Auf der obigen Karte (für eine vergrößerte Ansicht darauf klicken) sehen Sie, daß sich die wenigen Städte Kirgisistans in zwei Regionen konzentrieren: Im Norden um die Hauptstadt Bischkek herum und im Südwesten am Rande des Ferghana-Tals. Dazwischen liegt das spärlich besiedeltes Hochgebirge Tienschan mit Bergen bis über 7.000 Metern Höhe.
Wie konnte ein Land mit einer so seltsamen Geographie entstehen? Es ist gar nicht entstanden. Stalin hat es geschaffen, so wie die benachbarten Sowjet-Republiken Usbekistan und Tadschikistan. Sein Prinzip war es, die Grenzen von Sowjet-Republiken so zu ziehen, daß interne Konflikte ebenso wie Konflikte zwischen ihnen vorprogrammiert waren. Das sicherte Moskau die Herrschaft.
Dies ist eine der Informationen aus dem mit Informationen gespickten Artikel "The Kyrgyzstan Crisis and the Russian Dilemma" von Peter Zeihan, der seit Dienstag bei Stratfor zu lesen ist. Im folgenden referiere ich seine Kernpunkte, ergänzt durch einige zusätzliche Informationen.
1. Kirgisistan (ungefähr 5,5 Mio Einwohner) ist ein Kunstgebilde; ein kleines Land zwischen Rußland und der Vormacht der Region, Usbekistan (knapp 28 Mio Einwohner). Es zerfällt dank Stalins Grenzziehung nicht nur geographisch in zwei Teile, zwischen denen es kaum Verkehrswege gibt, sondern es ist auch ethnisch bunt gemischt. Weniger als zwei Drittel der Bevölkerung gehören zum Staatsvolk der Kirgisen; daneben gibt es Russen, Usbeken, Tadschiken und Angehörige zahlreicher anderer Ethnien.
2. Bis vor fünf Jahren gehörte das Land zur russischen Einflußzone. In der "Tulpenrevolution" von 2005 kamen Kräfte an die Macht, die einen Kurs zwischen Rußland und dem Westen zu steuern versuchten. Im April dieses Jahres - so Peter Zeihan - "zeigte Rußland, daß es auch eine Tulpenrevolution inszenieren kann". Seither herrschen Unruhen, die in den vergangenen Tagen dramatisch zunahmen.
3. Als sie dieser Unruhen nicht mehr Herr werden konnte, bat die Übergangspräsidentin Rosa Otunbajewa um die Entsendung russischer Truppen. Rußland ist dieser Bitte bisher nicht gefolgt. Und genau dies ist Ausdruck des russischen Dilemmas.
4. Einerseits nämlich strebt Rußland, seit Putin an der Macht ist, die Wiederherstellung des alten Sowjetreichs in Form von Einflußzonen an; auf "gespenstische Weise" ähnle eine Karte der russischen Einflußzonen heute dem einstigen Sowjet-Imperium, schreibt Zeihan (siehe auch Rußland auf dem Weg zurück zu einer imperialen Politik; ZR vom 16. 11. 2008). Zudem muß Rußland gegenüber dem Machtanspruch Usbekistans Flagge zeigen. Ähnlich wie seinerzeit die USA in Vietnam hat es dort eigentlich keine starken wirtschaftlichen oder militärischen Interessen; aber wenn es Kirgisistan preisgibt, dann zeigt das eine Schwäche, die zu zeigen es sich nicht leisten kann.
Wie konnte ein Land mit einer so seltsamen Geographie entstehen? Es ist gar nicht entstanden. Stalin hat es geschaffen, so wie die benachbarten Sowjet-Republiken Usbekistan und Tadschikistan. Sein Prinzip war es, die Grenzen von Sowjet-Republiken so zu ziehen, daß interne Konflikte ebenso wie Konflikte zwischen ihnen vorprogrammiert waren. Das sicherte Moskau die Herrschaft.
Dies ist eine der Informationen aus dem mit Informationen gespickten Artikel "The Kyrgyzstan Crisis and the Russian Dilemma" von Peter Zeihan, der seit Dienstag bei Stratfor zu lesen ist. Im folgenden referiere ich seine Kernpunkte, ergänzt durch einige zusätzliche Informationen.
1. Kirgisistan (ungefähr 5,5 Mio Einwohner) ist ein Kunstgebilde; ein kleines Land zwischen Rußland und der Vormacht der Region, Usbekistan (knapp 28 Mio Einwohner). Es zerfällt dank Stalins Grenzziehung nicht nur geographisch in zwei Teile, zwischen denen es kaum Verkehrswege gibt, sondern es ist auch ethnisch bunt gemischt. Weniger als zwei Drittel der Bevölkerung gehören zum Staatsvolk der Kirgisen; daneben gibt es Russen, Usbeken, Tadschiken und Angehörige zahlreicher anderer Ethnien.
