27. Oktober 2010

Marginalie: Die Kanzlerin ist laut dem Regierungssprecher Seibert "empört". Aber hat Geert Wilders sie denn falsch zitiert? Lesen Sie selbst

"Lob von Geert Wilders empört Merkel", titelt im Augenblick "Spiegel-Online". In der Meldung erfahren wir:
Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigt sich wenig erfreut über das Lob des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders für ihre Äußerungen zur multikulturellen Gesellschaft. Regierungssprecher Steffen Seibert wies am Mittwoch in Berlin zurück, dass sich Merkel islamkritisch geäußert habe. "Das ist nicht wahr. Man wird die Kanzlerin nicht als Islamkritikerin interpretieren können, weil sie natürlich vor einer wichtigen Weltreligion Respekt hat." Sie kritisiere keine Religion, sondern konkretes Fehlverhalten Einzelner.
Hat Geert Wilders also die Unwahrheit gesagt? Hier ist die betreffende Passage aus seiner Rede vor dem Parlament in den Haag:
Voorzitter, als zelfs de bondskanselier, mevrouw Merkel, zegt dat de multiculturele samenleving volkomen mislukt is (niet een beetje mislukt, nee volkomen mislukt) dan wil dat nogal wat zeggen. De belangrijkste politica van de Christen Democraten van het belangrijkste land van Europa doorbreekt een taboe en zegt waar het op staat. En zij zegt iets wat miljoenen mensen vinden.

Herr Präsident, wenn selbst die Bundeskanzlerin, Frau Merkel, sagt, daß das multikulturelle Miteinander absolut gescheitert ist (nicht ein bißchen gescheitert, sondern absolut gescheitert), dann besagt das eine Menge. Die wichtigste Politikerin der Christdemokraten des wichtigsten Landes Europas bricht ein Tabu und sagt, wie es steht. Und sie sagt etwas, das Millionen Menschen so sehen.
Sie erinnern sich, was die Kanzlerin auf dem Deutschlandtag der Jungen Union gesagt hatte? Ich habe es hier zitiert:
Und natürlich war der Ansatz, zu sagen, jetzt machen wir hier mal Multikulti und leben so nebeneinander her und freuen uns übereinander - dieser Ansatz ist gescheitert, absolut gescheitert.
Das ist das wörtliche Transskript der betreffenden Passage ihrer frei gehaltenen Rede.

Wilders hat die Kanzlerin also korrekt, sogar außerordentlich korrekt zitiert. Wie kann sie also empört sein? Was veranlaßt den forschen Steffen Seibert (wieder einmal) zu einer so pointierten Stellungnahme?

Möglicherweise hat man im Bundespresseamt die Rede von Wilders nicht sorgfältig gelesen. Denn er spricht nicht nur von der Kanzlerin. Der betreffende Teil seiner Rede beginnt mit der Aussage, daß überall in Europa die Vorbehalte gegen den Islam zunehmen würden. In diesem Zusammenhang nennt er Deutschland und sagt:
Ook gevestigde politieke partijen worden wakker. Christen-democraten in Duitsland gaan het steeds beter begrijpen. De fractievoorzitter van de CSU in de Bondsdag, Hans-Peter Friedrich, zegt, ik citeer: "Dat de islam deel van onze cultuur is, onderschrijf ik niet".

De partijleider van de CSU gaat zelfs nog verder. Horst Seehofer wil een volledig einde maken aan de immigratie van Turken en Arabieren naar Duitsland. Volgens hem is het duidelijk dat immigranten uit islamitische landen moeilijker integreren dan buitenlanders uit de EU.

Auch etablierte politische Parteien wachen auf. Bei Christdemokraten in Deutschland wächst das Verständnis. Der Fraktionsvorsitzende der CSU im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, sagt, ich zitiere: "Daß der Islam Teil unserer Kultur ist, unterschreibe ich nicht".

Der Parteivorsitzende der CSU geht sogar noch weiter. Horst Seehofer will der Einwanderung von Türken und Arabern nach Deutschland überhaupt ein Ende machen. Ihm zufolge ist es offensichtlich, daß sich Einwanderer aus islamischen Ländern schlechter integrieren als EU-Inländer.
Nachdem er das gesagt hat, zitiert Wilders die Kanzlerin und faßt das alles dann so zusammen:
Teksten waar je in Nederland mee voor de rechter zou komen, kunnen in Duitsland wel. Daar nemen christendemocraten de leiding op het gebied van islamkritiek.

Aussagen, für die wir in den Niederlanden vor Gericht kommen würden, sind in Deutschland möglich. Dort übernehmen Christdemokraten die Führung auf dem Gebiet der Islamkritik.
Was, wie Sie sehen, eine zutreffende Zusammenfassung dessen ist, was er zuvor an verschiedenen Aussagen zitiert hatte. Der Kanzlerin persönlich hat er nur das zugeschrieben, was sie wörtlich so gesagt hat.

Und was übrigens ja nicht nur von Wilders als eine bemerkenswerte Aussage verstanden wird. Merkels Äußerung hat im Ausland viel mehr Aufsehen erregt als in Deutschland; bis in die USA ist sie eingehend kommentiert worden; siehe "Deutschland kehrt in die Geschichte zurück". George Friedman zum Scheitern von Multikulti, über nationale Identität und das Ende des Stillschweigens; ZR vom 20. 10. 2010.



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