11. Februar 2010

Zitat des Tages: "Eines der reichsten Länder in der Geschichte der Menschheit". Deutschland - Vormacht Europas, weltpolitischer Spieler?

Even after its disastrous defeats in the first half of the 20th century, Germany remains Europe’s largest state in terms of population and economic size; the frantic mindset that drove the Germans so hard before 1948 didn’t simply disappear. Instead of German energies being split between growth and defense, a demilitarized Germany could — indeed, it had to — focus all its power on economic development. The result was modern Germany — one of the richest, most technologically and industrially advanced states in human history.

(Auch nach seinen vernichtenden Niederlagen in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts bleibt Deutschland nach Bevölkerung und Umfang der Wirtschaft der größte Staat Europas; die geistige Hektik, die Deutschland vor 1948 [gemeint: 1945] so heftig antrieb, verschwand nicht einfach. Die Energien Deutschlands teilten sich jetzt nicht mehr zwischen Wachstum und Verteidigung auf. Ein abgerüstetes Deutschland konnte alle seine Kräfte auf die wirtschaftliche Entwicklung konzentrieren; ja es mußte das tun. Das Ergebnis war das moderne Deutschland - einer der reichsten, technologisch und industriell am höchsten entwickelten Staaten in der Geschichte der Menschheit).

Marko Papic und Peter Zeihan am vergangenen Montag in dem Informationsdienst Stratfor.


Kommentar: Es ist für uns Deutsche mit unserer Neigung zur German angst, zu Untergangsszenarien und apokalyptischen Vorstellungen aller Art, vielleicht therapeutisch ganz hilfreich, gelegentlich zur Kenntnis zu nehmen, wie uns die anderen sehen.

Das Zitat stammt aus einem Artikel, in dem es hauptsächlich um die Krise Griechenlands geht. Die Autoren weisen dabei Deutschland eine Schlüsselrolle zu:
Es könnte Griechenland seinem Schicksal überlassen, also dem Staatsbankrott. Das, meinen Papic und Zeihan, wäre das ökonomisch Vernünftige.
Aber es würde auch zu eine schweren Krise der EU führen; und diese müsse Deutschland vermeiden, denn es sei auf die EU angewiesen, wenn es in der Weltpolitik mitmischen wolle:
Germany knows that the geopolitical writing is on the wall: As powerful as it is, as an individual country (or even partnered with France), Germany does not approach the power of the United States or China and even that of Brazil or Russia further down the line. (...) The only way for Germany to matter is if Europe as a whole matters.

Deutschland kennt die geopolitische Schrift an der Wand: So mächtig es ist, kann es doch als ein einzelnes Land (oder auch mit Frankreich als Partner) nicht an die Macht der Vereinigten Staaten oder Chinas heranreichen; nicht einmal an die von Brasilien oder Rußland auf nachfolgenden Positionen. (...) Deutschland zählt nur dann, wenn ganz Europa zählt.
Wer hätte das gedacht, daß Deutschlands Macht nicht an die der USA und Chinas heranreicht? Daß Autoren meinen, das betonen zu müssen, zeigt, wie herausgehoben sie die Rolle Deutschlands sehen.

Deutschland, meinen sie, hätte die Finanzkraft, um Griechenland zu retten (sie verwenden das Wort bailout). Es werde dadurch "mit dem Scheckbuch das erreichen, was es mit dem Schwert nicht erreichen konnte": eine europäische Vormachtstellung. Das werde freilich teuer werden aber:
That is the cost of making Europe "work." It is also the cost to Germany of leadership that doesn’t come at the end of a gun. So if Germany wants its leadership to mean something outside of Western Europe, it will be forced to pay for that leadership — deeply, repeatedly and very, very soon. But unlike in years past, this time Berlin will want to hold the reins.

Das ist der Preis, um Europa zum "Funktionieren" zu bringen. Es ist für Deutschland auch der Preis einer Führungsrolle, die nicht aus dem Gewehrlauf kommt. Wenn also Deutschland will, daß seine Führung auch außerhalb von Westeuropa etwas bedeutet, dann wird es gezwungen sein, für diese Führerschaft zu bezahlen - hoch, wiederholt und sehr, sehr bald. Aber anders als in vergangenen Jahren wird Berlin die Zügel in der Hand halten wollen.
Nicht wahr, eine solche Sicht auf Deutschland kann uns Deutsche schon ein wenig schwindlig machen? Wir sehen uns ja immer noch gern als eine Art größere Schweiz; ein Land, das allen Machtansprüchen entsagt hat und sich aus dem Spiel der Mächtigen bescheiden heraushält. Nur nimmt man uns das im Ausland nicht ab.



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