3. Juni 2010

Muß es wirklich auf Ursula von der Leyen hinauslaufen? Und wie wäre es mit Richard Schröder?

Warum die FDP nicht sofort nach dem Rücktritt Horst Köhlers ihren Anspruch auf das Amt des Bundespräsidenten anmeldete, ist mir - siehe diesen Artikel vom Dienstag - ein Rätsel. Aber nun gut, dieser Zug ist abgefahren. Dort, wo sie hätte Flagge zeigen können, hat die Führung der FDP versagt. Man streitet augenscheinlich lieber im Kleinen.

Der Presse wird nun - von wo, von wem auch immer - lanciert, daß Ursula von der Leyen die Kandidatin der Wahl sei.

Sie paßt in das Suchschema, das ich am Dienstag skizziert habe: Nicht sperrig, nicht eigenwillig wie Köhler. Die perfekte Karrierefrau. Polyglott, studierte Volkswirtin und Medizinerin. Immer proper, immer klug. Eine Frau, die eine steile Karriere auch noch mit Familie verbinden konnte. Sie hat sieben Kinder, sie pflegt ihren demenzkranken Vater, den früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht.

Daß sie das Gewicht für das Amt des Bundespräsidenten hat, kann ich nicht erkennen. Horst Köhler hatte dieses Gewicht, diese Eigenwilligkeit. Von Theodor Heuß bis zu Köhler hatten es alle Präsidenten; mit Heinrich Lübke und Johannes Rau als den beiden Ausnahmen.

Ein Präsident muß durch die Kraft seiner Persönlichkeit wirken. Dazu gehören Lebenserfahrung und klare Positionen. Bei Ursula von der Leyen, die alles kann und sich immer perfekt angepaßt hat, ist davon nichts zu sehen.



Es wird von einem Geheimkandidaten gemunkelt, der auch von der Opposition mitgewählt werden könnte. Ich möchte einen nennen: den Sozialdemokraten Richard Schröder.

Er ist, nach Wolfgang Gerhardt, den seine eigene Partei außen vor gelassen hat, und nach Joachim Gauck, der als prononcierter Gegner des Kommunismus nie eine Chance gehabt hatte, mein dritter Kandidat. Diesmal einer, der vielleicht nicht chancenlos ist.

Schröder ist Philosoph und Theologe. Er hat sich wie Joachim Gauck in der DDR der Anpassung an das Regime verweigert. Er ist das Gegenteil eines Karrieristen. Alles, was ich von ihm gelesen habe, war klug und differenziert. Er würde das Gewicht haben, das eine Präsidentin von der Leyen nie wird haben können.

Eines freilich spricht aus meiner Sicht gegen ihn: Die Wahl eines Bundespräsidenten wird in Deutschland bekanntlich als Vorbote politischer Entwicklungen gedeutet.

Als Gustav Heinemann gewählt wurde, sah man das als "ein Stück Machtwechsel" hin zu einer sozialliberalen Koalition. Die Wahl von Horst Köhler wurde als ein Schritt auf dem Weg zur schwarzgelben Koalition gesehen.

Würde Richard Schröder mit den Stimmen von Christ- und Sozialdemokraten gewählt werden, dann würde man das als ein Signal für eine erneute Große Koalition verstehen. Und das nun freilich wäre ein Unglück für unser Land.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Bundesarchiv; in der Public Domain.