In Deutschland gibt es drei Arten von Forschung: Die an Universitäten, die von Privatfirmen und privaten Instituten und die an den Max- Planck- Instituten (MPI).
Die Forschungsbedingungen in den drei Bereichen sind radikal verschieden. Die im privaten Bereich sind unter sich wiederum so unterschiedlich, daß man wenig Gemeingültiges über sie sagen kann. Die an den Universitäten sind mäßig untereinander verschieden. Die Arbeitsbedingungen an den MPI sind sehr ähnlich und ungleich besser als an fast allen Universitäten.
Die deutschen Universitäten sind bekanntlich fast alle staatlich; und der Staat, der für sie verantwortlich ist, ist das jeweilige Bundesland. Das ist so aufgrund der Kulturhoheit der Länder. Es hat in Deutschland aber auch eine lange Tradition; Universitäten wurden oft von Landesherren eingerichtet, die sich von ihnen zum einen einen Zuwachs an Ansehen und Wirtschaftskraft versprachen, die zum anderen dort ihre Juristen, Pfarrer und Studienräte ausbilden ließen.
Das bringt es mit sich, daß die Arbeitsbedingungen an den Universitäten der einzelnen Bundesländer verschieden sind; je nach deren Wohlstand, je nach ihrer Liberalität.
Es gibt auch Unterschiede je nach Alter und Geschichte der einzelnen Universitäten. An einer großen Universität eines reichen Bundeslandes, sagen wir an der Münchener Ludwig- Maximilians- Universität, arbeitet es sich komfortabler als an einer ehemaligen Pädagogischen Hochschule eines vergleichsweise armen Bundeslandes, die in den siebziger Jahre zur "Gesamthochschule" ernannt worden war.
Ganz anders ist das an den MPI. Es gibt im Augenblick 78 solche Institute; die meisten in Deutschland angesiedelt, einige aber auch in Italien und Holland. Dort arbeiten rund 4.400 Wissenschaftler, unterstützt von ungefähr doppelt so vielen nichtwissenschaftlichen Mitarbeitern und von um die 10.000 Doktoranden und Postdoktoranden.
Dieser Archipel Planck in der deutschen Forschungslandschaft ist nicht nur eine paradiesische Gegend, was die Relation von Nichtwissenschaftlern zu Wissenschaftlern angeht, und damit das Maß an Unterstützung, das die Wissenschaftler in ihrer Arbeit erfahren. Paradiesisch ist auch in aller Regel die apparative Ausstattung, ist die Möglichkeit, eigene Forschungsideen durch Doktoranden weiterverfolgen zu lassen, sind die Finanzmittel (jährlich mehr als 1,3 Milliarden Euro).
Und paradiesisch ist für die meisten dort arbeitenden Wissenschaftler auch, daß sie keine Lehrverpflichtungen haben, daß weit weniger "Gremienarbeit" und Verwaltungsarbeit anfällt als an den Universitäten; kurz, daß sie ihre Arbeitskraft weitgehend der Forschung widmen können.
In der FAZ hat sich vor ein paar Tagen eine Gruppe von Naturwissenschaftlern zu Wort gemeldet, und zwar mit einer vernichtenden Kritik an diesem deutschen System, das die Forschung zwischen Universitäten und MPI aufteilt, aber zu sehr ungleichen Arbeitsbedingungen.
Drei der Autoren arbeiten derzeit an US-Universitäten. Dort gibt es eine solche Aufteilung nicht. Die Forschung findet ganz überwiegend an den Universitäten statt. Und zwar, wie der internationale Erfolg der US-Forschung zeigt, offenbar effektiv.
Das System der MPI dagegen hat, so schreiben die Autoren, zahlreiche gravierende Nachteile; man kann sie in ihrem Artikel im einzelnen nachlesen. Was sie als eine grundlegende Reform vorschlagen, erscheint mir interessant:
Solche exzellenten Forschungseinrichtungen für herausragende Wissenschaftler sollten nach Ansicht der Autoren erhalten bleiben; nicht aber die vielen heute existierenden MPI, die thematisch und nicht personell ausgerichtet sind. Diese sollten so in die Universitäten integriert werden, daß es einerseits den Universitäten zugutekommt - durch einen Zuwachs an herausragenden Forschern und Ressourcen, durch die sich dadurch ergebenden Möglichkeiten für ihre Studenten -; daß es andererseits aber auch diesen Forschungs- Einrichtungen dient.
