Als "historisch" hat man bei CNN immer wieder die vergangene Wahlnacht bezeichnet. Und - Politik soll ja auch spannend sein - in einem Countdown jede Stimme eines Superdelegierten, die Obama zusätzlich ergattern konnte, als eine Breaking News gemeldet, eine Unterbrechung für eine Eilmeldung.
Da war offenbar ein regelrechter Run auf Obamas Bandwagon im Gang; ein Kampf sozusagen um die letzten Plätze - wer würde, wenn einmal die Gunst eines Präsidenten Obama über alle scheint, zu denen gehören, die sich noch rechtzeitig zu ihm bekannt haben? (Die tapfere Cindy Nunley aus Wyoming nicht, die just gestern ihre Unterstützung für Hillary Clinton erklärte.)
Und sozusagen als Parallelprogramm zu diesem Countdown wurden die drei großen Reden übertragen: Erst die von John McCain in Lousiana, dann die von Hillary Clinton in ihrem Heimatstaat New York, zuletzt als Höhepunkt die von Barack Obama, der sich in Saint Paul (Minnesota) von fast zwanzigtausend Anhängern in einer Arena feiern ließ; in just jener Arena, in der die Republikaner auf ihrem Parteitag im September John McCain nominieren werden.
Clinton verhielt sich so, wie man es von ihr kennt. Statt ihre Rede zu kommentieren, lade ich dazu ein, diesen, diesen, und diesen Artikel darüber zu lesen, wie sie sich bei früheren Niederlagen verhalten hat. Genauso hat sie sich auch in der vergangenen Nacht verhalten.
McCain und Obama - das ist der interessantere Vergleich. Nicht nur, weil seit dieser Nacht feststeht, daß sie die beiden sind, zwischen denen die Amerikaner am 4. November die Wahl haben werden. Sondern auch, weil man sich einen größeren Gegensatz gar nicht vorstellen kann.
Obama ist ein rhetorisches Phänomen. Fast seinen ganzen Wahlkampf hat er in der Attitüde des Erlösers geführt; mit dem, wie Dennis Prager schrieb, "kindischen" Versprechen, alle Amerikaner zu einen; mit dem Versprechen, nicht nur die Nation zu "heilen", sondern gleich die ganze Welt zu verändern.
Damit hat er den Bandwagon ins Rollen gebracht. Mit diesem Appeal vor allem an die Naiven - also vor allem die Jungen und die religiösen Schwarzen - wurde er zum Front Runner, den Hillary Clinton so wenig einholen konnte wie der Hase den Igel, so verbissen sie auch kämpfte.
Und nun, da er es geschafft hat? Nun wechselt Obama in ein anderes Rollenfach; mit einer Perfektion, angesichts derer ein Chamäleon vor Neid abwechelnd rot und blaß werden könnte. Er ist jetzt der zurückhaltende, realistische Politiker, der verantwortungsvolle Staatsmann.
Er lobte Hillary Clinton über den grünen Klee:
Er hat die Herzen der Naiven erobert. Jetzt wird er sich so von dieser Vergangenheit der Rolle des Heilsbringers lösen, wie er sich kürzlich von seinem alten Mentor, dem Pastor Jeremiah Wright, distanziert hat. Jetzt gilt es für ihn, auch den Verstand der Skeptischen für sich zu gewinnen.
Auch rhetorisch war McCain wieder einmal das fleischgewordene Gegenprogramm zu Obama.
Er sprach nicht in einer Arena vor Tausenden, sondern vor sechshundert Zuhörern in einem Kongreßzentrum. Wie es seine Art ist, sprach er langsam, in einem Singsang, mit einer fast weich zu nennenden Stimme. Er hatte sich wohl vorgenommen, kämpferisch zu klingen. Aber das liegt diesem Mann der Bedachtsamkeit, der Ironie nicht.
Der Beifall kam wie bestellt (was er vermutlich auch war). jedenfalls oft. Manchmal machte McCain auch eine für Klatschen vorgesehene Pause, und nichts kam. Denn die emotionale Wirkung seiner Rede dürfte etwa der eines Vortrags über die Entwicklung der Papierindustrie im 19. Jahrhundert entsprochen haben.
