18. November 2008

Zitat des Tages: "Alter schützt nicht vor Tod". Über den Zustand der SPD. Nebst einer Anmerkung über Kolumnisten

Die SPD befindet sich in einer existenzbedrohenden Krise. Sie redet sich gerne ein, dass sie schon deshalb immer weiter bestehen wird, weil sie doch anderthalb Jahrhunderte alt ist, mithin die älteste und ehrwürdigste Partei des Landes sei. Doch die Lebenserfahrung lehrt: Alter schützt nicht vor Tod. Im Gegenteil.

Christoph Schwennicke, Redakteur im Hauptstadt- Büro des gedruckten "Spiegel", heute in "Spiegel- Online" über den Zustand der SPD.

Kommentar: Auf diesen Artikel möchte ich aus drei Gründen aufmerksam machen.

Erstens gibt er eine präzise, auch historisch fundierte Analyse des Zustands der SPD. Eines Zustands, der kein momentaner ist, sondern das Ergebnis des allmählichen Vormarschs der Linken, die heute in der SPD keine Minderheit mehr ist, sondern ungefähr die Hälfte der Partei ausmachen dürfte; auf der Funktionärsebene vermutlich mehr. Die SPD umfaßt heute zwei Parteien unter dem Dach einer gemeinsamen Organisation.

Zweitens paßt Schwennickes Artikel zu dem, was ich gestern hier über den Zustand der französischen Bruderpartei der SPD, der Parti Socialiste, geschrieben und in "Zettels kleinem Zimmer" kommentiert habe. Eine sozialdemokratische Partei - das zeigt die Parti Socialiste exemplarisch - kann nicht zugleich zum Bündnis mit der Mitte und zu einer Volksfront gemeinsam mit den Kommunisten bereit sein. Sie kann nicht zugleich den Kapitalismus verbessern und ihn abschaffen wollen.

Die SPD ist im Begriff, sich exakt in dasselbe Dilemma hineinzubegeben. Solange sich die deutschen, solange sich die französischen Sozialdemokraten nicht entschieden haben, ob ihre Partner die Kommunisten oder aber Parteien der Mitte sind, wird es auf beiden Seiten des Rheins mit der Sozialdemokratie weiter abwärts gehen. Ob danach wieder aufwärts, ist freiich eine andere Frage.



Drittens möchte ich auf Schwennickes Aufsatz aus einem ganz anderen Grund hinweisen: Er ist ein Musterbeispiel für die Publikationsform der Kolumne, die in den USA weit verbreitet, bei uns aber unterentwickelt ist.

Nicht ein Kommentar, wie man ihn in der deutschen Presse kennt, in dem jemand einfach seine Meinung aufschreibt. Kein um Objektivität bemühter (jedenfalls an diesem Anspruch zu messender) Artikel aus dem Nachrichtenteil. Sondern eine Analyse; eine Argumentation, meist um eine einzige zentrale Idee herum entwickelt und mit Fakten belegt, Fakten ordnend.

In den USA haben alle großen Tageszeitungen, alle Nachrichtenmagazine Kolumnisten, die regelmäßig dort schreiben. Lesern von ZR sind zwei von ihnen bekannt, die ich immer wieder einmal zitiere: Jonah Goldberg, der in der Los Angeles Times heute über Obamas "experimentelle Regierung" schreibt und vor allem Charles Krauthammer, dessen aktuelle Kolumne in der Washington Post sich mit den Risiken einer Rettung der Autoindustrie befaßt.

Solche Kolumnisten sind einflußreiche Leute, die gründlich für ihre Kolumnen recherchieren, die für die Politiker begehrte Partner für Hintergrund- Gespräche sind. Warum haben wir so etwas nicht in Deutschland?



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