In a 71-minute State of the Union address, President Obama managed no more than 101 perfunctory words about Iraq. Throughout its term, the administration has recoiled from discussing Iraq's geostrategic significance and especially America's relation to it. (...)
America needs to remain an active diplomatic player. Its presence must be perceived to have some purpose beyond withdrawal. An expression of political commitment to the region is needed. In executing an exit strategy, we must make sure that strategy remains linked to exit.
(In einer State of the Union- Ansprache von 71 Minuten brachte es Präsident Obama auf nicht mehr als 101 hingeworfene Wörter zum Irak. Während ihrer gesamten Amtszeit schreckte die Regierung davor zurück, die geostrategische Bedeutung des Irak und speziell Amerikas Beziehung zu ihm zu diskutieren. (...)
Amerika muß im diplomatischen Spiel aktiv bleiben. Seine Anwesenheit muß einen Zweck haben, außer dem des Abzugs. Es ist erforderlich, das Engagement in dieser Region zum Ausdruck zu bringen. Wenn wir eine Strategie des Abzugs umsetzen, müssen wir deutlich machen, daß es zwischen Abzug und Strategie einen Zusammenhang gibt.)
Henry Kissinger heute in der Washington Post.
Kommentar: Henry Kissinger, der in den USA ungefähr dieselbe Rolle spielt wie in Deutschland sein Freund Helmut Schmidt, schreibt eine regelmäßige Kolumne in Newsweek, die manchmal auch von der Washington Post übernommen wird. Seine Kommentare sind stets in der zurückhaltenden Sprache des Professors und langjährigen Diplomaten formuliert; aber seine Kritik kann deshalb nicht weniger vernichtend sein.
Das Zitat enthält die ersten und die letzten Sätze der heutigen Kolumne. Aus ihnen spricht Kissingers Sorge, daß Präsident Obama den Irak verspielt; mit unabsehbaren Konsequenzen nicht nur für die Region, sondern für die Weltpolitik. Im Kern sagt Kissinger nichts anderes, als daß Obama die Dinge im Irak schleifen läßt; daß er offenbar dessen Bedeutung überhaupt nicht verstanden hat.
Für jedes kritische Land der Welt, schreibt Kissinger, hat Obama einen Sondergesandten ernannt. Nicht für den Irak.
Warum ist der Irak aus der Sicht Kissingers kritisch?
Erstens, weil Mesopotamien, am Schnittpunkt zwischen Kulturen und Reichen gelegen, seit Jahrtausenden das strategische Zentrum der Region ist. Es könne doch nicht im amerikanischen Interesse sein, schreibt Kissinger, dort ein machtpolitisches Vakuum entstehen zu lassen.
Zweitens werde es für den Krieg gegen die Dschihadisten von entscheidender Bedeutung sein, ob der Abzug der USA als der Rückzug von Besiegten gesehen wird; oder aber als der Wechsel zu einer anderen, jetzt effektiveren Strategie, mit dem Ziel, den Irak auf Dauer zu halten.
Sollte die fragile irakische Demokratie scheitern und sollten radikale Schiiten an die Macht kommen, dann werde ein schiitischer Machtblock entstehen, der vom Iran über den Irak bis in den Libanon reicht, wo - so Kissinger - die Hisbollah bereits jetzt einen Staat im Staate bildet. Das wäre eine unmittelbare Bedrohung für die Golfstaaten, für Saudi-Arabien, für den Libanon.
Gewiß, das sind Überlegungen, die jeder ein wenig informierte Zeitungsleser anstellen kann.
Wenn dennoch Kissinger mit seiner ganzen Autorität das formuliert, was eigentlich auf der Hand liegt, dann offenbar deshalb, weil er erkannt hat, daß es für Obama und das State Department eben keineswegs auf der Hand liegt.
