Die erste Laudatio auf unseren neuen Präsidenten ist bereits erschienen. Hajo Schumacher, einst "Spiegel"-Redakteur und jetzt freier Journalist, hat sie für "Welt-Online" geschrieben. Sie liest sich über weite Passagen so, als bewerbe sich Schumacher um das Amt des Sprechers des Präsidialamts. Kostprobe:
Zunächst: So ganz sicher ist sie nicht, diese Wahl. Sie ist nur sehr, sehr wahrscheinlich.
Nicht unbedingt im ersten Wahlgang; da mag es manche in den Reihen der Regierungsparteien geben, die sich nicht durch die selbstherrliche Entscheidung der Kanzlerin vorschreiben lassen wollen, wen sie zu wählen haben. Zumal bei der FDP viele Gauck für den liberaleren Kandidaten, auch für persönlich überzeugender halten dürften als Christian Wulff.
Sie werden diese Meinung haben, obwohl doch Wulff, Hajo Schumacher zufolge, so gut und so schlecht ist wie Deutschland. Dem einen oder anderen mag das als Qualifikation für das Amt des Bundespräsidenten als noch nicht ganz ausreichend erscheinen.
Aber wer von den Wahlleuten im ersten Wahlgang aus einem solchen Motiv heraus (oder vielleicht auch, weil er einfach der Kanzlerin eins auswischen will) Wulff nicht mitwählt, der wird es in der Regel mit dieser Demonstration gut sein lassen und im zweiten, spätestens im dritten Wahlgang so wählen, wie man es von einem Politiker erwarten kann: Nach Machtkalkül.
Also werden die Schwarzen und die Gelben dann in hinreichender Zahl Wulff wählen, und die Grünen und die Roten in nicht hinreichender Zahl Gauck.
Spannend könnte es allenfalls dann werden, wenn Wulff auch im zweiten Wahlgang die absolute Mehrheit deutlich verfehlen sollte; dann könnten die Kommunisten ins Grübeln kommen, ob sie nicht im dritten Wahlgang doch Gauck unterstützen, zwecks Vorbereitung der Volksfront im Jahr 2013. Man kann ja dann sagen, gegenüber Wulff sei er immer noch das kleinere Übel.
Alles denkbar. Alles denkbar unwahrscheinlich. Wir werden wohl den Bundespräsidenten Wulff bekommen.
Und dann? Dann werden wir keinen Bundespräsidenten vom Format eines Theodor Heuß, eines Gustav Heinemann, eines Richard von Weizsäcker, eines Roman Herzog oder auch (jawohl) eines Horst Köhler haben.
Aber es wird auch nichts Schlimmes passiert sein.
Eine Chance ist dann vertan; die nämlich, mit Joachim Gauck jemanden zu wählen, der sich in diese Reihe eingefügt hätte. Die Chance, einen bedeutenden Mann zu bekommen, einen selbständigen Kopf, einen großen Liberalen; siehe "Sich aus der Unkultur von Angst, Resignation und Tristesse erlösen"; ZR vom 23. 6. 2010.
Stattdessen werden wir ab heute Mittag wohl einen der "kleinen" Bundespräsidenten haben, einen wie Heinrich Lübke (der so übel nicht war, bevor ihn die beginnende Altersdemenz ereilte), wie Walter Scheel, wie Karl Carstens oder Johannes Rau. Eben einen, der so ist "wie Deutschland, nicht besser, aber auch nicht schlechter".