Trotz aller Bemühungen, frisch und aggressiv zu wirken, erschien mir McCain, der dem alten Charlie Chaplin immer ähnlicher wird, wie ein weiser Opa, der aus dem Schatz seiner Erfahrung heraus seine Enkel belehrt. Sehr nett. Aber ob ihn das zum Liebling der Massen macht, der gegen den Populisten Obama bestehen kann, erscheint mir fraglich.
Auch daß das Konzept für den Wahlkampf, das in dieser Rede durchklang, schon ausgereift ist, kann man bezweifeln. Es lautete: Ich, John McCain, bin der Mann des wahren Wechsels. Obama will zurück in die sechziger und siebziger Jahre mit ihrem Glauben an die Heilkraft des Staats. Ich, McCain, will das wirklich Neue, nämlich Vertrauen in die Kraft der Bürger statt der Allmacht des Staats.
Eine mir außerordentlich sympathische Botschaft; unter anderem wegen seiner wirklich liberalen Überzeugungen habe ich Mccain schon favorisiert, als seine Kandidatur noch als fast aussichtslos galt.
Aber trifft er damit die Stimmung einer Mehrheit der Amerikaner? Gerade die republikanisch gesonnene Mittelschicht sieht sich zunehmend in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. Gerade sie könnte für die Flötentöne Obamas anfällig sein; vor allem, falls er Hillary Clinton, die sozial Engagierte, auf sein Ticket nehmen sollte.
McCains Erfolg wird sich daran entscheiden, ob es ihm gelingt, als wirtschaftspolitisch kompetenter wahrgenommen zu werden als Obama. Im Augenblick ist das noch nicht so.
Da war offenbar ein regelrechter Run auf Obamas Bandwagon im Gang; ein Kampf sozusagen um die letzten Plätze - wer würde, wenn einmal die Gunst eines Präsidenten Obama über alle scheint, zu denen gehören, die sich noch rechtzeitig zu ihm bekannt haben? (Die tapfere Cindy Nunley aus Wyoming nicht, die just gestern ihre Unterstützung für Hillary Clinton erklärte.)
Und sozusagen als Parallelprogramm zu diesem Countdown wurden die drei großen Reden übertragen: Erst die von John McCain in Lousiana, dann die von Hillary Clinton in ihrem Heimatstaat New York, zuletzt als Höhepunkt die von Barack Obama, der sich in Saint Paul (Minnesota) von fast zwanzigtausend Anhängern in einer Arena feiern ließ; in just jener Arena, in der die Republikaner auf ihrem Parteitag im September John McCain nominieren werden.
Clinton verhielt sich so, wie man es von ihr kennt. Statt ihre Rede zu kommentieren, lade ich dazu ein, diesen, diesen, und diesen Artikel darüber zu lesen, wie sie sich bei früheren Niederlagen verhalten hat. Genauso hat sie sich auch in der vergangenen Nacht verhalten.
McCain und Obama - das ist der interessantere Vergleich. Nicht nur, weil seit dieser Nacht feststeht, daß sie die beiden sind, zwischen denen die Amerikaner am 4. November die Wahl haben werden. Sondern auch, weil man sich einen größeren Gegensatz gar nicht vorstellen kann.
Obama ist ein rhetorisches Phänomen. Fast seinen ganzen Wahlkampf hat er in der Attitüde des Erlösers geführt; mit dem, wie Dennis Prager schrieb, "kindischen" Versprechen, alle Amerikaner zu einen; mit dem Versprechen, nicht nur die Nation zu "heilen", sondern gleich die ganze Welt zu verändern.
Damit hat er den Bandwagon ins Rollen gebracht. Mit diesem Appeal vor allem an die Naiven - also vor allem die Jungen und die religiösen Schwarzen - wurde er zum Front Runner, den Hillary Clinton so wenig einholen konnte wie der Hase den Igel, so verbissen sie auch kämpfte.
Und nun, da er es geschafft hat? Nun wechselt Obama in ein anderes Rollenfach; mit einer Perfektion, angesichts derer ein Chamäleon vor Neid abwechelnd rot und blaß werden könnte. Er ist jetzt der zurückhaltende, realistische Politiker, der verantwortungsvolle Staatsmann.