Sowohl Barack Obama als auch die Außenministerin Clinton - das möchte ich zu Kissingers Kommentar hinzufügen - waren ihr Leben lang Innenpolitiker, die außenpolitische Themen stets nur unter dem Gesichtspunkt gesehen haben, wie sie auf den amerikanischen Wähler wirken.
Aus innenpolitichen Gründen wollten beide einen schnellen Abzug aus dem Irak; koste es, was es wolle (siehe Präsident Obama gratuliert dem Irak zu den Wahlen. Grund, an den Gesetzentwurf des Senators Obama vom 30. Januar 2007 zu erinnern; ZR vom 1. 2. 2009).
Innenpolitisch spielt der Irak heute, anders als der Nahostkonflikt und Afghanistan, keine Rolle mehr. Er ist aus den Schlagzeilen verschwunden.
Also interessiert er den populistischen Präsidenten und seine Außenministerin nicht; jene Hillary Clinton, die während der Primaries auf die Frage nach ihren außenpolitischen Erfahrungen geantwortet hat, sie sei in Nordirland, in Mazedonien, in Bosnien und in China in politischer Mission unterwegs gewesen.
Aber es handelte sich nur um Kurzreisen, auf die sie ihr Mann, der Präsident, geschickt hatte. In Nordirland sprach sie Frauengruppen Mut zu, die für den Frieden eintraten. In China ermahnte sie die Regierung, die Rechte von Frauen zu achten. Als sie in Mazedonien eintraf, hatte das Land seine Grenze gerade für bosnische Flüchtlinge geöffnet; jetzt im Wahlkampf rühmte sie sich, das "verhandelt" zu haben. In Bosnien war sie gerade einen Tag, zusammen mit einer Schauspielerin und ihrer Tochter Chelsea.
So vorbereitet, trat sie das Amt an, das einmal Henry Kissinger innegehabt hatte. Man kann verstehen, daß diesen, - inzwischen fast 87 Jahre alt - die Sorge um sein Erbe und dasjenige seiner Nachfolger plagt; die Sorge darum, was unter den Händen von Barack Obama und Hillary Clinton aus der Außenpolitik der USA werden wird.
America needs to remain an active diplomatic player. Its presence must be perceived to have some purpose beyond withdrawal. An expression of political commitment to the region is needed. In executing an exit strategy, we must make sure that strategy remains linked to exit.
(In einer State of the Union- Ansprache von 71 Minuten brachte es Präsident Obama auf nicht mehr als 101 hingeworfene Wörter zum Irak. Während ihrer gesamten Amtszeit schreckte die Regierung davor zurück, die geostrategische Bedeutung des Irak und speziell Amerikas Beziehung zu ihm zu diskutieren. (...)
Amerika muß im diplomatischen Spiel aktiv bleiben. Seine Anwesenheit muß einen Zweck haben, außer dem des Abzugs. Es ist erforderlich, das Engagement in dieser Region zum Ausdruck zu bringen. Wenn wir eine Strategie des Abzugs umsetzen, müssen wir deutlich machen, daß es zwischen Abzug und Strategie einen Zusammenhang gibt.)
Henry Kissinger heute in der Washington Post.
Kommentar: Henry Kissinger, der in den USA ungefähr dieselbe Rolle spielt wie in Deutschland sein Freund Helmut Schmidt, schreibt eine regelmäßige Kolumne in Newsweek, die manchmal auch von der Washington Post übernommen wird. Seine Kommentare sind stets in der zurückhaltenden Sprache des Professors und langjährigen Diplomaten formuliert; aber seine Kritik kann deshalb nicht weniger vernichtend sein.
Das Zitat enthält die ersten und die letzten Sätze der heutigen Kolumne. Aus ihnen spricht Kissingers Sorge, daß Präsident Obama den Irak verspielt; mit unabsehbaren Konsequenzen nicht nur für die Region, sondern für die Weltpolitik. Im Kern sagt Kissinger nichts anderes, als daß Obama die Dinge im Irak schleifen läßt; daß er offenbar dessen Bedeutung überhaupt nicht verstanden hat.
