5. Februar 2010

Zettels Meckerecke: Ver.di streikt. Warum eigentlich? Gegen wen eigentlich? Über sozialschädliches Verhalten

Es wieder so weit: Jene Gewerkschaft, deren Abkürzung "Ver.di" man sich "Werdi" auszusprechen angewöhnt hat, so als nenne sie sich "Wereinigte Dienstleistungsgewerkschaft", jene Gewerkschaft überwiegend derer, die einen sicheren Arbeitsplatz haben, sie ruft wieder einmal zum Streik auf.

Wie das aussieht, darüber berichtete gestern beispielsweise der WDR:
Warnstreiks im öffentlichen Dienst haben am Donnerstag ... in zahlreichen Städten Nordrhein- Westfalens den Bus- und Straßenbahnverkehr lahmgelegt. (...) Auf den Einfallstraßen etlicher nordrhein- westfälischer Großstädte bildeten sich am Morgen kilometerlange Staus. An Flughäfen kam es zu Verspätungen. Die Kitas, Stadtverwaltungen, Bürgerbüros, Schwimmbäder und Theater in vielen Städten blieben nach Angaben der Dienstleistungs- Gewerkschaft Verdi in vielen Kommunen geschlossen.
Derartige Zustände herrschen sonst allenfalls bei extremen Wetterbedingungen; bei Naturkatastrophen.

Dann bemühen sich Angehörige des Öffentlichen Dienstes, sie so schnell wie möglich zu beheben. Hier führen sie diese Zustände herbei.

Sie führen diese Zustände mit voller Absicht herbei. Sie wollen, daß Bürger nicht rechtzeitig zur Arbeit kommen, daß sie nicht wie gewohnt einkaufen können; sie wollen, daß Eltern ihre Kinder nicht in den Kindergarten bringen können, daß Theaterbesucher, die vielleicht von weither angereist sind, ihre Vorstellung nicht sehen können, daß Patienten in Krankenhäusern nicht die übliche medizinische Versorgung erhalten.

Nicht wahr, ein solches Verhalten kann man mit Recht als sozialschädlich bezeichnen? Eine kleine Gruppe Menschen fügt aus egoistischen Motiven dem Gemeinwesen, sie fügt ihren Mitmenschen in erheblichem Maß Schaden zu; und zwar mit der ausdrücklichen Absicht zu schaden. Sie tut es schamlos.

Ja, schamlos. Denn diejenigen, die das anrichten, schämen sich dessen ja nicht, sondern sie sind ganz im Gegenteil stolz darauf. Sie drohen mit mehr davon. Der WDR über den Vorsitzenden von Ver.di Bsirske:
Es müsse jetzt Bewegung in die Verhandlungen kommen. "Sonst kommen wir wieder und dann wird es nicht bei Warnstreiks bleiben", rief er den mit Trillerpfeifen, Tröten und Fahnen ausgerüsteten Beschäftigten zu.



Ja und? werden Sie vielleicht sagen. Es ist eben Arbeitskampf. Streiks müssen weh tun, sonst hätten sie ja keinen Sinn. Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Wie anders als durch Streiks sollten denn Arbeitnehmer ihre berechtigten Interessen durchsetzen? Da muß der Bürger halt die eine oder andere Unannehmlichkeit in Kauf nehmen.

Muß er? Vor zwei Jahren, im Februar 2008, als Ver.di ebenfalls solche Streiks veranstaltete, habe ich darauf hingewiesen, daß Streiks in der Regel am Ergebnis von Tarifverhandlungen so gut wie nichts ändern; siehe Jetzt streiken sie wieder; ZR vom 20. 2. 2008.

Im Öffentlichen Dienst steigen die Löhne und Gehälter nach jeder Tarifverhandung um im Schnitt ungefähr drei Prozent, mit und ohne Streik. Wenn die Staatskassen leer sind, mag es etwas weniger sein; dieses Jahr wird vermutlich ein Ergebnis irgendwo zwischen zwei und drei Prozent herauskommen.

Das können die Arbeitnehmer haben, wenn man geräuschlos verhandelt. Das können sie haben, nachdem das Spektakel von Streiks aufgeführt wurde; nachdem die Gewerkschaft Ver.di wieder einmal ihr sozialschädliches Verhalten zur Schau gestellt hat.

