Die Wahl in Hessen verspricht ungewöhnlich spannend zu werden. Erstens wegen der Bedeutung des Wahlausgangs. Zweitens wegen seiner Unsicherheit.
Diese Unsicherheit hat eine Reihe von Ursachen. Allgemeinere Faktoren, die aber bei dieser Wahl zusammentreffen:
Die Bedeutung des Wahlausgangs hat ebenfalls verschiedene Aspekte:
Diese Unsicherheit hat eine Reihe von Ursachen. Allgemeinere Faktoren, die aber bei dieser Wahl zusammentreffen:
Schon seit einiger Zeit beobachten die Demoskopen eine wachsende Zahl von "Verweigerern", also von Personen, die ein Interview ablehnen. Sie fallen bei den meisten Instituten für die ermittelten Rohdaten (die "gemessenen Werte") einfach unter den Tisch. An sich wäre es richtig, wenn die Institute auch den Prozentsatz der Verweigerer publizieren würden; aber das machen sie im Allgemeinen nicht.
In die gewichteten Daten ("Projektion") gehen die Verweigerer insofern ein, als man Erfahrungswerte hat, wie hoch deren Prozentsatz bei den Anhängern der einzelnen Parteien ist. Er ist zum Beispiel bei Rechtsextremen besonders hoch. Das wird bei der Gewichtung berücksichtigt. Wenn sich aber der Anteil der Verweigerer ändert, dann fehlen gute Erfahrungswerte, und die Gewichtung wird unsicherer.Die Wahlentscheidung wird diesmal in Hessen ungewöhnlich stark von aktuellen Schwankungen in der Stimmung der Wähler bestimmt.
Roland Kochs Thema "Jugendkriminalität" kam zuerst gut an, bis er die Eselei beging, es auf Kinder auszudehnen und damit eine Abwehrreaktion auszulösen. Die Frage einer möglichen Zusammenarbeit der SPD mit den Kommunisten spielte lange kaum eine Rolle und wurde erst in den letzten Tagen zu einem Wahlkampfthema. Der persönliche Vorsprung Kochs vor Ypsilanti schmolz dahin wie Schnee in der Frühlingssonne und verkehrte sich schließlich ins Gegenteil.
An welcher Stelle das Pendel in dieser Hin- und Herbewegung am 27. Januar gerade angekommen sein wird, ist kaum zu prognostizieren. Es kann noch eine Veränderung in letzter Minute geben, ähnlich derjenigen, die kürzlich bei den Vorwahlen von New Hampshire Hillary Clinton nach vorn gebracht hat.Der dritte Unsicherheitsfaktor ist die Wahlbeteiligung. Bei einer geringen Wahlbeteiligung ist das Ergebnis besser zu prognostizieren, denn dann gehen nur die politisch Interessierten zur Wahl, die weniger zum Verweigern tendieren und die ihre Wahlentscheidung auch weniger von Stimmungen abhängig machen.
Wenn aber - wie jetzt nach einem hitzigen Wahlkampf - mit einer hohen Wahlbeteiligung zu rechnen ist, dann wird das Ergebnis auch von denen mitbestimmt, die französische Wahlforscher le marais nennen, den Sumpf. Menschen, die heute vielleicht selbst noch nicht wissen, wo sie am Sonntag ihr Kreuz machen werden.
Die Bedeutung des Wahlausgangs hat ebenfalls verschiedene Aspekte:
Diesen Ablauf von vor gut zwanzig Jahren wird man jetzt wohl in Hessen eifrig studieren; besonders eifrig in den Vorständen der SPD und der Kommunisten.Erstens ist Hessen seit langem ein zwischen SPD und CDU umkämpftes Bundesland. Es war einmal, unter Georg August Zinn, Albert Osswald und Holger Börner, das "rote Musterländle", so sicher in der Hand der SPD wie Bayern in der Hand der CSU. Es wurde dann, unter den Parteivorsitzenden Alfred Dregger und Walter Wallmann, der es auch zum Ministerpräsidenten brachte, die Hochburg einer besonders konservativen CDU, wie auch jetzt wieder unter Koch. Dazwischen war Hessen, mit Hans Eichel als Ministerpräsidenten, wieder von der SPD regiert worden.
Immer, wenn Hessen zur anderen Seite hin kippte, hatte das eine bundesdeutsche Signalwirkung. So würde es auch diesmal sein, wenn Ypsilanti siegen sollte.Hinzu kommt zweitens, daß das Kippen diesmal nicht einfach der Wechsel von einer CDU- Regierung zu einer von der SPD geführten wäre. Sondern zugleich würde es möglicherweise in Westdeutschland die erste Regierung geben, an der die Kommunisten, in welcher Form auch immer, beteiligt wären.
Frau Ypsilanti hat inzwischen so laut gesagt, sie werde nicht mit der Linkspartei "zusammenarbeiten", daß eine Koalition mit ihr oder ein formaler Duldungsvertrag wohl nicht, jedenfalls nicht gleich nach den Wahlen, in Frage käme. Aber da ist ja noch das Kleingedruckte.
Der Wahlkampfleiter der Kommunisten, Bodo Ramelow, hat sich heute im "Morgenmagazin" der ARD im Interview mit Werner Sonne auf eine nachgerade lächerliche Weise gewunden, als er sagen sollte, ob denn seine Partei zu einer Koalition oder zur Duldung bereit sei. Was er aber ziemlich klar andeutete, das war die Bereitschaft, Frau Ypsilanti zu wählen.
Und das würde dieser ja reichen. Sie kann mit dem Wahlgeheimnis argumentieren; sie kann sagen, daß sie sich ja nicht dagegen wehren kann, wenn jemand sie wählen will. Und einmal gewählt, kann niemand ihr eine stillschweigende Zusammenarbeit mit den Kommunisten verwehren.
Sollte es dazu kommen - und es wird wohl dazu kommen, wenn Schwarzgelb keine Mehrheit erreicht, denn alle anderen Koalitionen wären abenteuerlich -, dann hätte Hessen wieder eine Vorreiterrolle für den Bund, ähnlich wie Mitte der achtziger Jahre.
Damals hatte im Wahlkampf 1984 Holger Börner die Grünen heftig attackiert, jede Zusammenarbeit mit ihnen vehement ausgeschlossen und ihnen Prügel mit der "Dachlatte" angedroht. Als die SPD keine Mehrheit erreichte, ließ er sich von den Grünen zum Ministerpräsidenten mitwählen, ohne zunächst formal mit ihnen zu koalieren. 1985 war es dann soweit. Mitten in der laufenden Legislatur- Periode wurden aus den Duldern Mitregierende, und Joschka Fischer leistete in Turnschuhen seinen Amtseid als Minister.
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