Für jedes kritische Land der Welt, schreibt Kissinger, hat Obama einen Sondergesandten ernannt. Nicht für den Irak.
Warum ist der Irak aus der Sicht Kissingers kritisch?
Erstens, weil Mesopotamien, am Schnittpunkt zwischen Kulturen und Reichen gelegen, seit Jahrtausenden das strategische Zentrum der Region ist. Es könne doch nicht im amerikanischen Interesse sein, schreibt Kissinger, dort ein machtpolitisches Vakuum entstehen zu lassen.
Zweitens werde es für den Krieg gegen die Dschihadisten von entscheidender Bedeutung sein, ob der Abzug der USA als der Rückzug von Besiegten gesehen wird; oder aber als der Wechsel zu einer anderen, jetzt effektiveren Strategie, mit dem Ziel, den Irak auf Dauer zu halten.
Sollte die fragile irakische Demokratie scheitern und sollten radikale Schiiten an die Macht kommen, dann werde ein schiitischer Machtblock entstehen, der vom Iran über den Irak bis in den Libanon reicht, wo - so Kissinger - die Hisbollah bereits jetzt einen Staat im Staate bildet. Das wäre eine unmittelbare Bedrohung für die Golfstaaten, für Saudi-Arabien, für den Libanon.
Gewiß, das sind Überlegungen, die jeder ein wenig informierte Zeitungsleser anstellen kann.
Wenn dennoch Kissinger mit seiner ganzen Autorität das formuliert, was eigentlich auf der Hand liegt, dann offenbar deshalb, weil er erkannt hat, daß es für Obama und das State Department eben keineswegs auf der Hand liegt.
Sowohl Barack Obama als auch die Außenministerin Clinton - das möchte ich zu Kissingers Kommentar hinzufügen - waren ihr Leben lang Innenpolitiker, die außenpolitische Themen stets nur unter dem Gesichtspunkt gesehen haben, wie sie auf den amerikanischen Wähler wirken.
Aus innenpolitichen Gründen wollten beide einen schnellen Abzug aus dem Irak; koste es, was es wolle (siehe Präsident Obama gratuliert dem Irak zu den Wahlen. Grund, an den Gesetzentwurf des Senators Obama vom 30. Januar 2007 zu erinnern; ZR vom 1. 2. 2009).
Innenpolitisch spielt der Irak heute, anders als der Nahostkonflikt und Afghanistan, keine Rolle mehr. Er ist aus den Schlagzeilen verschwunden.
Also interessiert er den populistischen Präsidenten und seine Außenministerin nicht; jene Hillary Clinton, die während der Primaries auf die Frage nach ihren außenpolitischen Erfahrungen geantwortet hat, sie sei in Nordirland, in Mazedonien, in Bosnien und in China in politischer Mission unterwegs gewesen.
Aber es handelte sich nur um Kurzreisen, auf die sie ihr Mann, der Präsident, geschickt hatte. In Nordirland sprach sie Frauengruppen Mut zu, die für den Frieden eintraten. In China ermahnte sie die Regierung, die Rechte von Frauen zu achten. Als sie in Mazedonien eintraf, hatte das Land seine Grenze gerade für bosnische Flüchtlinge geöffnet; jetzt im Wahlkampf rühmte sie sich, das "verhandelt" zu haben. In Bosnien war sie gerade einen Tag, zusammen mit einer Schauspielerin und ihrer Tochter Chelsea.
So vorbereitet, trat sie das Amt an, das einmal Henry Kissinger innegehabt hatte. Man kann verstehen, daß diesen, - inzwischen fast 87 Jahre alt - die Sorge um sein Erbe und dasjenige seiner Nachfolger plagt; die Sorge darum, was unter den Händen von Barack Obama und Hillary Clinton aus der Außenpolitik der USA werden wird.
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