2. Bis vor fünf Jahren gehörte das Land zur russischen Einflußzone. In der "Tulpenrevolution" von 2005 kamen Kräfte an die Macht, die einen Kurs zwischen Rußland und dem Westen zu steuern versuchten. Im April dieses Jahres - so Peter Zeihan - "zeigte Rußland, daß es auch eine Tulpenrevolution inszenieren kann". Seither herrschen Unruhen, die in den vergangenen Tagen dramatisch zunahmen.
3. Als sie dieser Unruhen nicht mehr Herr werden konnte, bat die Übergangspräsidentin Rosa Otunbajewa um die Entsendung russischer Truppen. Rußland ist dieser Bitte bisher nicht gefolgt. Und genau dies ist Ausdruck des russischen Dilemmas.
4. Einerseits nämlich strebt Rußland, seit Putin an der Macht ist, die Wiederherstellung des alten Sowjetreichs in Form von Einflußzonen an; auf "gespenstische Weise" ähnle eine Karte der russischen Einflußzonen heute dem einstigen Sowjet-Imperium, schreibt Zeihan (siehe auch Rußland auf dem Weg zurück zu einer imperialen Politik; ZR vom 16. 11. 2008). Zudem muß Rußland gegenüber dem Machtanspruch Usbekistans Flagge zeigen. Ähnlich wie seinerzeit die USA in Vietnam hat es dort eigentlich keine starken wirtschaftlichen oder militärischen Interessen; aber wenn es Kirgisistan preisgibt, dann zeigt das eine Schwäche, die zu zeigen es sich nicht leisten kann.
5. Andererseits wäre aber Rußland aus militärischen und auch aus demographischen Gründen nur unter großen Opfern zu einer Konfrontation mit Usbekistan fähig. Seine Streitkräfte sind nicht so mobil wie diejenigen der USA. Es fehlt an junger Bevölkerung, die man in der Grenzregion ansiedeln könnte, um Kirgisistan langfristig zu halten. Das Land ist 3000 km vom russischen Kernland entfernt.
6. Usbekistan hat also alle Trümpfe in der Hand. Es ist nicht nur als einziges Land der Region mit einer schlagkräftigen Armee und als einziges Land, das in Bezug auf Energie und Nahrungsmittel autark ist, die natürliche Vormacht. Sondern es vertritt auch offen die Auffassung, daß das südliche Kirgisistan, wie auch große Teile Tadschikistans, eigentlich zu Usbekistan gehören. Es hat alle Züge einer imperialen Macht im Kleinen.
7. Seit dem März mobilisiert Usbekistan seine Reservisten und verstärkt seine Garnisonen an der Grenze zu Kirgisistan. Eine Entsendung russischer Truppen nach Kirgisistan würde mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Krieg führen. Moskau versucht, um das zu vermeiden, deshalb jetzt, die Entsendung nichtrussischer Truppen aus Ländern der Organisation für kollektive Sicherheit zu erreichen.
Zeihan sieht diese Entwicklung in Zentralasien vor dem Hintergrund der allgemeinen Strategie Rußlands, die er schon in früheren Artikeln dargestellt hat (siehe Gratulation an Wladimir Putin zum Zehnjährigen; ZR vom 6. 8. 2009). Als entscheidend betrachtet er Geographie und Demographie:
Rußland hat kaum natürliche Grenzen. Seine Politik war es deshalb seit der Zeit der Zaren, möglichst breite Pufferzonen zu den benachbarten Mächten zu schaffen und dort Russen als eine ethnische Minderheit anzusiedeln. Diese Politik haben Stalin und seine Nachfolger weitergeführt; Putin versucht das jetzt ebenfalls.
Aber Rußland fehlt es für eine solche Politik heutzutage an einer entscheidenden Ressource: Menschen. Die Geburtenrate ist seit 1990 dramatisch gesunken - so sehr, daß dieser Verlust frühestens ab 2050 wieder aufgefangen werden kann.
Putin und seinen Ratgebern ist das, schreibt Zeihan, schmerzlich bewußt. Man versucht Rußland nach allen Seiten abzusichern, solange man noch die Soldaten dafür hat.
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Abbildung: Karte von Kirgisistan aus dem CIA World Factbook; modifiziert. Copyrightfrei als Material der US-Regierung.