11. August 2012

Zitat des Tages: Warum sollte Bayern eigentlich nicht seine Unabhängigkeit erklären?

Warum sollte Bayern nicht stark genug sein, seine Interessen in Europa selbst zu vertreten? Wenn das in seiner Einwohnerzahl Bayern am nächsten liegende Griechenland 22 Abgeordnete ins Europäische Parlament entsendet, warum sollte dem Freistaat nicht die gleiche Zahl von Volksvertretern in Europa zustehen?
Wilfried Scharnagl in "Focus", zitiert in "Welt-Online".

Kommentar: Bei "Focus-Online" ist der Artikel Scharnagls leider derzeit nicht zu finden, aus dem "Welt-Online" zitiert; allerdings eine Notiz über ein kürzlich erschienenes Buch von Scharnagl mit dem Titel "Bayern kann es auch allein". Offenbar tritt Scharnagl für eine Trennung des Freistaats Bayern von der Bundesrepublik Deutschland ein; für eine Bayerische Unabhängigkeitserklärung.

Wilfried Scharnagl ist nicht irgendwer. Er war von 1977 bis 2001 Chefredakteur des "Bayernkurier" und einer der engsten Berater von Franz-Josef Strauß, der gesagt haben soll "Er schreibt, was ich denke, und ich denke, was Scharnagl schreibt". Auch jetzt hat Scharnagl als Elder Statesman noch erheblichen Einfluß in der CSU.

Ich wundere mich seit langem, daß in Bayern der Separatismus nicht weiter verbreitet ist.

Kein Land hat sich so schwer getan, im Januar 1871 dem Reich beizutreten (siehe "Hier waltet ein Unsegen". Peter Gauweiler erklärt seine Euroskepsis; ZR vom 2. 8. 2012). Auch bei der Neugründung der deutschen Länder nach 1945 nannte sich Bayern ostentativ nicht "Land" Bayern, sondern "Freistaat". Es wurden dort Parteien gegründet, die es in keinem anderen Bundesland gab; ja nicht nur die CSU, sondern auch die zeitweilig sehr einflußreiche "Bayernpartei".

Damals war Bayern ein rückständiger Agrarstaat. Dank der wirtschaftsfreundlichen Politik der CSU, dank ihrer konservativen Bildungspolitik, dank der Libertas Bavariae hat sich das Land allmählich nach vorn geschoben und ist heute das neben Baden-Württemberg erfolgreichste aller Bundesländer. Aus dem einstigen Empfängerland im Länderfinanzausgleich ist längst ein Geberland geworden.

Bayern hat 12,6 Millionen Einwohner. Mehr als Österreich (8,4 Millionen) und die Schweiz (7,9 Millionen). Mehr als Belgien (10,9 Millionen), Portugal (10,6 Millonen), Dänemark (5,5 Millionen), Schweden (9,5 Millionen), Norwegen (5,0 Millionen) und Finnland (5,4 Millionen). Mehr auch als Ungarn (10,0 Millionen), Tschechien (10,5 Millionen) und die Slowakei (5,4 Millionen).

Und so fort. Europa besteht überwiegend aus Staaten mit weniger Einwohnern als Bayern. Nur die Kolosse Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Polen und das Vereinigte Königreich fallen da heraus; die Niederlande nehmen mit 16,9 Millionen Einwohnern eine Zwischenposition ein. Ein selbständiges Bayern würde sich bestens in die europäische Völkerfamilie einfügen.

Bayern hat kulturell ohnehin mehr mit Österreich gemeinsam als mit dem Deutschland nördlich der Mainlinie. Man könnte eine Alpenunion bilden, unter Einschluß vielleicht der Schweiz und von Liechtenstein.

Und noch ein Argument: Deutschland ist zu groß; das ist ein immer wiederkehrendes Problem. Zu groß, damit die anderen Großen in Europa auch nur auf Augenhöhe sind. Mit einer, wie Sebastian Haffner einmal schrieb "unschicklichen" Größe - zu groß, um nur gleichrangig zu sein; zu klein, um die anderen zu dominieren. Auch da könnte ein Austritt Bayerns hilfreich sein.

Was also spricht eigentlich dagegen? Das Schengener Abkommen würde es ja sicherstellen, daß wir anderen Deutschen auch weiterhin nach Bayreuth zu den Wagner-Festspielen fahren können, ohne an der Grenze eines souveränen Staats Bayern behelligt zu werden. Auch die Einfuhr von Weißwurst und Starkbier nach Deutschland wäre weiter problemlos möglich.­
Zettel



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