4. Januar 2008

Randbemerkung: Warum Huckabee und Obama gewannen. Das Paradox von Iowa

Das Paradoxe im Ergebnis von Iowa liegt darin, daß die beiden Gewinnner ihre Siege sehr spezifischen Faktoren im Bundesstaat Iowa verdanken, daß sie damit aber zugleich die Weichen für einen Sieg auch auf nationaler Ebene gestellt haben könnten.

Huckabee wurde ganz wesentlich von Evangelikalen gewählt.

Sie - die sich selbst gern als wiedergeborene Christen bezeichnen - sind in Iowa ungewöhnlich zahlreich. Nur bei ihnen erreichte Huckabee den ersten Platz. Bei den anderen - sie gaben Romney die meisten Stimmen - lag er bei weniger als zwanzig Prozent.

Obama profitierte entscheidend vom Iowa- typischen System des Caucus bei den Demokraten.

Erstens, weil er seit langem vor allem nicht parteigebundene Wähler (Independents) anspricht. In Iowa dürfen diese am Caucus teilnehmen.

Zweitens, weil es in Iowa bei den Demokraten das komplizierte Caucus- Verfahren gibt, das ich kürzlich beschrieben habe: Nach einer halben Stunde Diskussionen scheiden diejenigen Kandidaten aus, für die sich weniger als (meist) 15 Prozent der Anwesenden entschieden haben. Um deren Stimmen werben dann die Anhänger der anderen Kandidaten. Es ist also wichtig für den Sieg eines der großen Kandidaten, für möglichst viele Anhänger der kleineren Kandidaten als zweite Wahl in Frage zu kommen. Das tut Clinton nicht, wie Umfragen seit langem zeigen. Sie polarisiert. Wer sich nicht für sie entschieden hat, der ist in der Regel ihr Gegner.



Obwohl also Bedingungen, die in den meisten anderen Bundesstaaten so nicht existieren, wesentlich für den Erfolg der beiden Sieger verantwortlich sein dürften, hat diese Wahl doch immense nationale Bedeutung. Und zwar deswegen, weil beide Sieger bis gestern als nicht wirklich aussichtsreich galten. Obama, weil er unerfahren und ein Schwarzer ist; Huckabee, weil er unerfahren und ein Evangelikaler ist.

Sie haben beide jetzt überzeugend bewiesen, daß sie siegen können. Beide haben das auch in ihren gestrigen Reden hervorgehoben, deren Tenor so gut wie identisch war: Man hat mir einen solchen Sieg nicht zugetraut, aber siehe - hier ist er.

Und Hillary Clinton? Sie hat in ihrer Rede - ein Kommentator bei CNN hat das unverblümt gesagt - das genau Falsche getan.

Als sie sprach, stand noch nicht fest, daß sie es noch nicht einmal auf den zweiten Platz geschafft hatte. Daß sie nicht gesiegt hatte, war aber klar. Auf diesen Rückschlag ist sie mit keinem Wort eingegangen. Sie wirkte auf mich wie letztes Jahr Ségolène Royal, die nach dem verlorenen ersten Wahlgang mit strahlendem Lächeln vor die Journalisten trat und so tat, als sei sie die Siegerin.

So auch Clinton. Damit machte sie einen krassen Fehler. Denn in diesem Wahlkampf ist Authentizität ein Schlüsselbegriff, die Glaubwürdigkeit der Kandidaten. Wer seine Niederlage einfach übergeht, der ist nicht glaubwürdig.

Dann hat sie noch einen zweiten Fehler auf den ersten draufgesetzt, indem sie - offenbar in dem Versuch, das Positive in dem Ergebnis zu finden - immer wieder von der Demokratischen Partei sprach und diese in den höchsten Tönen lobte. Sehr ungeschickt, wenn man auch nicht gebundene Wähler ansprechen will.



Noch etwas zu meinem persönlichen Eindruck von den Reden Huckabees und Obamas:

Huckabee, den ich zum ersten Mal bei einem längeren Auftritt gesehen habe, wirkte auf mich unerwartet sympathisch. Der einzige, der Selbstironie zeigte, der sich menschlich und entspannt gab. Der einzige, den man vermutlich schwer im Computer hätte generieren können. Ein Mann, von dem man einen Gebrauchtwagen kaufen würden, den man gern zum Freund hätte.

Obama war, wie immer, rhetorisch glänzend. Auch in seiner Mimik, die mit entschlossenem Blick und manchmal vorgerecktem Kinn Entschlossenheit signalisierte. Inhaltlich war seine Rede aber vollständig leer. Sie bestand in Variationen der Aussage, daß der Change angesagt sei, und in Lobpreisungen Amerikas.



Wenn sie nicht einen Präsidenten im Amt bestätigen oder einen seiner Getreuen zum Nachfolger wählen, dann neigen die Amerikaner dazu, sich einen Helden auszusuchen, der den Aufbruch zu neuen Ufern verspricht. So wurden Roosevelt, Kennedy, Carter, Reagan Präsident.

Sowohl Huckebee als auch Obama haben diesen messianischen Touch. Bei Obama verbunden mit jugendlichem Ungestüm, bei Huckabee eher innerhalb der Rolle des Weisen. Der eine ein zweiter Kennedy, der andere ein neuer Ronald Reagan.

Oder ein neuer Eisenhower, dessen Slogan "I like Ike" Huckabees Wahlkämpfer zu "I like Mike" abgewandelt haben. An Eisenhower allerdings erinnern sich nur noch die ganz Alten. Und die sind, wie die entrance polls zeigen, bei den Republikanern ohnehin für Huckabee.



Nachtrag: Wer sich die Reden von Obama und Clinton ansehen will, findet Links zu den YouTube- Videos in dem Kommentar von Marian Wirth in B.L.O.G., der überhaupt sehr lesenswert ist.

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