Warum würde eine Integration in Universitäten auch diesen Forschungs- Einrichtungen dienen? Bisher habe ich die Autoren des FAZ-Artikels referiert; jetzt möchte ich einige persönliche Überlegungen anschließen.
Das System reiner Forschungseinrichtungen, wie es in den MPI realisiert ist, ist meines Erachtens ein Ausdruck etatistischen Denkens.
Fast alle Staaten mit einer etatistischen Tradition haben Vergleichbares. In den kommunistischen Ländern waren es die Akademien der Wissenschaften, in die massiv Forschungsgelder flossen. In Frankreich ist es der Conseil National de Recherche Scientifique.
Bezeichnend für ein solches System ist die Konzentration der Forschung zu jeweils einem Thema an jeweils einem Ort. Es gibt zwischen MPI keine Konkurrenz; jedenfalls ist es nicht beabsichtigt, daß verschiedene Institute zum selben Thema forschen. Jedes hat sozusagen seine Erbhöfe. Es ist im Grunde ein System wie im Feudalismus, oder eben im Kommunismus.
Das ist in meinen Augen der eine schwerwiegende Nachteil dieses Systems. Er bedeutet ja nicht nur, daß Konkurrenz als Ansporn fehlt, sondern auch, daß bestimmte theoretische und methodische Ansätze von den jeweiligen Instituten monopolisiert werden. (Natürlich gibt es die Konkurrenz zu den Universitäten, natürlich die internationale Konkurrenz).
Der zweite schwerwiegende Nachteil ist das, was viele dort Arbeitende gerade als einen besonderen Vorteil empfinden: Sie haben keine Lehrverpflichtungen.
Das bedeutet zwar weniger Arbeit. Es bedeutet aber auch, daß diese Wissenschaftler in der Regel keinen Kontakt zu Studierenden haben, bis diese den Doktoranden- Status erreichen.
Wer viele Kontakte mit Wissenschaftlern an Universitäten und an MPI hat, der wird immer wieder diese Erfahrung machen: In ihrem engeren Forschungsbereich sind die MPIler brillant, was ihre Kenntnis der Literatur, der Methodik usw. angeht. Wenn aber das Gespräch auf breitere Themen kommt, dann sind ihnen ihre Kollegen von den Universitäten fast immer überlegen.
Nicht, weil sie von sich aus einen anderen Zugang zur Wissenschaft hätten. Sondern deshalb, weil sie als Lehrende gar keine Wahl haben, als sich mit dem Fach in seiner Breite und dessen aktueller Entwicklung zu befassen. MPI- Wissenschaftler sind wirklich in Gefahr, zu dem zu werden, was man einmal herablassend "Fachidioten" nannte; Universitäts- Professoren können sich das in der Regel gar nicht leisten.
Ja, nützt denn aber diese Breite, mit der man an den Universitäten die Entwicklung des Fachs verfolgen muß, auch der Forschung? Sie tut es. Nicht nur, weil neue Ideen häufig erst entstehen, wenn man über die Grenzen des eigenen engeren Forschungsthemas hinausblickt. Sondern auch deshalb, weil nichts dem eigenen Denken förderlicher ist, als es gegenüber seinen "Schülern" zu entwickeln und zu diskutieren.
An den amerikanischen Universitäten weiß man das. Mir ist noch kein amerikanischer Wissenschaftler begegnet, der glücklich wäre, wenn ihm alle seine Lehrverpflichtungen genommen werden würden.
Die Forschungsbedingungen in den drei Bereichen sind radikal verschieden. Die im privaten Bereich sind unter sich wiederum so unterschiedlich, daß man wenig Gemeingültiges über sie sagen kann. Die an den Universitäten sind mäßig untereinander verschieden. Die Arbeitsbedingungen an den MPI sind sehr ähnlich und ungleich besser als an fast allen Universitäten.
