3. Januar 2008

Randbemerkung: Roland Kochs optimale Strategie

In jedem Wahlkampf muß jede Volkspartei ein Problem neu zu lösen versuchen, das wie die Quadratur des Kreises anmutet: Die eigenen Stammwähler mobilisieren, zugleich aber Wechselwähler und, wenn möglich, Wähler der anderen Seite zu sich herüberziehen.

Angela Merkel ist 2005 an diesem Problem gescheitert. Sie hat einen couragierten Wahlkampf mit einer klaren liberalen Linie geführt, am Schluß sozusagen fleischgeworden in der Person des Professors Paul Kirchhof. Sie hat damit die, wie man so sagt, "bürgerlichen" Wähler mobilisiert, die unter der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Rotgrünen gestöhnt hatten.

Aber sie hat für die CDU damit eingehandelt, daß sie unattraktiv für viele Wechselwähler, daß sie sogar jenen unter den eigenen Wählern suspekt wurde, die durch die Sozialausschüsse der CDU repräsentiert werden. Sie hat damit Schröder eine offene Flanke geboten, die dieser mit allen Wassern gewaschene Wahlkämpfer mit seiner Kampagne "Die CDU will, daß die Krankenschwester soviel Steuern zahlt wie der Chefarzt" gnadenlos ausnutzte.

Brutalstmöglich sozusagen. Womit wir bei Roland Koch sind, der in dieser Hinsicht Schröder nicht nachsteht.



Vielleicht hat sich Kochs Wahlkampf- Stab angesehen, wie Sarkozy seine Wahl gewonnen hat: Zwar nicht ausschließlich, aber doch ganz wesentlich mit seinem Image als Superflic, der mit dem Kampf gegen die Kriminalität ernst macht.

Das ist zum einen ein "rechtes" Thema, das die Stammwähler von Sarkozys UMP mobilisiert und dem FN Stimmen weggenommen hat. Es ist zum anderen aber auch ein Thema, das Wechselwähler, ja manche der Wähler anspricht, die traditionell links wählen.

Denn das Verbrechen bedroht ja den "kleinen Mann" viel mehr als denjenigen, der sich sichern kann. Wer nicht mit der Métro fährt, wer nicht in unsicheren Gegenden unterwegs sein muß, wer seine Kinder aufs Internat schickt, wer sich teure Sicherungen seiner Wohnung leisten kann, dem brennt das Thema "Kriminalität" viel weniger auf den Nägeln als dem Kleinverdiener, der ständig mit der Gefahr konfrontiert ist, zum Opfer zu werden.

Die in den letzten Tagen unversehens zum Thema gewordene Jugendkriminalität kommt Koch so gelegen, wie es den Grünen zupaß kommen würde, wenn es kurz vor einer Wahl einen schweren Zwischenfall in einem AKW gäbe. Fortuna hat ihr Füllhorn über ihn und die hessische CDU ausgeschüttet. Jetzt muß er ihre Gaben nur noch auffangen und sie nutzen. Er hat bewiesen, daß er das meisterlich kann.



Und die Unterschriften der Frau Ypsilanti? Ich glaube nicht, daß diese Kampagne weit trägt. Nicht nur, weil sie allzu offensichtlich bei Koch abgekupfert ist. Sondern weil Mindestlöhne kein Mobilisierungsthema sind.

Die Leute sind zwar laut Umfragen mehrheitlich für einen Mindestlohn. Vermutlich aus einem diffusen Gefühl der Gerechtigkeit heraus; sie wollen, daß es niemandem finanziell so schlecht geht, daß er nicht von seiner Arbeit leben kann.

Aber selbst betroffen sind ja nur die wenigsten. Und mobilisieren kann man nur mit einem Thema, das den Leuten unter die Haut geht. Die eigene.

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