24. April 2012

Zitat des Tages: "Ich will keine Bio-Deutsche sein". Monika Maron über die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört

Ich möchte nicht, dass man mich jetzt mit der rassistischen Bezeichnung Bio-Deutsche belegt, wie ich auch gerne auf die Klassifizierung "mit Migrationshintergrund" verzichten würde, wenn die so Genannten sich auch als Deutsche verstehen wollten, weil sie hier geboren wurden, vielleicht sogar schon ihre Eltern, weil wir alle gemeinsam hier leben, und weil es mir gleichgültig ist, an welchen Gott jemand glaubt, solange es dem anderen auch gleichgültig ist.

Das heißt aber nicht, dass außer seinen Gläubigen auch gleich der zugewanderte Gott in das deutsche Selbstverständnis integriert werden muss, unabhängig davon, ob der Islam eine prägende Rolle für die deutsche Kultur gespielt hat oder nicht.
Monika Maron gestern in "Welt-Online" in einem Artikel mit der Überschrift "Warum der Islam nicht zu Deutschland gehört".

Kommentar: Auf Monika Maron bin ich zuerst aufmerksam geworden, als 1987/88 im "Zeit-Magazin" ihr west-ostdeutscher Briefwechsel mit Joseph von Westphalen erschien, der später unter dem Titel "Trotzdem herzliche Grüße" in Buchform publiziert wurde, was Maron, die damals noch in der DDR lebte, dort Ärger einbrachte.

Mir schien damals, daß Monika Maron in diesen als Briefe drapierten Artikeln auf subtile Weise gleich doppelt gegen das zu verstoßen versuchte, was man von ihr erwartete:

Die DDR-Oberen erwarteten von der Stieftochter des einstigen DDR-Innenministers Karl Maron, daß sie die DDR preisen würde. Das tat sie nicht. Die linksliberale Redaktion der "Zeit" dürfte, als sie diesen Briefwechsel mit dem linken Westdeutschen Joseph von Westphalen arrangierte, so etwas erwartet haben wie eine Debatte aus verschiedener Perspektive darüber, welches der bessere Weg zu einem Sozialismus mit menschlichem Antlitz sei.

Auch das verweigerte Maron. Je länger dieser Briefwechsel währte, umso deutlicher wurde, wie negativ sie den Sozialismus inzwischen sah; in welcher Form auch immer. Sie mußte das, solange sie noch in der DDR lebte, in diesen Artikeln zurückhaltend formulieren. Aber als sie dann ihr Ausreisevisum in die Bundesrepublik hatte, wurde sie deutlich; beispielsweise in einem Gespräch mit Volker Hage (heute beim "Spiegel", seinerzeit Redakteur der "Zeit") kurz nach ihrem Eintreffen in Hamburg. Maron über die damals noch real existierende DDR:
Was soll das für ein Gelingen sein, wenn man endlich seine Leberwurst und seine Salatgurke zum Abendbrot ergattert hat? (...) Was wirklich nervend ist: der Umgangston. Jeder gibt den mürrischen Satz, den er gerade empfangen hat, an den nächsten weiter. Von den großen Ideen ist viel mehr als rechthaberisches Preußentum nicht übriggeblieben - und selbst das funktioniert nicht.



Ich erwähne das, weil es Monika Maron als diejenige zeigt, die sie schon damals war: Eine Nonkonformistin im Wortsinn; also jemand, der sich nicht aus Konformismus dem anpaßt, was in der jeweiligen Gesellschaft erwünscht ist. Sie hat das nicht in der DDR getan; sie tut es heute nicht in der Bundesrepublik.

Wer den Konformitätsdruck in der DDR erlebt hat, der dürfte besonders sensibel für Konformitätsdruck auch in einer freien Gesellschaft sein. Auch wenn er hier nicht von oben kommt, sondern sozusagen von der Seite; nämlich von denjenigen in der Öffentlichkeit, im Kulturbetrieb zumal, die es bereits für Zeichen einer rechtsextremen Gesinnung halten, wenn jemand sich für die deutsche Kultur einsetzt.

Denn um Kultur geht es bei dem ominösen Satz "Der Islam gehört zu Deutschland". Natürlich gehören Moslems zu Deutschland; sie wohnen ja hier. Aber das sei nicht gemeint, schreibt Maron:
Niemand käme auf die Idee, zu behaupten: Der Hinduismus und der Konfuzianismus gehören zu Deutschland, obwohl hier Inder und Chinesen leben. Schon gar nicht würden wir sagen wollen: Der Rechtsradikalismus gehört zu Deutschland, obwohl wir leider zur Kenntnis nehmen müssen, dass auch der Rechtsradikalismus hier ausgelebt wird.

Die Anwesenheit von Glaubensrichtungen oder Überzeugungen, auch das Recht sie zu leben und zu propagieren, heißt doch nicht, dass sie zu unserer Vorstellung von der Gesellschaft gehören, in der wir leben wollen.
Vielleicht sind Sie in diesem Zitat über das Wort "ausgelebt" gestolpert. Monika Maron hat es übernommen; und zwar von einer Liberalen. Sie zitiert die Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger: "Der Islam ist eine der Religionen, die in Deutschland ausgelebt werden. Deshalb gehört der Islam natürlich zu Deutschland".

Ausgelebt werden. Wie der Islam in Deutschland "ausgelebt wird", das zeigen unter anderem die gegenwärtigen Auftritte von Salafisten. Gehört auch der Salafismus zu Deutschland? Wenn nicht, welche Varianten, welche Richtungen des Islam sollen es denn sein, die zu Deutschland gehören? Das fragt Maron und weist damit darauf hin, wie phrasenhaft dieser Satz ist, und wie gefährlich damit. Maron:
Es ist nicht nur leichtfertig, sondern verantwortungslos, dem Islam seine Zugehörigkeit zu Deutschland zu bescheinigen, ohne gleichzeitig klar zu benennen, wie er sich reformieren muss, um kein Fremdkörper in einem säkularen und demokratischen, die Freiheitsrechte des Individuums achtenden Staat zu bleiben.
In der Tat.

Es ist schon merkwürdig, daß eine Politikerin wie Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die gern als das "liberale Gewissen der FDP" bezeichnet wird, sich mit der Wortwahl "ausleben" so wenig gewissenhaft, so nachgerade flapsig äußert, wenn es um die Verteidigung des liberalen Rechts­staats gegen seine Feinde geht.

Denn darum geht es. Ein zu Deutschland gehörender - also ein an unsere Kultur assimilierter - Islam kann allenfalls ein Ziel sein. Angesichts der Wirklichkeit des Islam, wie er heute in Deutschland praktiziert wird, ihn bereits als zugehörig zu Deutschland zu kennzeichnen, das läßt, zurückhaltend formuliert, kein sehr großes Verständnis für unsere Kultur erkennen.­ Es begründet die Sorge, daß jemand, der so denkt, mit Deutschland nichts Kulturelles verbindet, sondern - der Ausdruck "Bio-Deutsche" verweist darauf - nur Biologisches.
Zettel



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