Die Art, wie ich mir als Kind Italien vorstellte, wurde wesentlich durch ein damals sehr beliebtes Buch geprägt, "Don Camillo und Peppone" von Giovanni Guareschi. Der Erfolg führte zu Fortsetzungen und zu Verfilmungen; man sieht diese Filme, mit Fernandel als Don Camillo, noch gelegentlich im TV.
Das einzige, immer wieder variierte Thema dieser Bücher und Filme ist die skurrile Haßliebe zwischen diesem Don Camillo, einem etwas eigenwilligen Priester, und dem kommunistischen Bürgermeister Peppone.
So ganz falsch war das Italienbild, das ich damals, in den fünfziger Jahren, aus dieser Lektüre gewann, nicht. Denn die Auseinandersetzung zwischen dem Kommunismus und dem politischen Katholizismus, zwischen der Democrazia Cristiana und dem Partito Comunista d'Italia, prägten in der Tat das damalige Italien.
Lange vorbei in einer Zeit, in der Kommunisten und Katholiken gemeinsam im Kabinett Prodi sitzen? Man sollte es meinen. Aber das, wovon jetzt zu berichten ist, klingt so, als spiele es zur Zeit von Don Camillo und Peppone.
Es begann im November vergangenen Jahres damit, daß der Rektor der Sapienza, der größten Universität Roms und einer der größten der Welt, das Programm für die Feierlichkeiten zur Eröffnung des 705. Akademischen Jahrs Anfang 2008 bekanntgab. Darin hieß es, der Papst sei eingeladen, bei dieser Gelegenheit eine Vorlesung zu halten, "ma dopo la cerimonia di inaugurazione", aber erst nach der Zeremonie der Eröffnung des Akademischen Jahres. Das war so festgelegt worden, weil es gegen eine unmittelbare Einbeziehung der Rede des Papsts in die Zeremonie Einwände von Professoren gegeben hatte.
Von dieser Einladung erfuhr ein gewisser Marcello Cini, hoch in den Achtzigern und emeritierter Professor der Theoretischen Physik.
Emeritierte Professoren haben erstens Zeit und zweitens die Neigung, sich auch mit Dingen zu befassen, die sie fachlich nichts angehen.
Also setzte sich der Professor Cini hin und schrieb einen geharnischten Brief an den Rektor der Universität. Darin drückte er seine "indignazione" über die Einladung des Papstes aus, über diese "incredibile violazione della tradizionale autonomia delle università", die unglaubliche Verletzung der traditionellen Autonomie der Universität durch diese Einladung.
Religion und Wissenschaft hätten nichts miteinander zu schaffen, indignierte sich der emeritierte Physiker, nicht ohne Galilei und Darwin zu erwähnen. Die "clamorosa violazione", die lauthalse Verletzung dieser Trennung, werde in der ganzen Welt verstanden werden "come un salto indietro nel tempo di trecento anni e più", wie ein Sprung zurück in der Zeit, um dreihundert Jahre, wenn nicht mehr.
Damit hatte der Emeritus eine Bewegung angestoßen, die nun ihr Eigenleben entfaltete. Hatte Cini sich noch mit akademischer Zurückhaltung geäußert und gegenüber dem Rektor lediglich sein Unverständnis der "motivazioni della Sua proposta tanto improvvida e lesiva dell'immagine de La Sapienza nel mondo" geäußert, der Motive für eine dem Ansehen der Sapienza so abträgliche Absicht des Rektors, so geriet der Protest bald in andere Hände.
Nämlich in die von Studenten und von Kommunisten. "Und/oder" von Kommunisten, sollte ich wohl schreiben. Eine Kostprobe des "Protests" von Kommunisten kann man zum Beispiel auf dieser englischsprachigen Website "anarchistischer Kommunisten" lesen. Da erfährt man, wie es eine Woche "antiklerikaler Debatten und Aktivitäten" gegeben habe; wie das Rektorat "besetzt" worden sei, wie Gebete parodiert wurden.
In der SZ kann man noch von anderen Aktionen lesen, mit denen der hohe wissenschaftliche Standard der Sapienza von deren Studenten gegen den Papst verteidigt wurde; beispielsweise wurde angekündigt, eine Statue der Minvera als schrillen Transvestiten zu verkleiden und die Universitäts- Kapelle mit Dessertwein zu entweihen.
Wie man es eben tut, wenn es gilt, Rationalität, Humanität und strenge Wissenschaft zu bewahren.
