Kommentar: Gestern Abend konnte man die restaurierte Fassung von Fritz Langs "Metropolis" sehen. Tausende Berliner sahen sie bibbernd auf der Großleinwand vor dem Brandenburger Tor. Die Privilegierten saßen im Friedrichstadt- Palast, wo die Filmmusik von dem exzellenten Berliner Radio- Sinfonieorchester gespielt wurde, oder in der Alten Oper in Frankfurt. Uns anderen bot "Arte" den Film an.
Welch ein Film! Die bisher bekannte Version war verstümmelt gewesen; man hatte dreißig Minuten herausgeschnitten, um den Film dem Publikum schmackhafter zu machen. Erst die restaurierte Version läßt ganz erkennen, welch ein Meisterwerk dem genialen Fritz Lang 1927 gelungen war.
Ein Zukunftsfilm, ein Katastrophenfilm, ein Actionfilm, ein politischer Film. Ein Film, der manchmal so surrealistisch anmutet, als sei er von Buñuel. Ein Film mit choreografisch gestalteten Massenszenen wie in den Hollywood-Spektakeln der fünfziger und sechziger Jahre. Ich fand ihn beeindruckender als Sergej Eisensteins "Panzerkreuzer Potemkin".
Unglaublich, was Lang keine drei Jahrzehnte nach dem Beginn der Stummfilmzeit da hinbekommen hat. Und verwunderlich eigentlich, wie wenig seither künstlerisch hinzugekommen ist, bei aller technischer Perfektionierung.
Und die Handlung? Nun ja. Sie spiegelt - das Drehbuch schrieb Thea von Harbou - den Zeitgeist wider; den Geist einer Zeit, in der Ernst Jünger sein Werk "Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt" schrieb. Man sah die Massengesellschaft heraufziehen, die vollindustrialisierte Produktion. Oswald Spengler hatte ein Zeitalter der "Cäsaren" vorhergesagt; von Alleinherrschern über eine totalitär strukturierte Gesellschaft.
Das stellt der Film dar. Wie immer wird einer solchen düsteren Vision das Aufbegehren des Einzelnen entgegengestellt. Hier endet es in einer - der mit Abstand schlechtesten - Szene des Films, in der ein Romeo aus der Oberschicht nicht nur seine Julia aus der Arbeiterschaft bekommt, sondern wo die beiden bei dieser Gelegenheit auch gleich noch die Gesellschaft in Gestalt der jeweiligen Protagonisten versöhnen. Den Ober- Arbeiter spielt Heinrich George, wuchtig und ganz ohne die Attitüde eines Helden der Arbeiterklasse.
Die Restaurierung wurde teils aus öffentlichen Mitteln finanziert. Das ist, hoffe ich, ein Grund, den Film nicht nur dem kleinen Publikum von Arte zugänglich zu machen, sondern ihn demnächst auch in der ARD oder im ZDF zu zeigen.
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Das Standfoto aus dem Film zeigt Brigitte Helms als den von Rotwang erschaffenen Homunkulus "Maria". Vom Inhaber der Rechte in die Public Domain gestellt.