Er lobte Hillary Clinton über den grünen Klee:
Sen. Hillary Clinton has made history in this campaign not just because she's a woman who has done what no woman has done before, but because she's a leader who inspires millions of Americans with her strength, her courage, and her commitment to the causes that brought us here tonight.Nichts mehr von diesem im Stakkato wiederholten "Yes, we can". Barack Obama ist jetzt der Präsident in spe. Das Kinn noch immer hochgereckt, aber jetzt nicht mehr Erlösung signalisierend, sondern Entschlossenheit.
Senatorin Hillary Clinton hat in diesem Wahlkampf Geschichte geschrieben, nicht nur, weil sie eine Frau ist, die getan hat, was noch nie zuvor eine Frau getan hat, sondern weil sie eine Führerin ist, die mit ihrer Stärke, ihrem Mut und mit ihrem Einsatz für die Anliegen, für die wir uns heute Abend hier versammelt haben, Millionen von Amerikanern inspiriert.
Er hat die Herzen der Naiven erobert. Jetzt wird er sich so von dieser Vergangenheit der Rolle des Heilsbringers lösen, wie er sich kürzlich von seinem alten Mentor, dem Pastor Jeremiah Wright, distanziert hat. Jetzt gilt es für ihn, auch den Verstand der Skeptischen für sich zu gewinnen.
Auch rhetorisch war McCain wieder einmal das fleischgewordene Gegenprogramm zu Obama.
Er sprach nicht in einer Arena vor Tausenden, sondern vor sechshundert Zuhörern in einem Kongreßzentrum. Wie es seine Art ist, sprach er langsam, in einem Singsang, mit einer fast weich zu nennenden Stimme. Er hatte sich wohl vorgenommen, kämpferisch zu klingen. Aber das liegt diesem Mann der Bedachtsamkeit, der Ironie nicht.
Der Beifall kam wie bestellt (was er vermutlich auch war). jedenfalls oft. Manchmal machte McCain auch eine für Klatschen vorgesehene Pause, und nichts kam. Denn die emotionale Wirkung seiner Rede dürfte etwa der eines Vortrags über die Entwicklung der Papierindustrie im 19. Jahrhundert entsprochen haben.
Trotz aller Bemühungen, frisch und aggressiv zu wirken, erschien mir McCain, der dem alten Charlie Chaplin immer ähnlicher wird, wie ein weiser Opa, der aus dem Schatz seiner Erfahrung heraus seine Enkel belehrt. Sehr nett. Aber ob ihn das zum Liebling der Massen macht, der gegen den Populisten Obama bestehen kann, erscheint mir fraglich.
Auch daß das Konzept für den Wahlkampf, das in dieser Rede durchklang, schon ausgereift ist, kann man bezweifeln. Es lautete: Ich, John McCain, bin der Mann des wahren Wechsels. Obama will zurück in die sechziger und siebziger Jahre mit ihrem Glauben an die Heilkraft des Staats. Ich, McCain, will das wirklich Neue, nämlich Vertrauen in die Kraft der Bürger statt der Allmacht des Staats.
Eine mir außerordentlich sympathische Botschaft; unter anderem wegen seiner wirklich liberalen Überzeugungen habe ich Mccain schon favorisiert, als seine Kandidatur noch als fast aussichtslos galt.
Aber trifft er damit die Stimmung einer Mehrheit der Amerikaner? Gerade die republikanisch gesonnene Mittelschicht sieht sich zunehmend in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. Gerade sie könnte für die Flötentöne Obamas anfällig sein; vor allem, falls er Hillary Clinton, die sozial Engagierte, auf sein Ticket nehmen sollte.
McCains Erfolg wird sich daran entscheiden, ob es ihm gelingt, als wirtschaftspolitisch kompetenter wahrgenommen zu werden als Obama. Im Augenblick ist das noch nicht so.
Nachdem seit heute die beiden Kandidaten feststehen, erscheinen dieser und künftige Beiträge zu den Präsidentschaftswahlen in den USA als Folgen einer Serie "Der 44. Präsident der USA". Links zu allen Folgen dieser Serie findet man hier. - Für Kommentare zu diesem Artikel gibt es einen Thread in "Zettels kleinem Zimmer". Dort findet man auch eventuelle Aktualisierungen und Ergänzungen.