Ja, zur Schau gestellt. Denn um die Show geht es. Das Motiv dafür, dieses infantile Theater mit Streikposten und mit Trillerpfeifen aufzuführen; mit Menschen, die Plakate vor dem Bauch hängen haben wie einst die reklametragenden Sandwich Men - das Ziel der ganzen Aufführung ist es, an die Existenz der Gewerkschaft zu erinnern. Je größer das Spektakel, umso eher werden die Arbeitnehmer es Bsirske und Co. zuschreiben und danken, wenn sie in den Genuß einer Tariferhöhung kommen.

Trommeln gehört zum Handwerk, sagt der Volksmund. Für Gewerkschaften wie die von Bsirske ist es das Handwerk.



Hinzu kommt, daß im Öffentlichen Dienst ja die Logik von Streiks gar nicht greift. Auch darauf bin ich ausführlicher schon in einem früheren Beitrag anläßlich eines Streiks eingegangen (Über die (Un)logik von Streiks; ZR vom 4. 7. 2007).

Die Logik eines Streiks in der Privatwirtschaft besteht darin, den Arbeitgeber zu einer Kosten- Nutzen- Rechnung zu veranlassen: Er wird den Forderungen der Streikenden dann mehr oder weniger weit nachkommen, wenn ihn dies billiger zu stehen kommt als ein anhaltender Streik. Dieser ist für ihn kostspielig, weil seine Kosten überwiegend weiterlaufen, er aber seine Waren oder Dienstleistungen nicht absetzen kann.

Der Arbeitgeber stellt diese Kosten- Nutzen- Rechnung deshalb an, weil er Profit erwirtschaften möchte. Das gilt für das Unternehmen als Ganzes; es gilt auch für den einzelnen Verantwortlichen, dessen Einkommen vom Erfolg des Unternehmens abhängt.

Im Öffentlichen Dienst aber greift diese Logik offensichtlich nicht. Dort wird kein Profit erwirtschaftet, der durch einen Streik geschmälert werden könnte. Das Einkommen der Verantwortlichen in den Kommunen hängt auch nicht davon ab, wieviel die Theaterbetriebe oder der Öffentliche Nahverkehr erwirtschaften. In der Regel sind sie ja im übrigen defizitär.

Gälte im Öffentlichen Dienst die übliche Logik des Streiks, dann könnte Ver.di so lange streiken, bis die Streikkasse leer ist, und die Kommunen brauchten sich keinen Millimeter zu bewegen.

Kein Verantwortlicher erlitte dadurch einen persönlichen Nachteil. Das Stadtsäckel würde ebenfalls nicht leiden. Eher im Gegenteil. Wenn gestreikt wird, dann braucht die Kommune Schwimmbäder, Bürgerbüros und Kindergärten nicht zu heizen. Sie spart Stromkosten und die Zuschüsse für Kantinen.

So sehr ein Streik ein privates Unternehmen ökonomisch trifft, so egal kann er einer Kommune sein, ökonomisch betrachtet.



Warum ist er dennoch ein Druckmittel? Weil die Gewerkschaft darauf spekuliert, daß die Verwaltungen, daß die Kommunalpolitiker verantwortlicher denken und handeln als sie selbst.

Ver.di nimmt es in Kauf, nein sie führt es mutwillig herbei, daß die Menschen frierend an den Haltestellen stehen, daß sie mit dem Auto, das sie gezwungenermaßen benutzen, im Stau hängenbleiben, daß die berufstätige Mutter nicht weiß, wo sie ihr Kind hinbringen soll, wenn die Kindergärten bestreikt werden.

Aber Ver.di erwartet, daß das Schicksal dieser Bürger, welches ihr selbst egal ist, den Kommunen nicht egal ist. Ver.di nimmt die Bürger als Geisel und rechnet damit, daß die Kommunalpolitiker, daß die Verwaltungen sie auslösen, indem sie auf die Tarifforderungen von Ver.di eingehen.

Es ist ein übles Spiel. Aber die Öffentlichkeit toleriert es; ja Ver.di wird von den meisten Medien ausgesprochen freundlich behandelt.

Kaum eine Lobby wird von unseren Medien so geschont wie die Gewerkschaften; so auch Ver.di. Warum sollte sie also an ihren sozialschädlichen Methoden etwas ändern?



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