann ein negativer Wahlkampf leicht schaden, wenn er diesem etablierten Bild widerspricht. Solange das Bild eines Kandidaten aber noch unbestimmt ist, können solche negativen Spots es mit prägen.
Darauf hofft jedenfalls das Team von John McCain. Und es könnte richtig liegen. Nach dem aktuellen Gallup Poll daily tracking vom 31. Juli, das gleitende Mittelwerte aus täglichen Erhebungen bringt, liegen McCain und Obama mit je 44 Prozent jetzt gleichauf. In den vergangenen Wochen hatte Obama durchweg einen mal kleineren, mal größeren Vorsprung gehabt.
Links zu allen Folgen dieser Serie findet man hier. - Für Kommentare zu diesem Artikel gibt es einen Thread in "Zettels kleinem Zimmer". Dort findet man auch eventuelle Aktualisierungen und Ergänzungen.