Die deutschen Universitäten sind bekanntlich fast alle staatlich; und der Staat, der für sie verantwortlich ist, ist das jeweilige Bundesland. Das ist so aufgrund der Kulturhoheit der Länder. Es hat in Deutschland aber auch eine lange Tradition; Universitäten wurden oft von Landesherren eingerichtet, die sich von ihnen zum einen einen Zuwachs an Ansehen und Wirtschaftskraft versprachen, die zum anderen dort ihre Juristen, Pfarrer und Studienräte ausbilden ließen.
Das bringt es mit sich, daß die Arbeitsbedingungen an den Universitäten der einzelnen Bundesländer verschieden sind; je nach deren Wohlstand, je nach ihrer Liberalität.
Es gibt auch Unterschiede je nach Alter und Geschichte der einzelnen Universitäten. An einer großen Universität eines reichen Bundeslandes, sagen wir an der Münchener Ludwig- Maximilians- Universität, arbeitet es sich komfortabler als an einer ehemaligen Pädagogischen Hochschule eines vergleichsweise armen Bundeslandes, die in den siebziger Jahre zur "Gesamthochschule" ernannt worden war.
Ganz anders ist das an den MPI. Es gibt im Augenblick 78 solche Institute; die meisten in Deutschland angesiedelt, einige aber auch in Italien und Holland. Dort arbeiten rund 4.400 Wissenschaftler, unterstützt von ungefähr doppelt so vielen nichtwissenschaftlichen Mitarbeitern und von um die 10.000 Doktoranden und Postdoktoranden.
Dieser Archipel Planck in der deutschen Forschungslandschaft ist nicht nur eine paradiesische Gegend, was die Relation von Nichtwissenschaftlern zu Wissenschaftlern angeht, und damit das Maß an Unterstützung, das die Wissenschaftler in ihrer Arbeit erfahren. Paradiesisch ist auch in aller Regel die apparative Ausstattung, ist die Möglichkeit, eigene Forschungsideen durch Doktoranden weiterverfolgen zu lassen, sind die Finanzmittel (jährlich mehr als 1,3 Milliarden Euro).
Und paradiesisch ist für die meisten dort arbeitenden Wissenschaftler auch, daß sie keine Lehrverpflichtungen haben, daß weit weniger "Gremienarbeit" und Verwaltungsarbeit anfällt als an den Universitäten; kurz, daß sie ihre Arbeitskraft weitgehend der Forschung widmen können.
In der FAZ hat sich vor ein paar Tagen eine Gruppe von Naturwissenschaftlern zu Wort gemeldet, und zwar mit einer vernichtenden Kritik an diesem deutschen System, das die Forschung zwischen Universitäten und MPI aufteilt, aber zu sehr ungleichen Arbeitsbedingungen.
Drei der Autoren arbeiten derzeit an US-Universitäten. Dort gibt es eine solche Aufteilung nicht. Die Forschung findet ganz überwiegend an den Universitäten statt. Und zwar, wie der internationale Erfolg der US-Forschung zeigt, offenbar effektiv.
Das System der MPI dagegen hat, so schreiben die Autoren, zahlreiche gravierende Nachteile; man kann sie in ihrem Artikel im einzelnen nachlesen. Was sie als eine grundlegende Reform vorschlagen, erscheint mir interessant:
Zum einen sollte die Max- Planck- Gesellschaft das Harnack- Prinzip wieder stringent anwenden. Zum anderen sollten erfolgreiche MPI, deren Forschungsaktivitäten parallel zu jenen an Universitäten laufen oder laufen könnten, in unser Universitätssystem eingebunden werden. Als Universitätseinrichtungen könnten diese Max- Planck- Institute Sondereinrichtungen mit eigenem Budget sein, sozusagen Eliteinstitute der jeweiligen Universitäten; die Mitglieder erhielten volle Lehrberechtigung und abgestufte Lehrverpflichtungen.Das "Harnack- Prinzip" ist die ursprüngliche Konzeption, MPI jeweils ad personam für herausragende Forscher zu gründen, die dort freie Hand und alle Ressourcen haben, um ihre Ideen zu verwirklichen. Beispiele sind das "MPI für Verhaltensphysiologie" in Seewiesen, das für Konrad Lorenz und Erich von Holst gegründet worden war, und das Starnberger "MPI zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich- technischen Welt", das man für Carl- Friedrich von Weizsäcker und Jürgen Habermas geschaffen hatte. Beide gibt es nicht mehr.
