5. Juni 2008

Zettels Meckerecke: Viel Alarm um nichts

Vor knapp einer Stunde, um sieben Uhr, wurde in den Nachrichten des ZDF noch immer von einem "europaweiten Atomalarm" geredet. In "Spiegel Online", unzuverlässig, wie es seine Art ist, wird (jedenfalls im Augenblick) durch die Wortwahl dafür gesorgt, daß der Leser sich sorgt:
Eine Gefahr für die deutsche Bevölkerung habe nicht bestanden, beteuert Umweltminister Sigmar Gabriel. (...) "Es gibt keine Auswirkungen auf die Umwelt und wir erwarten auch keine", behauptete der Leiter der slowenische Atomaufsichtbehörde, Andrej Stritar.
Ganz anders werden Alarmisten zitiert:
Die Umweltorganisation Greenpeace bezeichnete den europaweiten Alarm als "ungewöhnlich". Dies komme nur selten vor, sagte der Greenpeace-Atomexperte Thomas Breuer. (...) Das System sei als Reaktion auf das Reaktorunglück von Tschernobyl eingerichtet worden, erläuterte Breuer.
Also das übliche Spiel: Schon durch die Art, wie "Spiegel Online" eine Stimme zitiert (d.h. wie die einschlägigen Agenturmeldungen ausgesucht und/oder editiert werden), wird dem Leser suggeriert, ob man dem Betreffenden glauben kann oder nicht.



Und was war nun wirklich? Ausgerechnet in der "TAZ", einst das Leib- und Magenblatt der Alarmisten, findet man einen brauchbaren Bericht, geschrieben von Matthias Urbach. Er benutzte dieselben Agenturmeldungen wie "Spiegel Online", stellte sie aber zu einer sachlichen, informativen Meldung zusammen.

Danach ging die Aufregung - wieder einmal, füge ich hinzu - von der französischen AFP aus. "+++ Dringend +++ EU löst europaweiten Alarm nach Atom- Zwischenfall in Slowenien aus", meldete diese Agentur gestern um um 19 Uhr 45.

Wie der Zufall es wollte, lief in Berlin gerade ein Sommerfest von "Greenpeace"; dort sprach sich die Meldung wie ein Lauffeuer herum und wurde per Handy verbreitet.

Nur war die Meldung eine AFP-Ente. "Die EU-Kommission hatte keinesfalls Alarm ausgelöst, sondern lediglich eine Störfallmeldung über ihren Meldungsverbund ECURIE weitergeleitet", ist in der TAZ zu lesen. Der Leiter der slowenischen Atomaufsichtbehörde, Andrej Stritar, hatte den Störfall als "ungewöhnliches Ereignis" eingestuft; das ist die überhaupt niedrigste Stufe. Routinemäßig war das nach Brüssel gemeldet worden. Das ist alles.

Aber nicht für "Greenpeace", das noch aus jedem Mücklein einen Elefanten macht, wenn es hoffen kann, diesen spendenbringend durch die Manege tanzen zu lassen. Von der Gefahr einer "Kernschmelze" sprach vor einer halben Stunde ein Vertreter von "Greenpeace" im ZDF- Morgenmagazin.



Soweit wie gehabt. Leitmedien wie das ZDF und "Spiegel Online" besorgen mit Panikmache das Geschäft der Spendensammler von "Greenpeace". Business as usual.

Daß die TAZ da nicht mitmacht, sondern sachlich informiert, das allerdings ist für mich das Erstaunliche an der Nachrichtenlage zu diesem Thema, heute Morgen.



Nachtrag: Um wen es sich bei dem "Experten" von "Greenpeace" Thomas Breuer handelt, der mit seiner Warnung vor einer drohenden "Kernschmelze" soeben auch wieder im "Mittagsmagazin" des ZDF gesendet wurde, das hat Feynman in "Zettels kleinem Zimmer" mitgeteilt.



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