26. Juni 2008

Zitat des Tages: Geschafft!

Ich bin natürlich auch geschafft von diesem Spiel.

Jogi Löw

Kommentar: Das hätte Löw dem Reporter sagen sollen - und sich dann freundlich lächelnd empfehlen. Aber natürlich konnte er das nicht.

Er mußte, auf die bekannten Fragen antwortend, das Bekannte sagen: "Jetzt haben wir es geschafft, das macht mich natürlich glücklich". Da konnte Michael Ballack nur zustimmen: "Wir freuen uns natürlich riesig". Und auch Poldi sagte, wie es ist: "...wir sind jetzt im Finale und wollen es auch gewinnen, ganz klar".

Ganz klar. Was sollen sie auch sonst sagen als das Bekannte? Als die Platitüden, die jeder vorhersagen kann? Sie geben auf dumme Fragen dumme Antworten, die Spieler, die, ausgepumpt vom Spiel, manchmal noch außer Atem auch vom Jubeln, vor die Kamera müssen.

Sie haben gelernt, auch das noch über sich ergehen zu lassen, nach dem Motto: Lerne reden, ohne zu sagen.



Warum müssen sie das? Warum besteht anscheinend ein Bedarf, warum vermuten jedenfalls die für solche Sendungen Verantwortlichen einen Bedarf beim Zuschauer, solche Äußerungen zu hören?

Ein wenig seltsam ist das schon; denn anderswo im Showgeschäft wird es ja nicht so gehandhabt.

Wenn im Theater oder in der Oper der letzte Vorhang gefallen ist, dann treten die Schauspieler zwar an die Rampe und holen sich ihren verdienten Beifall ab, leiser oder lauter, mit mal mehr, mal weniger Vorhängen.

Wenn der Rocksänger sein Repertoire dargeboten hat, und er war nicht allzu schlecht, dann wird "Zugabe" gerufen, bis er nachgibt und zugibt.

Aber das war's denn dann auch. Der Beifall verebbt, die Künstler haben ihre verdiente Ruhe nach der Anstrengung des Spielens.

Niemand käme auf den Gedanken, daß, nachdem der Schlußbeifall verklungen ist, ein Dramaturg auf die Bühne tritt und den Darsteller des "Hamlet" fragt: "Den Monolog haben Sie aber heute etwas nervös vorgetragen. Woran lag's?" Oder die Sängerin der "Isolde" gefragt wird: "Wie fühlt man sich nach einer solchen dürftigen Darbietung?"

Die Sportler aber müssen sich geduldig kritisieren lassen, müssen freundlich antworten, dürfen sich nichts anmerken lassen. Nur manchmal doch ein bißchen, wie gestern Abend Bastian Schweinsteiger, als er auf eine dieser "Wie kam's?"- Fragen sinngemäß sagte, das wisse er auch nicht, und es sei ihm auch egal.



Warum also dieses inquisitorische Ritual im Sport? Ich vermute bei den TV-Leuten ein ähnliches Motiv wie dasjenige, das Bildregisseure dazu veranlaßt, mitten in die Übertragung Großaufnahmen von Fans, von Prominenten, von Trainern hineinzuschneiden: Man will uns mit Human Touch beliefern, es menscheln lassen.

Wir erfahren zwar von Ballack und Lahm, von Klose und Frings nichts, was wir nicht schon wüßten oder was jeder Depp sich denken kann. Aber wir dürfen sie sehen, wie sie da stehen und schwitzen.

Es ist das Bedürfnis des Voyeurs, das die TV-Leute bei uns vermuten, das sie also befriedigen wollen. Wir wollen unseren Helden auf den Leib rücken, vermuten sie, die Regisseure solcher Sendungen.

Und irgendwie muß man es ja auch rechtfertigen, die Wand mit allen den Firmenlogos ins Bild zu rücken.

Das freilich rechtfertigt es nicht, auch noch Franz Beckenbauer ins Bild zu rücken.

Man tat es, und die Folgen waren absehbar. Über die Deutschen im Finale sagte er: "Sie müssen das Gesicht zeigen, das sie gezeigt haben gegen Polen und gegen Portugal, dann werden sie auch das Finale schaffen. Wenn sie das von heute zeigen, habe ich keine großen Hoffnungen."

So spricht der Experte.



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