Solche exzellenten Forschungseinrichtungen für herausragende Wissenschaftler sollten nach Ansicht der Autoren erhalten bleiben; nicht aber die vielen heute existierenden MPI, die thematisch und nicht personell ausgerichtet sind. Diese sollten so in die Universitäten integriert werden, daß es einerseits den Universitäten zugutekommt - durch einen Zuwachs an herausragenden Forschern und Ressourcen, durch die sich dadurch ergebenden Möglichkeiten für ihre Studenten -; daß es andererseits aber auch diesen Forschungs- Einrichtungen dient.
Warum würde eine Integration in Universitäten auch diesen Forschungs- Einrichtungen dienen? Bisher habe ich die Autoren des FAZ-Artikels referiert; jetzt möchte ich einige persönliche Überlegungen anschließen.
Das System reiner Forschungseinrichtungen, wie es in den MPI realisiert ist, ist meines Erachtens ein Ausdruck etatistischen Denkens.
Fast alle Staaten mit einer etatistischen Tradition haben Vergleichbares. In den kommunistischen Ländern waren es die Akademien der Wissenschaften, in die massiv Forschungsgelder flossen. In Frankreich ist es der Conseil National de Recherche Scientifique.
Bezeichnend für ein solches System ist die Konzentration der Forschung zu jeweils einem Thema an jeweils einem Ort. Es gibt zwischen MPI keine Konkurrenz; jedenfalls ist es nicht beabsichtigt, daß verschiedene Institute zum selben Thema forschen. Jedes hat sozusagen seine Erbhöfe. Es ist im Grunde ein System wie im Feudalismus, oder eben im Kommunismus.
Das ist in meinen Augen der eine schwerwiegende Nachteil dieses Systems. Er bedeutet ja nicht nur, daß Konkurrenz als Ansporn fehlt, sondern auch, daß bestimmte theoretische und methodische Ansätze von den jeweiligen Instituten monopolisiert werden. (Natürlich gibt es die Konkurrenz zu den Universitäten, natürlich die internationale Konkurrenz).
Der zweite schwerwiegende Nachteil ist das, was viele dort Arbeitende gerade als einen besonderen Vorteil empfinden: Sie haben keine Lehrverpflichtungen.
Das bedeutet zwar weniger Arbeit. Es bedeutet aber auch, daß diese Wissenschaftler in der Regel keinen Kontakt zu Studierenden haben, bis diese den Doktoranden- Status erreichen.
Wer viele Kontakte mit Wissenschaftlern an Universitäten und an MPI hat, der wird immer wieder diese Erfahrung machen: In ihrem engeren Forschungsbereich sind die MPIler brillant, was ihre Kenntnis der Literatur, der Methodik usw. angeht. Wenn aber das Gespräch auf breitere Themen kommt, dann sind ihnen ihre Kollegen von den Universitäten fast immer überlegen.
Nicht, weil sie von sich aus einen anderen Zugang zur Wissenschaft hätten. Sondern deshalb, weil sie als Lehrende gar keine Wahl haben, als sich mit dem Fach in seiner Breite und dessen aktueller Entwicklung zu befassen. MPI- Wissenschaftler sind wirklich in Gefahr, zu dem zu werden, was man einmal herablassend "Fachidioten" nannte; Universitäts- Professoren können sich das in der Regel gar nicht leisten.
Ja, nützt denn aber diese Breite, mit der man an den Universitäten die Entwicklung des Fachs verfolgen muß, auch der Forschung? Sie tut es. Nicht nur, weil neue Ideen häufig erst entstehen, wenn man über die Grenzen des eigenen engeren Forschungsthemas hinausblickt. Sondern auch deshalb, weil nichts dem eigenen Denken förderlicher ist, als es gegenüber seinen "Schülern" zu entwickeln und zu diskutieren.
An den amerikanischen Universitäten weiß man das. Mir ist noch kein amerikanischer Wissenschaftler begegnet, der glücklich wäre, wenn ihm alle seine Lehrverpflichtungen genommen werden würden.
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