Es gibt zu diesen Aktionen in der schönsten Tradition des Kommunisten Peppone drei Nachspiele. Das erste ist allgemein bekannt: Der Papst sagte seine Rede ab; die Wissenschaft hatte mit den ihren kommunistischen Jüngern eigenen Methoden obsiegt.
Das zweite Nachspiel kann man zum Beispiel im San Francisco Chronicle lesen: Der Professor Cini ist glücklich über seinen Sieg. Die Mittel, mit denen er errungen wurde, scheinen ihn, den Humanisten, weniger zu interessieren: "I thought, and I continue to think, that his visit was ambiguous and an attack on the independence of culture and the university." Er denke nach wie vor, daß dieser Besuch fragwürdig gewesen wäre und ein Anschlag auf die Unabhängigkeit der Kultur und der Universität.
Das dritte Nachspiel findet man in einem heutigen Artikel der London Times beschrieben; sozusagen das Satyrspiel nach der Tragödie. In Rom streiken nämlich die Aktmodelle. Sie forderten "berufliche Anerkennung" und feste Anstellungen statt stundenweiser Bezahlung. Über ihren Protest schreibt die Times:
Ach ja, und um welche Rede des Papsts ging es eigentlich? Was hatte er denn sagen wollen, was die Studenten zu ihre "Protestwoche" und den Emeritus Cini zu der Angst motivierte, es stehe ein Anschlag auf unsere Kultur bevor?
Man kann diese nicht gehaltene, diese aber keineswegs ungehaltene Rede hier nachlesen.
Eine Rede, gegen die ich durchaus Kritisches einzuwenden habe; vielleicht einmal bei Gelegenheit in einem anderen Artikel. Daß diese Rede aber die Aufregung und die "Aktionen" der letzten Tage ausgelöst hat - das könnte wirklich ein Kapitel aus "Don Camillo und Peppone" sein.
Inklusive dem Ende mit den Aktmodellen. Das hätte dem Guareschi bestimmt gefallen.
Das einzige, immer wieder variierte Thema dieser Bücher und Filme ist die skurrile Haßliebe zwischen diesem Don Camillo, einem etwas eigenwilligen Priester, und dem kommunistischen Bürgermeister Peppone.
So ganz falsch war das Italienbild, das ich damals, in den fünfziger Jahren, aus dieser Lektüre gewann, nicht. Denn die Auseinandersetzung zwischen dem Kommunismus und dem politischen Katholizismus, zwischen der Democrazia Cristiana und dem Partito Comunista d'Italia, prägten in der Tat das damalige Italien.
Lange vorbei in einer Zeit, in der Kommunisten und Katholiken gemeinsam im Kabinett Prodi sitzen? Man sollte es meinen. Aber das, wovon jetzt zu berichten ist, klingt so, als spiele es zur Zeit von Don Camillo und Peppone.
Es begann im November vergangenen Jahres damit, daß der Rektor der Sapienza, der größten Universität Roms und einer der größten der Welt, das Programm für die Feierlichkeiten zur Eröffnung des 705. Akademischen Jahrs Anfang 2008 bekanntgab. Darin hieß es, der Papst sei eingeladen, bei dieser Gelegenheit eine Vorlesung zu halten, "ma dopo la cerimonia di inaugurazione", aber erst nach der Zeremonie der Eröffnung des Akademischen Jahres. Das war so festgelegt worden, weil es gegen eine unmittelbare Einbeziehung der Rede des Papsts in die Zeremonie Einwände von Professoren gegeben hatte.
Von dieser Einladung erfuhr ein gewisser Marcello Cini, hoch in den Achtzigern und emeritierter Professor der Theoretischen Physik.
Emeritierte Professoren haben erstens Zeit und zweitens die Neigung, sich auch mit Dingen zu befassen, die sie fachlich nichts angehen.
Also setzte sich der Professor Cini hin und schrieb einen geharnischten Brief an den Rektor der Universität. Darin drückte er seine "indignazione" über die Einladung des Papstes aus, über diese "incredibile violazione della tradizionale autonomia delle università", die unglaubliche Verletzung der traditionellen Autonomie der Universität durch diese Einladung.
Religion und Wissenschaft hätten nichts miteinander zu schaffen, indignierte sich der emeritierte Physiker, nicht ohne Galilei und Darwin zu erwähnen. Die "clamorosa violazione", die lauthalse Verletzung dieser Trennung, werde in der ganzen Welt verstanden werden "come un salto indietro nel tempo di trecento anni e più", wie ein Sprung zurück in der Zeit, um dreihundert Jahre, wenn nicht mehr.
