14. Januar 2008

Gedanken zu Frankreich (21): Nicolas Sarkozy auf dem Weg in die Regenbogenpresse

Ist sie schwanger? Haben die beiden heimlich geheiratet? Fragen wie diese pflegen in der Regenbogen- Presse abgehandelt zu werden, und die handelnden (oder vielleicht auch dann doch gar nicht handelnden) Personen sind im allgemeinen Royals, Stars und sonstige Mitglieder der High Society; oder der nicht ganz so hohen Gesellschaft.

Staatspräsidenten gehörten bisher nicht dazu; schon gar nicht Präsidenten Frankreichs. Präsidenten, die seit Charles de Gaulle im Verständnis der Franzosen das Land selbst verkörpern; seine Grandeur, seine Würde. Alle haben sie sich würdevoll verhalten; von de Gaulle selbst und Pompidou über Giscard d'Estaing und Mitterand bis zu Chirac und.

Nein, nicht "und Sarkozy".



Vorbei, wie es scheint, die Tradition der Staatspräsidenten, die diesem Amtsverständnis folgten.

Wie Nicolas Sarkozy sich benimmt, das irritiert die Franzosen zunehmend. "Würdelos" trifft es nicht ganz. Es ist eine Mischung aus Selbstverliebtheit, Distanzlosigkeit, Rastlosigkeit, die man zunehmend bei Sarkozy wahrnimmt und die zunehmend die Franzosen verstört.

So hatte man sich das eigentlich nicht gedacht, als man ihn wählte.

Man wollte einen Modernisierer, aber nicht einen, der gleich mit allen Traditionen seines Amts bricht.

Man wollte nach Chirac, der am Ende die Spritzigkeit eines Neufundländers an den Tag gelegt hatte, einen dynamischen Macher. Aber doch nicht gleich einen, der hyperaktiv herumwieselt wie Louis de Funès in seinen wildesten Filmen.

Man wollte einen vergleichsweise jungen Mann, und als Franzose rechnet man gewißlich damit, daß er nicht das Leben eines Büßermönchs führen würde. Aber daß der Präsident nun mehr wegen einer Liebesaffäre in den internationalen Schlagzeilen ist als wegen seiner Amtsführung - das hatten sie sich nicht vorgestellt, M Dupond und Mme Dupont, als sie Sarkozy wählten.



Im aktuellen Nouvel Observateur hat Jacques Julliard die letzte große Pressekonferenz von Sarkozy zum Anlaß genommen, ein Porträt von ihm zu entwerfen; ein sehr treffliches, wie mir scheint.

"Très vite, au cours de la conférence de presse du président, sous cette rafale de mots et d'idées, on a été gagné par le tournis. Le lien, le ciment? Il n'y en a qu'un, il s'appelle Sarkozy." Sehr schnell sei man unter diesem Wortschwall, diesem Ideenschwall, vom Schwindel befallen worden und habe sich gefragt, worin denn der Zusammenhang bestehe. Antwort: Es habe nur einen gegeben, mit Namen Sarkozy. Und weiter schreibt Julliard:
Mais quel homme singulier que celui que la France a mis à sa tête au printemps dernier ! Cet étrange équilibre entre la confiance en soi et la vulnérabilité, dans des proportions qui varient à chaque instant, prend quelquefois des reflets pathétiques. Ce mélange d'inculture assumée et de vive intelligence; cette présence d'esprit exceptionnelle associée à une mauvaise foi triomphante; des dehors de mauvais garçon qui cachent parfois une naïveté charmante; l'empathie envers les êtres qui se met spontanément au service de son objectif du moment.

Aber was ist das für ein singulärer Mensch, den Frankreich im vergangenen Frühjahr an seine Spitze gestellt hat! Dieses seltsame Gleichgewicht zwischen Selbstvertrauen und Verletzlichkeit, in ständig wechselnden Proportionen, nimmt manchmal pathetische Züge an. Diese Mischung aus einer zur Schau gestellten Unbildung und einer wachen Intelligenz; diese ungewöhnliche intellektuelle Präsenz, verbunden mit triumphierender Häme; das äußere Verhalten eines verzogenen Kindes, das manchmal eine charmante Naivität verbirgt; eine Hinwendung zu den Menschen, die sich ganz wie von selbst in den Dienst seines jeweiligen Ziels stellt.


Leser dieses Blogs werden sich erinnern, daß ich dem französischen Präsidentschafts- Wahlkampf Anfang vergangenen Jahres viel Aufmerksamkeit gewidmet habe; von einer ersten Bewertung der Chancen François Bayrous in Folge 5 der Serie "Gedanken zu Frankreich" bis hin zu einem kleinen Bericht über die Amtseinführung Sarkozys und die konstituierende Sitzung des neugewählten Parlaments in Folge 15.

Anders als viele liberale Kollegen aus der Blogokugelzone war ich nie ein Befürworter Sarkozys, sondern hielt François Bayrou für den besten Kandidaten. Als Sarkozy dann nach der Passation des Pourvoirs, der Übergabe der Regierung ein Feuerwerk an Reform- Vorhaben entzündete, habe ich ihn zunehmend positiver beurteilt.

Jetzt, so scheint mir, ist das Feuerwerk abgebrannt. Und unter den herabregnenden letzten letzten bunten Sternen und Kugeln steht ein wild fuchtelnder Feuerwerker.

Nicht mehr so sehr eindrucksvoll. Interessant wohl wirklich mehr für die Regenbogenpresse.

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