Er entstammt keinem edlen Gestüt, sondern Verhältnissen dicht am Prekariat. Wenn die jungen Herren von der Jungen Union auf Reisen gingen, bekam Wulff von Gönnern oft ein paar Mark zugesteckt. Seine Anzüge saßen selten gut, dafür glänzten sie vom vielen Aufbügeln.Man sieht, Schumacher hat sich an Charles Dickens geschult. Und so geht es weiter, bis hin zu stilistischen Höhepunkten wie:
Es geht keinen was an, dass sein Opa ihm auf dem Sterbebett mitgab: "Du musst in deinem Leben Verantwortung tragen und für andere da sein."Nun wird er also für andere da sein, ab heute Mittag voraussichtlich. Für uns alle wird er da sein, jener Christian Wulff, der, so will es uns Hajo Schumacher nahebringen, so ist wie wir alle:
Es gehört zu den ewigen Geheimnissen der deutschen Seele, warum die Menschen verabscheuen, was sie selbst ausmacht. Wulff ist ein Kandidat wie Deutschland, nicht besser, aber auch nicht schlechter.Genug des Schmuses. Verlassen wir den Laudator Schumacher bei diesem Urteil über Deutschland und fragen wir, wie es nach der Wahl von Wulff weitergehen wird.
Zunächst: So ganz sicher ist sie nicht, diese Wahl. Sie ist nur sehr, sehr wahrscheinlich.
Nicht unbedingt im ersten Wahlgang; da mag es manche in den Reihen der Regierungsparteien geben, die sich nicht durch die selbstherrliche Entscheidung der Kanzlerin vorschreiben lassen wollen, wen sie zu wählen haben. Zumal bei der FDP viele Gauck für den liberaleren Kandidaten, auch für persönlich überzeugender halten dürften als Christian Wulff.
Sie werden diese Meinung haben, obwohl doch Wulff, Hajo Schumacher zufolge, so gut und so schlecht ist wie Deutschland. Dem einen oder anderen mag das als Qualifikation für das Amt des Bundespräsidenten als noch nicht ganz ausreichend erscheinen.
Aber wer von den Wahlleuten im ersten Wahlgang aus einem solchen Motiv heraus (oder vielleicht auch, weil er einfach der Kanzlerin eins auswischen will) Wulff nicht mitwählt, der wird es in der Regel mit dieser Demonstration gut sein lassen und im zweiten, spätestens im dritten Wahlgang so wählen, wie man es von einem Politiker erwarten kann: Nach Machtkalkül.
Also werden die Schwarzen und die Gelben dann in hinreichender Zahl Wulff wählen, und die Grünen und die Roten in nicht hinreichender Zahl Gauck.
Spannend könnte es allenfalls dann werden, wenn Wulff auch im zweiten Wahlgang die absolute Mehrheit deutlich verfehlen sollte; dann könnten die Kommunisten ins Grübeln kommen, ob sie nicht im dritten Wahlgang doch Gauck unterstützen, zwecks Vorbereitung der Volksfront im Jahr 2013. Man kann ja dann sagen, gegenüber Wulff sei er immer noch das kleinere Übel.
Alles denkbar. Alles denkbar unwahrscheinlich. Wir werden wohl den Bundespräsidenten Wulff bekommen.
Und dann? Dann werden wir keinen Bundespräsidenten vom Format eines Theodor Heuß, eines Gustav Heinemann, eines Richard von Weizsäcker, eines Roman Herzog oder auch (jawohl) eines Horst Köhler haben.
Aber es wird auch nichts Schlimmes passiert sein.
Eine Chance ist dann vertan; die nämlich, mit Joachim Gauck jemanden zu wählen, der sich in diese Reihe eingefügt hätte. Die Chance, einen bedeutenden Mann zu bekommen, einen selbständigen Kopf, einen großen Liberalen; siehe "Sich aus der Unkultur von Angst, Resignation und Tristesse erlösen"; ZR vom 23. 6. 2010.
Stattdessen werden wir ab heute Mittag wohl einen der "kleinen" Bundespräsidenten haben, einen wie Heinrich Lübke (der so übel nicht war, bevor ihn die beginnende Altersdemenz ereilte), wie Walter Scheel, wie Karl Carstens oder Johannes Rau. Eben einen, der so ist "wie Deutschland, nicht besser, aber auch nicht schlechter".
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Christian Wulff 2009. Vom Autor Ukko.de unter GNU Free Documentation License, Version 1.2 oder später, freigegeben. Bearbeitet.