Damit hatte der Emeritus eine Bewegung angestoßen, die nun ihr Eigenleben entfaltete. Hatte Cini sich noch mit akademischer Zurückhaltung geäußert und gegenüber dem Rektor lediglich sein Unverständnis der "motivazioni della Sua proposta tanto improvvida e lesiva dell'immagine de La Sapienza nel mondo" geäußert, der Motive für eine dem Ansehen der Sapienza so abträgliche Absicht des Rektors, so geriet der Protest bald in andere Hände.
Nämlich in die von Studenten und von Kommunisten. "Und/oder" von Kommunisten, sollte ich wohl schreiben. Eine Kostprobe des "Protests" von Kommunisten kann man zum Beispiel auf dieser englischsprachigen Website "anarchistischer Kommunisten" lesen. Da erfährt man, wie es eine Woche "antiklerikaler Debatten und Aktivitäten" gegeben habe; wie das Rektorat "besetzt" worden sei, wie Gebete parodiert wurden.
In der SZ kann man noch von anderen Aktionen lesen, mit denen der hohe wissenschaftliche Standard der Sapienza von deren Studenten gegen den Papst verteidigt wurde; beispielsweise wurde angekündigt, eine Statue der Minvera als schrillen Transvestiten zu verkleiden und die Universitäts- Kapelle mit Dessertwein zu entweihen.
Wie man es eben tut, wenn es gilt, Rationalität, Humanität und strenge Wissenschaft zu bewahren.
Es gibt zu diesen Aktionen in der schönsten Tradition des Kommunisten Peppone drei Nachspiele. Das erste ist allgemein bekannt: Der Papst sagte seine Rede ab; die Wissenschaft hatte mit den ihren kommunistischen Jüngern eigenen Methoden obsiegt.
Das zweite Nachspiel kann man zum Beispiel im San Francisco Chronicle lesen: Der Professor Cini ist glücklich über seinen Sieg. Die Mittel, mit denen er errungen wurde, scheinen ihn, den Humanisten, weniger zu interessieren: "I thought, and I continue to think, that his visit was ambiguous and an attack on the independence of culture and the university." Er denke nach wie vor, daß dieser Besuch fragwürdig gewesen wäre und ein Anschlag auf die Unabhängigkeit der Kultur und der Universität.
Das dritte Nachspiel findet man in einem heutigen Artikel der London Times beschrieben; sozusagen das Satyrspiel nach der Tragödie. In Rom streiken nämlich die Aktmodelle. Sie forderten "berufliche Anerkennung" und feste Anstellungen statt stundenweiser Bezahlung. Über ihren Protest schreibt die Times:
Yesterday the models kept their clothes on for a protest at a ceremony inaugurating the academic year at La Sapienza, Rome’s main university. The main speaker at the ceremony was supposed to be the Pope, but the Vatican cancelled his visit because of alarm over student protests against his conservative views on science and ethics. About 30 models posed at the university entrance in imitation of famous art works, including Botticelli’s Venus, Degas’s ballerinas and Rodin’s The Thinker.Ist das nicht ein sehr symbolträchtiges Ende dieser Affäre? Der Papst vertrieben, und dafür demonstrieren Aktmodelle für ihre feste Anstellung?
Gestern behielten die Modelle ihre Kleider an, um bei der Zeremonie zur Eröffnung des Akademischen Jahres der La Sapienza zu protestieren, der größten Universität Roms. Der Hauptredner bei der Zeremonie hatte der Papst sein sollen, aber der Vatikan sagte den Besuch ab, weil man wegen studentischer Proteste gegen seine konservativen Ansichten über Wissenschaft und Ethik besorgt war. Ungefähr 30 Modelle posierten am Eingang der Universität und ahmten dabei berühmte Kunstwerke nach, wie die Venus Boticellis, die Ballerinas von Degas und Rodins Denker.
Ach ja, und um welche Rede des Papsts ging es eigentlich? Was hatte er denn sagen wollen, was die Studenten zu ihre "Protestwoche" und den Emeritus Cini zu der Angst motivierte, es stehe ein Anschlag auf unsere Kultur bevor?
Man kann diese nicht gehaltene, diese aber keineswegs ungehaltene Rede hier nachlesen.
Eine Rede, gegen die ich durchaus Kritisches einzuwenden habe; vielleicht einmal bei Gelegenheit in einem anderen Artikel. Daß diese Rede aber die Aufregung und die "Aktionen" der letzten Tage ausgelöst hat - das könnte wirklich ein Kapitel aus "Don Camillo und Peppone" sein.
Inklusive dem Ende mit den Aktmodellen. Das hätte dem Guareschi bestimmt gefallen.
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