1. November 2007

Ein Untoter steigt aus seiner Grube ...

... wie man es zu Halloween, zu Samhain erwarten darf.

Was erhebt sich da klapppernd - und langsam, langsam - aus seinem Grab, in das es vor dreißig Jahren gelegt worden war? Ja, Sie sehen richtig: Es ist das allgemeine Tempolimit. Zu Grabe getragen, schon einmal als Untoter auferstanden, wieder zurück befördert in die Grube, erneut herausgestiegen, wieder begraben.

Und nun ist es wieder da, das Tempolimit, vernehmlicher mit seinem ausgemergelten Gerippe klappernd denn je.



Wer gestern "Hart, aber fair" gesehen hat, der glaubte sich - so er diese Zeit bewußt erlebt hat - in die Zeit Anfang der siebziger Jahre zurückkatapultiert, in die Zeit der "Energiekrise", der "autofreien Sonntage".

In die Zeit, in der - es war am 28. Februar 1974 - der ADAC den Slogan "Freie Fahrt für freie Bürger" kreierte.

Einen Slogan, der ihm dann später, als die Tugendwächter allmählich meinungsführend wurden, oft um die Ohren gehauen wurde.

Damals aber siegte die Vernunft. Es gab nicht mehr als die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h auf Autobahnen, eingeführt 1976.



Die Zahl der Unfalltoten sank. Aber der Untote rührte sich.

Das erste Mal stieg er, der Untote, Anfang der achtziger Jahre wieder aus seiner Grube. Es war die Zeit der Diskussion um das "Waldsterben". An eine globale Erwärmung dachte damals noch kaum jemand; aber die Abgase, die dem Wald schaden, sollten durch langsameres Fahren verringert werden.

In den Jahren 1984 und 1985 wurde vor diesem Hintergrund ein "Großversuch" mit Tempo 100 auf ausgewählten Autobahn- Abschnitten durchgeführt. Die Ergebnisse waren derart, daß die Bundesregierung am 19. November 1985 beschloß, kein Tempolimit einzuführen.

Zurück in die Gruft!



Die Zahl der Verkehrstoten ging weiter zurück. Dank Verbesserungen in der aktiven, der passiven Sicherheit der Autos. Ohne Tempolimit.

Der Katalysator wurde Pflicht. Die Industrie verpflichtete sich zur Verminderung der Schadstoffe in den Abgasen. Diese nahmen weiter ab. Ohne Tempolimit.

Dennoch reckte er sich wieder aus seiner Grube, der Untote. Kurz nach der Wiedervereinigung, im Jahr 1991, forderte der damalige Umweltminister Töpfer ein Tempolimit auf Autobahnen. Er wurde aber sofort vom Verkehrsministerium gestoppt. "Der Großversuch 1984 bis 1985 hat eindeutig gezeigt, daß ein Tempolimit den Verkehr weder sicherer macht, noch die Abgase wesentlich verringert", bemerkte dazu Gert Scholz, Sprecher des Verkehrsministeriums. Töpfer machte einen Rückzieher und erklärte, er habe nie ein generelles Tempolimit verlangt.

Der Untote hatte kurz aus seiner Grube gewunken, war dann aber wieder in sie zurückgesackt.



Vielen wird es gegangen sein wie mir: Ich hatte das Thema schon vergessen. Das Tempolimit schien so fest in seiner Grube zu ruhen, als habe man ihm einen Pflock ins Herz gerammt und sicherheitshalber noch eine Schicht feinsten Knoblauchs über ihn gestreut, darauf ein Kruzifix.

Aber nein. So leicht wird man mit diesem Untoten nicht fertig. Jetzt hat die SPD ihn also wieder an die Luft, wenn auch vielleicht noch nicht ans helle Tageslicht befördert.

Die Lage hat sich nicht geändert. Die Abgaswerte sinken weiter. Die Zahl der Unfalltoten ist inzwischen niedriger als 1953. Damit liegt Deutschland in Europa bei den niedrigsten Opferzahlen. Ohne generelles Tempolimit.

Um vielleicht 0,3 oder 0,4 Prozent würde der CO2-Ausstoß in Deutschland sinken, führte man ein Tempolimit auf Autobahnen ein. Das sagen die Experten des Verkehrsministeriums, der Industrie.

Genau weiß das aber niemand. Denn die letzten verfügbaren Daten stammen aus den neunziger Jahren. Man dachte ja, der Untote sei endgültig in seine Grube verbannt.



Also, was soll dieser vermuffte Tanz der Vampire? Was in aller Welt denkt sich die SPD dabei, diesem klapprigen, vergammelten Untoten wieder aus seiner Grube zu verhelfen?

In "Hart aber fair" hat es einer der Pro- Tempolimit- Diskutanten gesagt: Es gehe ja gar nicht so sehr um den tatsächlichen Umwelt- Effekt. Es gehe darum, ein Signal zu setzen.

Mit anderen Worten: Es geht, wie beim Rauchverbot in Gaststätten, um eine Schikane.

Es geht darum, "bewußtseinsbildend zu wirken". Die Ideologen wollen denjenigen, die sich ihrer Ideologie nicht fügen, zeigen, wer in diesem Land nicht nur die Meinungsführerschaft hat, sondern auch die Machtmittel, seine Meinung gegenüber Dissidenten durchzusetzen. Und natürlich ist es auch ein gutes Gefühl, den Porsche- und BMW- Fahrern eins auszuwischen.

Dafür lohnt es sich schon mal, einen Untoten aus seiner Grube zu holen.

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