1. Juni 2010

Bundespräsident Köhler ist zurückgetreten. Jetzt wird nachgetreten. Die Jämmerlichkeit der Leitmedien

Nichts zwang Horst Köhler zum Rücktritt. Nichts legte ihm diesen auch nur nahe. Er hat diese Entscheidung frei getroffen; er hat damit gezeigt, wie man sich verhalten kann, wenn man sich den sogenannten Zwängen des politischen Geschäfts nicht unterworfen fühlt. Horst Köhler hat sich als ein Ehrenmann verhalten.

Er hat die Konsequenz daraus gezogen, daß es nicht nur Kritik an ihm ohne Respekt für das Amt des Präsidenten gegeben hatte, sondern daß vor allem dieser Kritik nicht entgegengetreten worden war. Nicht von namhaften Publizisten, nicht von der Kanzlerin.

Diese regierende Koalition hat den Präsidenten behandelt wie ein lästiges Übel. Die Wahrheit, die er ausgesprochen hatte, war genierlich. Also hielt man sich aus der Sache heraus. Die Lebenslüge, daß die Bundesrepublik Deutschland als einziges Land der Welt ihre Streitkräfte nicht zur Wahrung eigener Interessen, sondern zum Besten Anderer einsetzt, sollte nicht angetastet werden.



Horst Köhler ist zurückgetreten, und er hat damit vielleicht dem Gemeinwesen den letzten Dienst erweisen wollen, wenigstens eine Debatte über das Amt des Bundespräsidenten anzustoßen; auch eine Diskussion über die Einsätze der Bundeswehr.

Wenn er das gewollt hat, dann hat er die Realität verkannt. Daß jemand sich nobel verhält, ist im Weltbild derer, die unsere Medien gestalten, nicht vorgesehen.

Diejenigen, die dort schreiben und deren Schreibe "Öffentliche Meinung" heißt, sehen die Motivation von Menschen so, wie sie es selbst an sich und anderen erleben: Kleinkariert, egoistisch, immer auf den eigenen Vorteil bedacht.

Beispiele? Hier:

In der "Welt" schreibt deren Chefredakteur Thomas Schmid, einst Mitbegründer der Gruppe "Revolutionärer Kampf", dann auf wundersame Weise anscheinend zum Demokraten mutiert:
Tief verletzt hat er sein Amt dahingeworfen, sich selbst vom Hof gejagt. Mit Leib und Seele wollte er Bundespräsident aller Deutschen sein, hat mit steter Neugier das Land bereist – und musste am Ende erkennen, dass er am falschen Ort saß. (...)

Diesem Präsidenten fehlte ein sicheres Hinterland. Dass es fehlte, hatte wohl auch mit ihm zu tun, mit seiner Unsicherheit, seinem Wunsch nach Kontrolle, seinem zuweilen verunglückenden Bedürfnis nach Exzellenz und wohl auch mit seinem zuweilen unebenen Charakter.
Was fällt, soll man stoßen, hat Nietzsche geschrieben. Wer zurücktritt, über den können sich Gestalten wie Thomas Schmid erheben.

Natürlich kann die "Süddeutsche Zeitung" das noch toppen. Dort schreibt deren stellvertretender Chefredakteur Kurt Kister heute:
Horst Köhler schmeißt hin und fügt dem Amt des Bundespräsidenten großen Schaden zu. Der 67-Jährige tritt ab, weil er beleidigt ist und sich der öffentlichen Debatte über seine Afghanistan-Äußerungen nicht stellen will. Dies offenbart: Der hölzerne Köhler war stets bemüht - und überfordert. (...)

Er ist darüber beleidigt, dass ihm, der er immer auch ein politischer Bundespräsident sein wollte, politische Kritik entgegengeschlagen ist. Köhler, angeblich ein Mann mit festem konservativen Wertekanon und ausgeprägtem Pflichtgefühl, wirkt im Moment wie ein Sponti: der Null-Bock-Horst. Man war garstig zu ihm und jetzt mag er nicht mehr mitspielen.
Noch nicht genug? Dann schauen wir einmal, was der stellvertretende Chef von "Zeit-Online", Karsten Polke-Majewski, schreibt (ich hatte kürzlich das Vergnügen, mich mit ihm zu befassen):
Der Bundespräsident wirft hin und lässt die Bürger ratlos zurück. Das schadet dem Land. Und spricht dem selbst eingeforderten Respekt vor dem Amt Hohn. (...)

Die jüngste Kritik an ihm, gegründet auf einer missverständlichen Interview-Äußerung nach einer Afghanistanreise, lasse den notwendigen Respekt an seinem Amt vermissen, sagte der Präsident. Die Worte beschreiben, was sein Rücktritt ausdrückt: mangelnden Respekt vor dem Amt, vor der Lage des Landes, vor dem, was Bürger sich von ihrem Staatsoberhaupt erwarten dürfen.
Immer noch nicht genug? Dann lesen Sie bitte, was ich gestern zum Kommentar von Roland Nelles in "Spiegel-Online" geschrieben habe.

Und noch nicht genug? Dann habe ich Ihnen noch als Schmankerl das anzubieten, was das "Neue Deutschland" heute schreibt: "Köhlers Volkstümlichkeit ähnelte zuweilen der eines Politkommissars".

Sie werden's ja wissen, die Kommunisten.



In Wahrheit geht es natürlich überhaupt nicht um Horst Köhler, seine Amtsführung und seine Motive. Es geht darum, daß Köhler liberalkonservativ ist und daß er als Liberalkonservativer von der Kanzlerin vorgeschlagen und von der Bundesversammlung gewählt worden war.

Sein Rücktritt wird von denen, die ein von einer Volksfront regiertes Land wollen, als das Menetekel für Schwarzgelb gesehen.

Die Schrift ist jetzt an der Wand. Die Linke sieht sich im Aufwind. Ihre publizistischen Helfer werden alles tun, um die Volksfront spätestens 2013 Realität werden zu lassen. Mit einem Kanzler Gabriel und dann, wer weiß, vielleicht einer Bundespräsidentin Käßmann. Fürwahr, wir gehen herrlichen Zeiten entgegen.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: IMF; in der Public Domain.