5. Juni 2008

Der Moon Hoax und der "Schwachsinn" des Gregor Gysi

Wissen Sie, warum die Mondlandung gefakt gewesen sein muß? Ganz einfach: Auf Videos sieht man die US-Flagge im Wind flattern. Im Vakuum des Weltalls gibt es aber keinen Wind.

Wenn jemand so etwas behauptet, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder alle, die bisher an die Mondlandung geglaubt haben, waren Deppen, denen das entgangen ist. Oder der Betreffende, der das vorträgt, hält alle anderen für Deppen, denen nicht auffällt, was an seinem vorgeblichen Beweis faul ist.

Faul ist natürlich, daß eine Flagge sich nicht nur bewegt, wenn sie der Wind trifft, sondern auch aufgrund des mechanischen Impulses, wenn ein Astronaut sie in Position bringt. Sie weht dann zwar nicht, wackelt aber. Und just wegen des Vakuums wird dieses Wackeln nicht durch Luft gedämpft, dauert also relativ lange, bis es der Reibung zum Opfer fällt. Des weiteren sieht auf den Standbildern die Flagge so aus, wie entfaltetes Tuch eben aussieht: faltig.



In seiner Verteidigungsrede vor dem Bundestag Anfang vergangener Woche trug Gregor Gysi dies vor:
Sie unterstellen mir, dass ich die Staatssicherheit über Robert Havemann im Oktober 1979 direkt informiert hätte. Sie wollen nicht zur Kenntnis nehmen, dass die Staatssicherheit sich erst im September 1980 entschied, meine Eignung als IM zu prüfen. Welcher Schwachsinn, wenn ich schon längst mit ihr zusammengearbeitet hätte.
Das ist ein Argument wie das mit der wehenden Flagge: Entweder sind die Fachleute der Birthler- Behörde, denen das entgangen ist, Deppen. Oder Gysi hält den Bundestag und die Öffentlichkeit für, sagen wir, ein wenig unkritisch.

Nehmen wir einmal an - ich lege aus Gründen, die Ihnen, lieber Leser, bekannt sein dürften, Wert darauf, daß ich mich ab jetzt im Bereich fiktiver Annahmen bewege -, Gregor Gysi habe mit dem MfS zusammengearbeitet. Dann würde sich logischerweise die Frage stellen: Wie wurde er vom MfS eingeordnet?

Die Frage würde sich dann deshalb stellen, weil das MfS zahlreiche Kategorien von Informanten und operativen Mitarbeitern kannte. Ich habe das vor ungefähr fünfzehn Jahren mit Staunen zur Kenntnis genommen, als ich das Buch von David Gill und Ulrich Schröter "Das Ministerium für Staatssicherheit" gelesen habe. Das ganze vierte Kapitel dieses Buchs - ich habe es mir eben aus dem Regal geholt - ist den Kategorien von IMs gewidmet.

Da gibt es beispielsweise den IMS, den IMB, den FIM, den IME, den IMK. Ich will es Ihnen ersparen, alle diese Kategorien zu beschreiben; Sie können das, sollte es Sie denn interessieren, zum Beispiel im DDR-Lexikon nachlesen.

Geht man diese Kategorien durch, dann trifft man auf eine, von den eigentlichen IM-Kategorien getrennte, die als einzige perfekt auf Gysi passen würde (falls er denn überhaupt mit dem MfS zusammengearbeitet hat, was wir ja nur fiktiv annehmen wollen): die des GMS (Gesellschaftlichen Mitarbeiters für Sicherheit).

Über ihn heißt es in der "Richtlinie Nr. 1/79 für die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern (IM) und Gesellschaftlichen Mitarbeitern für Sicherheit (GMS), (GVS MfS 0008-1/79)" in Abschnitt 7 (zitiert auf Seite 473 des Buchs von Gill und Schröter):
GMS sind Bürger der DDR mit einer auch in der Öffentlichkeit bekannten staatsbewußten Einstellung und Haltung, die sich für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem MfS bereit erklären und entsprechend ihren Möglichkeiten und Voraussetzungen an der Lösung unterschiedlicher politisch- operativer Aufgaben mitarbeiten. Sie stellen eine wertvolle Ergänzung der operativen Basis, ein Reservoir für die Gewinnung von IM sowie für die Schaffung und Gewinnung von Kadern für das MfS dar.
Der GMS war also zugleich mehr und weniger als der normale IM: Ein Mann, der in der Öffentlichkeit bekannt war und insofern mehr; aber (noch) ohne die formale Verpflichtung als IM.



Am Montag dieser Woche erschien in "Spiegel Online" ein Gespräch mit Marianne Birthler, in dem sie auch auf den "Schwachsinns"- Vorwurf von Gysi einging:
SPIEGEL ONLINE: Herr Gysi hat in der jüngsten Bundestagsdebatte erklärt, es sei doch "Schwachsinn" zu behaupten, er habe 1979/80 im Falle Havemann für die Stasi berichtet, wo doch erst 1980 ein IM-Vorlauf über ihn angelegt worden sei.

Birthler: Bis Ende 1979 musste die Informanten-Kategorie GMS – also Gesellschaftlicher Mitarbeiter Sicherheit - nicht zwingend registriert werden. Uns liegt eine interne Richtlinie vor, nach der eine solche Zusammenarbeit erst ab Januar 1980 geregelt wurde und auch alle GMS zu registrieren waren. Mit Inkrafttreten dieser Regelung wurden manche als GMS weitergeführt beziehungsweise neu registriert, andere als Inoffizieller Mitarbeiter, also IM. Für einen IM aber musste zunächst ein IM-Vorlauf angelegt werden.


Was können wir aus dem allen schließen?

Wir können und dürfen schließen, daß die Fachleute der Birthler- Behörde so wenig Deppen sind wie diejenigen, die die Mondlandung für ein reales Ereignis halten. Wir dürfen und können schließen, daß Gregor Gysi mit dem Vorwurf des "Schwachsinns" zumindest den Verdacht begründet hat, er halte uns, die kritische Öffentlichkeit, für Deppen.

Wenn die Sache mit der wehenden Flagge nichts war, dann beweist das natürlich nicht, daß die Mondlandung nicht doch ein Betrug gewesen ist. Wenn die Sache mit dem "Schwachsinn" nichts war, dann beweist das nicht, daß Gregor Gysi mit dem MfS zusammengearbeitet hat.

Es deutet allerdings darauf hin, daß er sich sehr seltsamer Argumente bedient, um diesem Vorwurf zu begegnen.



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