29. Juni 2010

Zitat des Tages: Die Ministerin Schröder ist für fast "alle zuständig". Nebst einem Blick auf die Geschichte der Aufblähung ihres Ministeriums

Ich bin dem Namen des Ministeriums nach für alle zuständig - außer für mittelalte, kinderlose Männer.

Bundesministerin Kristina Schröder am vergangenen Sonnabend in einem Interview mit der "Rheinischen Post".


Kommentar: Wahr gesprochen. Der volle Name des Ministeriums, dem Kristina Schröder vorsteht, lautet Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Nur wer nicht Frau ist, keine Kinder hat und weder zur Jugend noch zu den Senioren gehört, entgeht der Betreuung durch dieses Ministerium.

Vor der zitierten Antwort der Ministerin steht in der "Rheinischen Post": "(lacht)". Ja, das ist zum Lachen. Nur eine Minderheit der Deutschen fällt heute durch ein Raster, das ansonsten alle mit staatlicher Betreuung, Förderung, Unterstützung, mit Betütelung aller Art überzieht.

Der "Sozialstaat" wurde, als er sich vor mehr als einem Jahrhundert herauszubilden begann, als ein Staat verstanden, der den Schwachen hilft, die sich selbst nicht helfen können; also einer Minderheit. Heute ist dieser Sozialstaat für das Wohl (fast) aller Bürger zuständig.

Kaum einem von uns wird mehr zugetraut, sich selbst helfen zu können. Aus der Fürsorge für eine Minderheit ist die Bevormundung der großen Mehrheit geworden. Und eine wesentliche Schaltstelle ist dabei dieses Ministerium mit dem langen Namen.

Ausgenommen ist bedauerlicherweise noch jene Minderheit der mittelalten, kinderlosen Männer. Das ist eine Lücke. Es wird Zeit, die Bezeichnung des Ministeriums mindestens um "Singles" zu ergänzen; besser noch gleich auch um "Männer".

"Bundesministerium für Familie und Singles, Jugend und Senioren, Frauen und Männer" - wäre das nicht ein schöner Name?



Die Geschichte dieses Ministeriums spiegelt die Entwicklung der Bundesrepublik vom Staat der sozialen Marktwirtschaft zum durchsozialdemokratisierten Versorgungsstaat wider.

Am Anfang gab es dieses Ministerium gar nicht. Im ersten Kabinett Konrad Adenauers von 1949 war keine der Aufgaben, die heute das Ressort der Ministerin Schröder ausmachen, durch ein Ministerium vertreten.

Als Konrad Adenauer nach den Wahlen 1953 sein zweites Kabinett bildete, wurde erstmals ein einschlägiges Ressort geschaffen: Das "Bundesministerium für Familienfragen" des konservativen Katholiken Franz-Josef Wuermeling. Unvergessen ist, von ihm 1955 eingeführt, "Der Wuermeling"; jener Ausweis, den man als Kind aus einer "kinderreichen" (ab drei Kinder) Familie erhielt und der es erlaubte, zum Kindertarif Bahn zu fahren, auch wenn man zum Beispiel schon studierte.

Dann ging es los mit dem Erweitern.

Nach dem Wahlsieg Adenauers von 1957 wurde Wuermelings Ministerium um die Zuständigkeit für Jugendfragen erweitert. "Bundesministerium für Familien- und Jugendfragen", dann nur noch kurz "Bundesministerium für Familie und Jugend" hieß es auch noch, als es 1962 Bruno Heck von Wuermeling übernahm, auf den in der Großen Koalition kurzzeitig die heute vergessene Änne Brauksiepe folgte.

Sie war die erste Frau an der Spitze dieses Ministeriums. Fortan sollte es - mit einer einzigen Ausnahme - eine Frauendomäne sein.

Auf Brauksiepe folgte im ersten Kabinett Willy Brandts Käthe Strobel. Durch Zusammenlegung mit dem zuvor von ihr geleiteten Gesundheitsministerium wurde das Ressort abermals erweitert und hieß jetzt "Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit". Jugend also nun vor Familie, anders, als es unter Adenauer, Erhard und Kiesinger gewesen war.

Nach dem Wahlsieg der sozialliberalen Koalition 1972 blieb diese Bezeichnung erhalten; und natürlich übernahm das Ministerium wieder eine Frau, Katherina Focke. Es folgten bis zum Ende der sozialliberalen Koalition die Ministerinnen Antje Huber und Anke Fuchs.

Eine Frau aus der SPD, das war von 1969 bis 1982 die sozusagen geborene Besetzung für dieses Ressort, das in dieser Zeit auch seinen Namen nicht änderte. Er blieb auch noch erhalten, als 1982 mit Heiner Geißler noch einmal ein Mann das Ressortchef wurde. 1985 folgte ihm die sehr populäre Rita Süßmuth; seither ist das Ministerium wieder fest in Frauenhand.

Im Wahljahr 1986 kam ein erneuter Durchbruch. Wähleranalysen hatten gezeigt, daß der CDU die Frauen davonliefen. Als Gegenmittel wurde das Ministerium von Rita Süßmuth um die Zuständigkeit für Frauen erweitert. Vom Juni 1986 an trug es den stolzen Namen "Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit".

1988 folgte der zur Bundestagspräsidentin aufgestiegenen Rita Süßmuth die Professorin Ursula Lehr nach, eine Psychologin mit dem Forschungsschwerpunkt Alter. Das Ministerium kümmerte sich unter ihr folglich verstärkt um Senioren; auf seine Bezeichnung - sie wäre damit wohl allzu unhandlich geworden - wirkte sich das aber zunächst nicht aus.



Aber es war nun natürlich weiter für die Familie zuständig, dieses Ministerium. Es war zusätzlich für die Jugend zuständig geworden und nun auch die Senioren. Es war für die Frauen zuständig geworden und für die Gesundheit; auch jene der Männer. Das Ministerium, das es im ersten Kabinett Adenauer noch gar nicht gegeben hatte, war zu einem Monster herangewachsen.

Nach der Wiedervereinigung, als es auch darum ging, Ministerien an Politiker aus dem Osten zu vergeben, wurde das Ministerium zerlegt wie einst das Reich Karls des Großen. Zugleich tauchten nun die Senioren auch offiziell im Namen auf. Familie und Senioren ging an Hannelore Rönsch, Frauen und Jugend an Angela Merkel und die Gesundheit an Gerda Hasselfeld.

Bald aber wuchs wieder zusammen, was zusammengehörte. Nach den Bundestagswahlen von 1994 machte Helmut Kohl aus zwei wieder eins, und die junge Claudia Nolte aus dem Osten erhielt ein Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Und so heißt es heute noch. Zuständig für uns alle; es sei denn, wir sind männlich, mittleren Alters und kinderlos.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken.