18. Februar 2010

Marginalie: Fällt die Preisbindung für Bücher? Und macht Amazon Bücher eigentlich billiger oder teurer?

Manchmal sind die Kommentare zu einem Artikel lesenswerter als dieser selbst.

In FAZ.Net schreibt heute Hannes Hintermeier über die Preisbindung für Bücher und deren Gefährdung. Der aktuelle Anlaß ist der Fall des Buchhändlers Erich Wienecke, Inhaber der Buchhandlung Schopf in Brunsbüttel. Dieser hat gerade in erster Instanz beim Landgericht Hamburg einen Prozeß gegen Amazon gewonnen; es ging um Verstöße gegen die Preisbindung.

Hannes Hintermeier sieht dies als Beispielfall für ein allgemeines Problem:
Es geht bei der Auseinandersetzung um jene Glut, die jederzeit zu einem Flächenbrand werden kann: Ähnlich wie beim Urheberrecht herrscht bei der Preisbindung in Zeiten der Gratis- Netzkultur der Eindruck vor, man habe es mit Auslaufmodellen zu tun, es sei nur noch eine Frage der Zeit, bevor sie verschwänden.
Gut möglich. Die allgemeine "Preisbindung der zweiten Hand" (der Hersteller schreibt den Verkaufspreis für seine Ware vor) wurde 1974 deshalb verboten, weil sie faktisch bereits durchlöchert war. Bei Büchern ist sie nicht nur weiter erlaubt, sondern seit 2002 sogar gesetzlich vorgeschrieben. Damit soll das Buch als Kulturgut geschützt werden. Aber wenn er ohnehin nicht mehr durchzuhalten ist, wird auch dieser Schutz vielleicht demnächst fallen.

Ich will hier nicht das Für und Wider dieser Preisbindung diskutieren; siehe dazu Ab Montag wird der Kindle nach Deutschland ausgeliefert; ZR vom 17. 10. 2009 und insbesondere die Diskussion dazu in "Zettels kleinem Zimmer". Ich möchte aber auf einen Aspekt des Themas aufmerksam machen, der bisher wenig beachtet wurde: Führt eigentlich das Auftreten großer Anbieter wie Amazon mit deren, sagen wir, großzügiger Haltung zur Preisbindung zur Verbilligung von Büchern?

Auf den ersten Blick scheint das offensichtlich zu sein. Die jetzigen gebundenen Preise entsprechen dem, was auch dem kleinen Sortimenter in Wolfratshausen oder Brunsbüttel noch sein Auskommen sichert. Bilden sich die Preise aber im freien Wettbewerb, dann werden sie sich in Richtung auf das bewegen, was für Amazon noch profitabel ist. Für den kleinen Sortimenter aber nicht mehr; der also ebenso aufgeben muß wie einst die Tante- Emma- Läden, als die großen Ketten den Markt für Lebensmittel zu bestimmen begannen. Das ist, so lautet das Standard- Argument, zwar schlecht für ihn, aber gut für den Kunden.

Die Sache hat aber auch eine andere Seite; und von ihr handelt der Kommentar zu dem Artikel von Hannes Hintermeier, dessentwegen ich diese Marginalie hauptsächlich schreibe.



Dieser Kommentar stammt von André Thiele, Inhaber des gleichnamigen Verlags. Sie finden ihn als Lesermeinung unter dem 17. Februar, 23.11 Uhr. Thiele schreibt:
Mein Kleinverlag könnte seine Bücher zumeist um 20 % billiger anbieten, wenn Amazon nicht wäre. Denn Amazon verlangt von mir 55 % Rabatt statt den im Buch- und Zwischenhandel üblichen 30 bis 40 %.

Zu den 55 % kommt noch der Versand hinzu. Und: Amazon bestellt, bei mir, nicht in Hunderter- oder wenigstens in Zehnereinheiten, sondern gern in Einzelstücken, manchmal mehrmals pro Woche, das muss jedesmal einzeln verschickt werden. Wir sind dann schnell bei weiteren 10 % "Rabatt".

Rechnet man zerlesene Retouren und "Verluste" im Amazon-Lager ein, steigt der "Rabatt" weiter.

Von dem, was Sie bei Amazon bezahlen, kommt bei meinem Verlag deutlich weniger als ein Drittel an. Davon sind dann Herstellung, Druck und - der Autor zu bezahlen. Nun wissen Sie, warum die Buchpreise unaufhaltsam steigen. Amazon bietet Ihnen einen guten Service - aber Sie sollten wissen, was der Sie kostet: Viel Geld.
Mir kommt diese Argumentation schlüssig vor. Anbieter wie Amazon mögen den gebundenen Preis unterbieten. Aber das schließt ja nicht aus, daß sie diesen gebundenen Preis durch ihr Geschäftsgebaren erst einmal in die Höhe treiben.

Übrigens: Ein Versender mit einem ähnlich umfassenden Angebot wie Amazon und einem nach meinen Erfahrungen noch besseren Service ist Libri.de, das mit den Sortimentern zusammenarbeitet.

Man kann dort als Kunde von den Vorteilen einer Bestellung im Internet Gebrauch machen und doch beispielsweise sein Buch wie gewohnt beim Buchhändler abholen, um vielleicht ein kleines literarisches Schwätzchen zu machen. Aber natürlich liefert Libri.de auch zu ebenso günstigen Konditionen wie Amazon direkt ins Haus.



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