4. November 2008

Der 44. Präsident der USA (28): Wie hoch hat Obama gewonnen? Warum hat er gewonnen? Wer hat ihn gewählt?

Spannend ist diese Wahl seit Wochen nicht mehr, wenn man die Spannung darauf bezieht, wer der 44. Präsident der USA werden wird. Daß er Barack Obama heißen wird, ist seit fünf Wochen wahrscheinlich; und heute vor genau vier Wochen habe ich es als so gut wie sicher angesehen. Sicher nämlich, wenn nicht ein ganz unerwartetes Ereignis eingetreten wäre. Es gab kein solches Ereignis.

Um Obamas Sieg geht es also schon lange nicht mehr. Spannend erscheinen mir aber diese drei Fragen:
  • Wem wird Obama seinen Sieg zu verdanken haben? Sind es nur die immer wieder genannten Gruppen der Schwarzen, der Latinos und der Jungen? Wird andererseits McCain wenigstens bei "seinen" Wählern eine Mehrheit erreichen, den weißen Männern?

  • Wie hoch wird Obamas Sieg ausfallen, und wie hoch vor allem der Sieg der Demokraten bei den Wahlen zum Kongreß? (In der deutschen Berichterstattung geht das ja ein wenig unter; auch hier in ZR: Das gesamte Repräsentantenhaus wird gewählt, dazu rund ein Drittel der Senatoren).

  • Warum wird Obama gewinnen? Welches sind die Themen, die für die Wähler wichtig waren, und welche haben sich zugunsten des einen oder des anderen Kandidaten ausgewirkt?
  • Aktuelle Informationen zu diesen drei Fragen werde ich hier geben, während sich die Wahl- Berichterstattung in den USA entwickelt.



    O Uhr:

    1. Die Wahlen sind durch das Thema Wirtschaft entschieden worden. CNN hat soeben Daten seines Exit Poll gezeigt, wonach dieses Thema für 62 Prozent ausschlaggebend gewesen ist. Es folgten Irak mit 10 Prozent und Terrorismus sowie Krankenversicherung mit je 9 Prozent.

    In der ersten Folge der Serie "Der 44. Präsident der USA habe ich dazu am 4. Juni geschrieben:
    McCains Erfolg wird sich daran entscheiden, ob es ihm gelingt, als wirtschaftspolitisch kompetenter wahrgenommen zu werden als Obama. Im Augenblick ist das noch nicht so.
    Es ist zu keinem Zeitpunkt so gewesen. Als McCain nach der Nominierung von Sarah Palin auf einem sehr erfolgreichen Parteitag zeitweilig in Führung lag, war das Thema "Wirtschaft" etwas in den Hintergrund getreten. Mit dem Ausbruch der Finanzkrise wurde es zum absoluten Thema Nummer eins, und damit stand Obamas Sieg so gut wie fest.

    2. Die Erstwähler haben Obama gewählt. Und zwar (ebenfalls laut CNN; wenn ich es nicht anders angebe, ist meine Quelle CNN) mit der schier unglaublichen Mehrheit von 77 Prozent.



    1 Uhr:

    3. Die ersten Staaten haben ihren Sieger. Noch nicht zu Ende ausgezählten, aber "called" von CNN: Vermont geht an Obama, Kentucky an McCain. Beides keine Überraschungen.

    4. Zwei demographische Überraschungen. Selbst bei denjenigen mit einem Jahreseinkommen von mehr als 100.000 Dollar liegt Obama (52 Prozent) vorn. Und bei den evangelikalen Weißen erreicht McCain zwar 72 Prozent; aber trotz Palin sind das weniger als die 78 Prozent, die Bush vor vier Jahren erreichte.

    5. Und noch etwas zur Wirtschaft. 93 Prozent beurteilen die momentane Wirtschaftslage als schlecht oder sehr schlecht. Aber 47 Prozent erwarten für die kommende Zeit eine Verbesserung, nur 23 Prozent eine weitere Verschlechterung. Da ist er wieder, der amerikanische Optimismus.



