29. Januar 2008

Randbemerkung: Die Lage in Hessen ist einfach. Nebst einer Anmerkung zu Jörg-Uwe Hahn

Kompliziert scheint mir die Lage nach den Wahlen in Hessen eigentlich nicht zu sein. Im Gegenteil, sie ist denkbar einfach:
  • Nach Paragraph 113, Absatz 2 der Hessischen Landesverfassung müssen der Ministerpräsident und die Landesregierung zurücktreten, sobald ein neugewählter Landtag erstmalig zusammentritt.

  • Dies muß nach Paragraph 83 am 18. Tag nach der Wahl geschehen.

  • Anschließend, so bestimmt es Paragraph 113, Absatz 3, führt die Regierung "die laufenden Geschäfte bis zu deren Übernahme durch die neue Landesregierung weiter".

  • Diese neue Landesregierung wird gebildet, nachdem - so bestimmt es der Paragraph 101 - der Ministerpräsident ohne Aussprache gewählt ist. Er ernennt die Minister, aber die neue Regierung "kann die Geschäfte erst übernehmen, nachdem der Landtag ihr durch besonderen Beschluß das Vertrauen ausgesprochen hat"; so Absatz 4 des Paragraphen 101.



  • Nach dem Rücktritt der Regierung Koch auf der konstituierenden Sitzung des neuen Landtags wird diese also die Geschäfte zunächst weiterführen. Das Präsidium des Landtags und der Ältestenrat werden sich dann auf einen Termin für die Wahl des Ministerpräsidenten verständigen.

    Tritt Andrea Ypsilanti zu dieser Wahl an, dann wird sie gewählt werden. Sie kann das gar nicht verhindern, denn sie kann ja den Kommunisten nicht verbieten, sie zu wählen. Ihrer Regierung aus Sozialdemokraten und Grünen wird anschließend von denjenigen, die sie gewählt haben, auch das Vertrauen ausgesprochen werden.

    Entscheidet sie sich dafür, nicht anzutreten, dann bleibt Roland Koch geschäftsführend im Amt; auf unbestimmte Zeit. Inzwischen ist dann in Hamburg gewählt, inzwischen ändert sich vielleicht die gesamte politische Lage in Deutschland. Dann wird man weitersehen.



    Nun wird allerdings seit gestern von diversen Seiten versucht, die FDP unter Druck zu setzen. Das Ziel ist es, einer dritten Möglichkeit zur Realität zur verhelfen: Der Wahl einer Ministerpräsidentin Ypsilanti auch mit den Stimmen der FDP, die dann in eine Koalition mit der SPD und den Grünen hinein soll.

    Die Richtung hat wieder einmal "Spiegel Online" vorgegeben, wo gestern unter der Überschrift "Die Braut, die sich nicht traut" ein Artikel von Anna Reimann und Christian Teevs erschien, von dem man, da er nach Art des Hauses gestaltet ist, nicht weiß, ob er Berichterstattung oder Kommentar ist. Jedenfalls zerbrechen sich die Autoren darin den Kopf der FDP:
    Dabei könnte die Beteiligung an einer Regierung für die FDP eine große Chance bedeuten: Gerade in einer Koalition mit Grünen und SPD hätten die Liberalen die Möglichkeit, sich als pragmatische wirtschaftspolitische Kraft zu profilieren. Glaubwürdigkeit entsteht nicht allein durch die Demonstration von Standhaftigkeit, sondern auch durch verlässliche Regierungsarbeit. Zumal in einem so wichtigen Land wie Hessen.

    Aber nachträgliche Kritik an der klaren Festlegung der FDP auf die CDU als einzigen Koalitionspartner will in den Reihen der Liberalen deshalb öffentlich keiner der Spitzenleute äußern.
    Tja, schön blöd, die Spitzenleute der FDP, daß sie bisher nicht auf das gekommen sind, was doch ihre große Chance sein könnte.



    Sie werden nicht in diesen vergifteten Apfel beißen, die Liberalen. Sie werden das Danaergeschenk einer Regierungsbeteiligung nicht annehmen. Sie werden den Sirenenklängen nicht folgen.

    Denn was passieren würde, wenn die FDP, entgegen ihrem Versprechen, entgegen einem förmlichen Beschluß des Landesvorstands, entgegen dem, was ihr Vorsitzender Jörg-Uwe Hahn immer wieder bekräftigt hat, jetzt doch in eine Regierung Ypsilanti einträte, das liegt doch auf der Hand: Ihre Wählerschaft würde auf eine mikroskopische Größenordnung schrumpfen.

    Laut einer gestern gesendeten Umfrage für den HR haben von den bei der Nachbefragung interviewten FDP-Wählern sich gerade einmal 15 Prozent für eine Koalition mit SPD und Grünen ausgesprochen; 80 Prozent für eine Regierung zusammen mit der CDU.

    Und selbst von diesen 15 Prozent würden sich manche überlegen, ob sie noch einmal eine Partei wählen sollen, die nach den Wahlen genau diejenige Koalitions- Entscheidung trifft, die sie vor den Wahlen ausdrücklich ausgeschlossen hat. Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich's völlig ungeniert, bekanntlich.

    Daß jetzt der FDP Appetit auf eine Ampel- Koalition gemacht werden soll, ist der sehr durchsichtige Versuch, diese Partei unter fünf Prozent zu drücken; und zwar für unabsehbar lange Zeit.

    Darauf wird Westerwelle nicht hereinfallen. Auf diesen Leim wird schon gar nicht Jörg-Uwe Hahn gehen.



    In den Sendungen, die ich zum Wahlkampf im Hessischen Rundfunk gesehen habe, hat mich dieser Politiker ungewöhnlich beeindruckt: Jörg-Uwe Hahn, der Vorsitzende der hessischen FDP.

    Im Äußeren und im Auftreten wirkt er nicht wie ein Politiker, sondern eher wie ein konservativer Pfarrer, Professor oder Richter. Jurist ist er in der Tat, aber als Rechtsanwalt mit einer Praxis in Frankfurt. Ein Mann, der meist ernst dreinguckt, mit einer eher mageren Mimik, den Blick oft ins Leere hinter der Kamera gerichtet. Einer, der nicht beeindrucken, nicht beeinflussen will, sondern sagt, was er für richtig hält.

    Was er sagt, hat Hand und Fuß. Er redet nicht um eine Sache herum; er kennt die Fakten und nennt sie; er argumentiert rational. So war es jedenfalls in den Diskussionen und Interviews, die ich gesehen habe.

    Ausgerechnet den will man davon überzeugen, es sei eine "Chance" für die FDP, ihr Versprechen zu brechen und in eine Koalition mit Ypsilanti zu gehen?



    Oder will man Westerwelle dazu bringen, sich dem Druck auf die hessische FDP anzuschließen? "Mit dem Image eines Wortbrüchigen bräuchte er bei der Bundestagswahl 2009 erst gar nicht anzutreten", schreibt heute Claus Hulverscheidt in einem Kommentar der "Süddeutschen Zeitung".

    Allerdings meint er damit Kurt Beck, und mit "Wortbruch" eine Bruch des Versprechens der hessischen SPD, nicht mit den Kommunisten zu koalieren. Interessant, daß man sich bei der SZ, daß man sich bei SpOn dieselben Sorgen für den Fall eines Wortbruchs von Westerwelle und Hahn nicht macht.

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