13. November 2008

Zitat des Tages: Mehr als zwei Drittel gaben Betrug zu. Warum Copy and Paste im Studium kein Kavaliersdelikt ist

Eine lockere Umfrage der Zeitschrift "Varsity" unter gut eintausend Studenten an der Universität Cambridge will herausgefunden haben, jeder zweite davon greife zuweilen unausgewiesenermaßen auf fremde Textbausteine aus Netzwerken wie Facebook und Myspace zurück. Sätze aus Wikipedia in eigene Werke hineinkopiert hätten mehr als zwei Drittel der Befragten. Dem stehe eine Entdeckungsquote von fünf Prozent gegenüber. Die höchste Zustimmung hat das Plagiieren in Cambridge offenbar unter Studenten der Rechtswissenschaft.

Jürgen Kaube in der heutigen FAZ unter der Überschrift "Wer abschreibt, fliegt raus". Anlaß für den Artikel ist eine geplante Verschärfung des Hochschulrechts in Baden- Württemberg. Bisher wurde Betrug bei einer Prüfung so behandelt, als sei die Prüfung nicht bestanden; sie konnte also wiederholt werden. Künftig soll bereits ein einziger aufgedeckter Betrugsversuch zur Exmatrikulation führen können.

Kommentar: Ich erinnere mich an ein Vorkommnis vor Jahrzehnten, in der Zeit lange vor dem Internet, als ich meine ersten Erfahrungen an einer Hochschule sammelte. Eine Studentin kam weinend zu mir: Sie sei sich sicher, in der Klausur die Fragen richtig beantwortet zu haben, sei aber durchgefallen. Ich solle doch bitte ihre Klausur nachprüfen.

Das tat ich. Es war eine Multiple- Choice- Klausur, und ihre Trefferzahl lag ziemlich genau auf dem Zufallsniveau.

Ich hatte, um das Abschreiben zu erschweren, zwei Versionen der Klausur angefertigt, die sich nur in der Reihenfolge der Fragen unterschieden. Studenten, die benachbart saßen, hatten jeweils verschiedene Versionen.

Als ich nun die Antworten der betreffenden Studentin genauer untersuchte, stellte sich heraus, daß sie in der Tat richtig geantwortet hatte - nur nicht auf ihre Version, sondern auf die andere! Legte man die Schablone für die andere Version auf ihre Antworten, dann hatte sie eine fehlerlose Klausur abgeliefert.

War sie so dumm gewesen, einfach von ihrem Nachbarn abzuschreiben? Nein. Das konnte schon deswegen nicht sein, weil niemand anders alle Fragen richtig beantwortet hatte.

Diese Studentin wurde später selbst Wissenschaftlerin, und als wir uns einmal begegneten, hat sie mir gestanden, was damals passiert war: Sie hatte zu einer Mogel- Truppe gehört, die sich die richtigen Antwort besorgt hatte. Und bei deren Verteilung hatte sie nicht aufgepaßt und die Antworten der falschen Gruppe bekommen.



Ich habe zum Abschreiben im Studium ein gespaltenes Verhältnis. Jeder von uns hat in der Schule abgeschrieben. Warum also nicht auch an der Uni?

In gewisser Weise sehe ich das Ganze als einen sportlichen Wettbewerb zwischen den Studenten und den Lehrenden. Wenn es jemandem gelingt, zu mogeln, dann waren die Kontrollen schlecht. Notfalls muß man sich eben die Mühe machen, besser zu kontrollieren.

Ich habe einmal einen halben Tag in der Uni- Bibliothek verbracht, bis ich das Buch gefunden hatte, aus dem jemand ganze Passagen ohne Quellenangabe in seine Diplomarbeit übernommen hatte. Mich hatte einfach geärgert, daß er mich für so dumm hielt, das nicht zu merken. Der Stil stimmte nicht; aber das reicht ja nur für einen Verdacht. Also habe ich gesucht.

Das ist die eine Seite. Die andere ist aber, daß die Universität eben keine Schule ist. Studierende sollen auch lernen, wissenschaftlich zu arbeiten. Und in der Wissenschaft ist nun mal das Plagiat eine Todsünde; wie auch in der Literatur.

Warum? Weil Wissenschaft wie Literatur von Originalität leben. Etwas zu sagen ist nur dann eine Leistung, solange es ein anderer nicht schon zuvor gesagt hat. Ein Plagiat bedeutet nicht nur "sich mit fremden Federn zu schmücken", wie man gern sagt. Sondern es bedeutet, die Grundlage der Wissenschaft zu unterhöhlen.

Es gibt für jede Berufsgruppe bestimmte Grundregeln, die unter allen Umständen zu befolgen sind. Ein Arzt darf seinem Patienten nicht schaden. Ein Notar darf nicht wissentlich falsch beurkunden. Ein Wissenschaftler darf nicht Daten fälschen und nicht plagiieren.

Deshalb hört aus meiner Sicht der Spaß spätestens bei der Diplomarbeit oder sonstigen Abschlußarbeiten auf. Sie sollen der Nachweis der Fähigkeit zum wissenschaftlichen Arbeiten sein. Wenn jemand plagiiert, dann hat er nachgewiesen, daß er zu wissenschaftlichem Arbeiten unfähig ist; denn er hat dessen Grundlage nicht verstanden. Das Nichtbestehen der Prüfung ist da eine unzureichende Bestrafung. Zwangsexmatrikulation ist richtig.

Und noch ein Zitat aus dem Artikel von Jürgen Kaube, hoffentlich kein Plagiat: "Wenn ich einen korrekten deutschen Satz in einer Seminararbeit finde, dann googele ich den". Sagte eine deutsche Germanistin.



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