    2 Uhr:

    6. Zu Erwartendes. MSNBC hat für Kentucky und Vermont die Prognosen von CNN bestätigt. Zwei sichere rote Staaten sind an McCain gegangen (Prognose von CNN): Oklahoma und Tennessee. Acht blaue Staaten sind an Obama gegangen: Massachusetts, Illinois, Connecticut, New Jersey, Maine, Delaware, Maryland und der District of Columbia.

    Zu Maine ist anzumerken, daß Obama drei von vier Elektorenstimmen erhalten hat. Es ist neben Nebraska einer von zwei Staaten, der die Elektoren auf die Kandidatn aufteilt; wieder einmal ein Beispiel dafür, wieviel Freiheit die Bundesstaaten in den USA haben.

    6. Alles paletti für Obama. In den Staaten, in denen ausgezählt wird und bei denen die Ergebnisse noch "too close to call" oder "too early to call" sind, liegt Obama überall gut im Rennen. In Indiana zum Beispiel hat er fast durchweg in den bisher ausgezählten Wahlbezirken besser abgeschnitten als vor vier Jahren Kerry.

    7. Noch kein knapper Staat ist entschieden. Nicht Virginia, nicht Indiana, nicht Florida. Natürlich erst recht nicht die weiter im Westen, die noch gar nicht die Wahllokale geschlossen haben. Über die Höhe des Siegs von Obama ist also bisher noch nichts zu sagen.



    3 Uhr:

    8. Jetzt wird es kritisch für McCain. New Hampshire geht an Obama. McCain hatte es zu gewinnen gehofft. Es ging nicht knapp an Obama, sondern mit fliegenden Fahnen. Sogar bei den Männern hat Obama eine knappe Mehrheit.

    New Hampshire ist ein High-Tech-Staat. Wenn dort Obama bei den Männern eine Mehrheit holt, dann dürfte er einen erheblichen Teil der technischen Intelligenz für sich gewonnen haben.

    Pennsylvania ist ebenfalls laut CNN an Obama gegangen. Ein Staat mit einem hohen Anteil von Arbeitern, der deshalb in den Vorwahlen von Hillary Clinton erobert wurde. McCain hatte sich große Hoffnungen gemacht, diese Hillary- Wähler auf seine Seite zu ziehen.

    Es sieht also so aus, als könnte Obama über die Wählregruppen hinaus, die ihm ohnehin zuneigen, auch bei den weißen Arbeitern und den gut ausgebildeten weißen Männern in technischen Berufen gut abschneiden. Das ist ziemlich vernichtend für McCain.

    9. Die Rasse hat keine Rolle gespielt. Nicht nur keine Spur eines Bradley- Effekts, sondern die Rasse scheint überhaupt keine große Rolle gespielt zu haben. Doppelt so viele Befragte sagen, das Alter wäre für ihre Wahlentscheidung wichtig war, wie sagen, daß die Rasse für sie wichtig war. Und unter denen, die Rasse als wichtiges Thema nennen, haben nahezu genauso viele für Obama gestimmt wie unter den anderen!

    10. Trostpreise für McCain. Er hat Georgia gewonnen. In Virginia und Florida ist es noch knapp.

    11. Obama auf der Siegesstraße. Er hat bereits jetzt 174 Elektorenstimmen von den 270, die er braucht - und der Westen hat noch gar nicht das Auszählen begonnen. Er ist so gut wie gewählt.

    12. Und eben hat Obama auch noch Ohio gewonnen. Noch nie ist ein Republikaner Präsident geworden, ohne Ohio zu gewinnen. Obama hat jetzt bereits 194 Elektoren- Stimmen.



    Das Rennen ist also nicht nur gelaufen, sondern ein Teil der Fragen im Titel dieses Artikels sind auch beantwortet:

    Obama wird einen hohen Sieg einfahren, wenn auch vielleicht keinen Erdrutsch erreichen.

    Er verdankt diesen Erfolg ganz wesentlich dem Thema Wirtschaft.

    Und er hat es geschafft, die Hillary- Wähler auf seine Seite zu ziehen. Was vermutlich mit dem Thema Wirtschaft zusammenhängt, denn von ihm versprechen sich gerade die Arbeiter mehr Hilfe vom Staat, falls sie in Schwierigkeiten kommen.

    Na denn, gute Nacht!



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