3. Februar 2010

Zettels Meckerecke: Die schwarzgelben Lemminge

Von den Lemmingen geht bekanntlich die Legende, daß sie gelegentlich gemeinsam Selbstmord begehen.

Den kleinen Wühlmäusen mag man damit Unrecht tun; aber sie illustrieren trefflich die Situation, daß sich eine Schar gemeinsam ins Unglück stürzt.

Vielleicht wird man sie sich ja künftig nur noch gefärbt vorstellen können, die Lemminge; ein Teil der Schar schwarz und ein kleinerer gelb.



Die Koalition ist in der Bredouille, fast von Anbeginn an. Nicht immer durch ihre Schuld; für das Versagen des Verteidigungsministers Jung konnten ja beispielsweise die Freien Demokraten nichts. Aber danach fragt Politik nicht; Bredouille ist Bredouille.

Was macht man am besten, wenn man in der Bredouille sitzt? Man reitet sich immer weiter rein, in die Bredouille.

Da zankte man sich wochenlang, als sei die Regierung entschlossen, gleich auch noch selbst die Rolle der Opposition zu übernehmen. Dann trafen sich die drei Häuptlinge, um die Friedenspfeife zu rauchen. Am 17. Januar war das; vor zweieinhalb Wochen.

Offenbar hatte man das Kriegsbeil nicht begraben, sondern nur ein wenig versteckt. Heute ist in "Spiegel- Online" zu lesen, daß gleich drei von der FDP auf die Union eindreschen; zwar keine Häuptlinge, aber doch sozusagen Leitende Indianer.

Es wäre eine Überraschung, wenn die Schwarzfüße von der Isar nicht zurückkeilen würden. Vielleicht haben Merkel, Westerwelle und Seehofer ja in den nächsten Wochen noch einen Termin frei für den nächsten Potlatsch.



Und wäre es nur das.

Es ist für die FDP leider alles so gekommen, wie man es befürchten konnte; und noch ein bißchen mehr.

Westerwelle ist vollauf damit beschäftigt, Außenminister zu lernen und hat kaum Zeit, sich um seine Partei zu kümmern. Rainer Brüderle präsentiert sich als der, den man erwartet hatte - der Kurt Beck der FDP.

Frau Leutheusser- Schnarrenberger hat offenbar der Kampfesmut verlassen, der ihre erste Zeit als Ministerin geprägt hatte; vielleicht hat sie auch nur die falschen Presseleute. Der tüchtige junge Philipp Rösler erscheint zunehmend wie ein glänzendes Fußballtalent, das man zu früh in die Nationalmannschaft berufen hat.



Und wäre es nur das.

Nicht nur sind die FDP-Minister durchaus keine schmucke Riege - auch auf der Seite der Union haben die Revirements bisher nichts gebracht.

Guttenberg schlägt sich als Verteidigungsminister tapfer; aber für das Ansehen der Regierung ist er in diesem Ressort lange nicht mehr so viel wert wie als Wirtschaftsminister. Ursula von der Leyen wirkt immer noch so, als sei sie im falschen Film, wenn sie als Arbeitsministerin auftritt.

Auch die Neuen sind bisher blaß geblieben; vermutlich nicht nur mir fällt bei Schlagzeilen wie "Köhler will Vätermonate ausweiten" immer noch als erstes der Bundespräsident ein.



Und wäre es nur das.

Westerwelle führte sich damit ein, daß er nach Warschau fuhr und in Sachen Erika Steinbach vorpreschte. Dann fuhr er nach Ankara und preschte in Sachen EU-Beitritt der Türkei vor. Beides entgegen der offiziellen Regierungspolitik; beides den Anschein erweckend, er wolle sich just dort lieb Kind machen, wo er gerade hingereist war.

Und jetzt also die CD-Affäre. Wie ein mittelmäßiger Mafiaboss, der einem Widersacher eine Puppe samt hineingestochener Nadel schicken läßt in der Erwartung, der Betreffende werde daraufhin aus Angst kuschen, hat die Regierung diesen halbseidenen Vorgang, den vertraulich zu behandeln sie doch eigentlich jeden Grund gehabt hätte, von Anfang an an die Große Glocke gehängt.

Man wollte, daß die Gemeinten die Nachtigall trapsen hören sollten, so laut, daß ihnen die Ohren klingen würden. In der Tat liest man, daß schon Selbstanzeigen auf die Finanzämter niederprasseln.

Um dieses armseligen Effekts willen nimmt man es in Kauf, daß der Rechtsstaat in einem trüben Licht erscheint; riskiert man es, das durch den famosen Steinbrück schon stark angeknackste Verhältnis zur Schweiz endgültig zu zerrütten.



Wäre dies nicht die Regierung, die ich gewollt habe und in die ich große Hoffnungen gesetzt hatte - ich würde alle paar Tage zu ihr eine Meckerecke verfassen wollen.

Manchmal könnte man meinen, am 27. September hätte die Volksfront gesiegt.



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